Hallo Gerd,
da kommen sicherlich mehrere Sachen zusammen.
Man kann sich zum Beispiel fragen: Warum wollen die erfahrenen Astrofotografen unbedingt unter sich bleiben? Aus dem eigenen Bekanntenkreis weiß ich: Das geht soweit, daß sich diese Leute rein international orientieren, um ausschließlich mit Leuten auf Augenhöhe zu kommunizieren. Aber was ist denn so schlimm daran, die Erfahrung, die man gesammelt hat, mit denjenigen zu teilen, die eben noch nicht so weit sind? Wenn man selber seine ersten Gehversuche hier gemacht hat und die dafür notwendigen Tips von den damals Fortgeschrittenen hier bekommen hat, wäre es nur fair, umgekehrt den heutigen Anfängern - oder zumindest denjenigen, die ein Level unter einem agieren - unter die Arme zu greifen. Niemand verlangt, daß jemand, der sein Geld mit dem Verkauf von Astroaufnahmen an Bildagenturen verdient, geduldig Tag für Tag frischgebackenen Amazon-Teleskopkäufern erklärt, was der Unterschied zwischen Objektiv und Okular ist. Die Haltung, daß es grundsätzlich unter der Würde des erfahrenen Astrofotografen ist, Fotografieeinsteigern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist aber leider weit verbreitet. Daß man selber auch mal so angefangen hat, die entsprechenden Fehler gemacht und dumme Fragen in einem Astroforum gestellt hat, scheint den Koryphäen oftmals peinlich zu sein und wird am liebsten unter den Teppich gekehrt.
Auf jeden Fall hast du Recht, daß es wenig Sinn macht, wenn Dampfplauderer einfach nur um des Beiträgeschreibens willen die Einsteiger bedienen, die jeweils diskutierten Geräte gar nicht mehr aus eigener Anschauung kennen, weil sie selber noch ihre alten Dinger aus einer ganz anderen Zeit haben (auch das gibt es ja) oder sich mittlerweile zu höherpreisigem Equipment vorgearbeitet haben. Damit wären wir wieder an dem Punkt, wie man diejenigen, die vor nicht allzu langer Zeit selbst Einsteiger waren und dafür vielleicht besser geeignet wären, dazu bekommt, sich dort einzubringen. Abgesehen von speziellen Ausstattungsfragen ist vieles, was man im Laufe seiner Amateurkarriere so an Erfahrungen macht natürlich aber auch allgemeingültig und zeitlos. Keine Ausrede also für die alten Hasen, sich an dieser Stelle zurückzuhalten.
Eine ganze andere Sache ist der Umgangston. Zweifellos hat die Kritik darüber zugenommen, nicht nur im Astrotreff, sondern im Internet allgemein. Daß man vor Tastatur und Bildschirm deutlich enthemmter ist und schnell mal die Sau rausläßt, als wie wenn die Person, mit der man da gerade kommuniziert, einem im realen Leben gegenübersäße, ist ein bekanntes Phänomen. Ich frage mich zwar, ob ob das nicht schon seit Anbeginn des Internets genauso war und die Leute heutzutage nur sensibler darauf reagieren, aber das löst natürlich das Problem nicht, daß so manch einer das Aggressivitätsniveau mal ein paar Stufen runterfahren müßte. Hier sehe ich übrigens durchaus umgekehrt auch den Grund darin, daß es immer die gleichen sind, die immer die gleichen Fragen beantworten (müssen) - wenn man zum tausendsten Mal erklärt, wie das mit der Vergrößerung funktioniert, wird so mancher eben doch irgendwann genervt und macht das in einem anderen Tonfall als beim ersten Mal, vielleicht sogar ohne es zu merken.
Witzig ist übrigens, daß die Moderation was diese Frage angeht sowohl von der einen als auch von der anderen Seite auf den Deckel bekommt: Auf der einen Seite wird sich über die weichgespülte blaue Lagune beschwert, wo der mahnende Zeigefinger zu schnell erhoben wird und nur Friede, Freue, Eierkuchen sein darf, auf der anderen fordern erwachsene Menschen sandkastenartig Sanktionen gegen andere, sobald mal ein kritisches Wort fällt...
Viele Grüße
Caro