Beiträge von schmorbraten im Thema „Teleskopsteuerung mit Raspberry Pi ?“

    (==>)Der_Michael: genau dieser Blumenstrauß an Wünschen ist es, der solche Projekte immer scheitern lässt...


    Eben nicht immer: An dieser von mir mehrmals besuchten Sternwarte in Österreich funktioniert das alles. Hab ich selber gesehen. Was dort seit vieleicht 20 Jahren unter DOS auf einem 25 Jahre alten 486-PC (Teleskop-Server), zusammen mit einer kleinen WIN7-Kiste als Teleskop-Client mit Windows-Bedienoberfläche und diversen Schnittstellen funktioniert (Kuppelsteuerung, spezielle Planetariumsprogrammanbindung, sehr praktische Bedienoberfläche mit Sprachausgabe, Remote-Access über Netzwerk), dass müsste heutzutage doch mit einem Pärchen Arduino/Himbeere genauso realisierbar sein. Nur eben ohne die mühsame Beschäftigung mit uralter Hardware und Software, die dort zumindest beim Server noch immer eingesetzt wird. In der Steiermark gibt es jetzt angeblich ein fast baugleiches Projekt, sowohl was das Teleskop (50cm Cass) als auch was die Steuerung betrifft. Hab ich mir sagen lassen.

    Glaubst du wirklich, dass ASA-Teleskope so gut sind? Na wie dem auch sei, zu dem was (==>)watchgerar geschrieben hat, gibt es folgendes zu ergänzen:


    Die eigentliche Schrittausgabe kann der Arduino mit seinem einfachen single-Task-Betriebsystem wirklich besser, da hat (==>)watchgear Recht. Da funkt dir kein anderer Interrupt dazwischen, wenn du es nicht willst. Du musst nur dafür sorgen, dass deine Schrittmotor-Schrittausgabe die höchste Priorität bekommt. Der Arduino wird allerdings nur Integerzahlen vernünfig rechnen, für Gleitkommaoperationen ist er zu schmalbrüstig. Du brauchst letztere jedoch für die von mir beschriebene(n) Koordinatentransformationen, wenn du rechnergesteuert positionieren und nicht nur nachführen willst.


    Am Besten du nimmst beide, den Arduino für die direkte Schrittmotor-Ansteuerung und eine einfache Bedienoberfläche zur Motor/Getriebe-Parametrierung, sowie die Himbeere (bzw. gleich einen PC) für den Rest und die Schnittstelle zum Planetariumsprogramm. Oder du verwendest statt dem Arduino eine fertige Schrittmotorsteuerung mit asynchroner Positions- oder Geschwindigkeitsvorgabe an der Schnittstelle zum überlagerten Rechner.


    Der Clou einer guten Teleskopsteuerung ist aber nicht die Ansteuerung des Schrittmotors selber, dass kann fast Jeder. Der Kern liegt in den von mir einfach beschriebenen Berechnungen, die auch asynchron, also ein klein wenig unregelmäßig durchgeführt werden können. Das geht sehr wohl unter Linux oder auch unter (Sch)windows, wenn du willst.


    Soweit alles klar?

    Gut, gute Idee, Der_Michael!


    Dann fang schon mal an und mach....


    Also im Prinzip brauchts du ja nur ein wenig sphärische Trigonometrie, um lx200-Positionierbefehle (Rektaszension/Deklination) auf Stundenwinkel umzurechnen (für äquatorial montierte Teleskope) oder auf Azimut/Horizonthöhe umzurechnen (für azimutal montierte Teleskope). Am Besten, deine Steuerung kann beides. Ausgehend von der momentanen Teleskopposition, also dem momentanen Wert des Stundenwinkels bzw des Azimuts/Horizonthöhe auf der das Teleskop momentan steht, ergibt sich eine Winkeldifferenz in Form von Schrittmotorschritten, die das Telekop zu bewegen ist um die neue Position zu erreichen. Universelle Motor- und Getriebeparameter sind ja leicht parametrierbar in deiner Software zu verwalten. Der Stundenwinkel bzw. Azimut/Horizonthöhe ändern sich ständig mit der Zeit. Diese Änderung ist die Winkelgeschwindigkeit der erforderlichen Nachführung und sie ist auch während einer laufenden Positionierung zu berücksichtigen, da du ja nicht unendlich schnell auf die neue Position hinfahren kannst. Sobald deine Steuerung erkennt, dass die Zielposition bald erreicht wird, nimmst du die Positioniergeschwindigkeit in deiner Software langsam zurück, bis du bei erreichen der Zielposition nur mehr die Nachführgeschwindigkeit(en) hast.


    das wäre im Prinzip alles!


    Oder nicht?


    Sagen wir mal so: Es gibt gewisse Vorraussetzungen: Da hätten wir einmal die Startposition des Teleskops, also die momentane Teleskopposition zu Beobachtungsbeginn. Da musst du entweder einen bekannten Stern manuell einstellen, dann hast du deine Startposition. Oder deine Software parkt am Beobachtungsende dein Teleskop irgendwo (beispielsweise im Zenit) und du startest in der nächsten Beobachtungsnacht von dort weg (wohl nur bei stationären Sternwarten-Telekopen brauchbar).


    Als nächste Vorraussetzung haben wir die Aufstellgenauigkeit. So wie ich es eben beschrieben habe, funktioniert es nur bei exakter Nordung (für äquatorial montierte Teleskope) bzw. exakter Ausrichtung mit sehr genauer Wasserwaage (für azimutal montierte Teleskope).


    Zuguterletzt brauchst du noch die genauen Standortkoordinaten und die genaue Uhrzeit, sonst kommst du mathematisch ja nicht auf den Stundenwinkel.


    Also dass ist aber jetzt doch wirklich alles!


    Oder nicht?


    Na ja, für eine amateurhafte Steuerung reicht es aus. Professionell ist es jedoch immer noch nicht, weil wir stillschewigend 2 weitere Winkelwerte vorrausgesetzt haben: Nämlich den exakten 90°-Winkel zwischen Rektaszensionsachse (bzw. Azimutachse) und Deklinationsachse (bzw. Höhenachse) bei deinem Teleskop.


    Dann brauchen wir noch einmal weitere 90° zwischen Deklinationsachse (bzw. Höhenachse) und optischer Achse, auch dieser Winkel wird bei deinem Teleskop nicht ganz genau stimmen.


    Das ergibt insgesamt 6 Parameter (4 Winkelwerte und die Startposition), deren genaue Einhaltung über die Genauigkeit deiner Positionierung entscheiden wird.


    Was jetzt immer noch fehlt, ist die Korrektur der atmosphärischen Refraktion. Nun die kann deine Himbeere leicht auch noch dazu ausrechnen. Dann ersparst du dir die blöde "King-Nachführrate"


    So, jetzt ist deine Steuerung aber ganz genau, zumindest wenn dein Telekop so genau aufgestellt und so genau gebaut ist, oder nicht?


    Doch, doch, da kann ich dich beruhigen. Nur noch Kleinigkeiten hätten wir noch: Eine eventuelle Durchbiegung deines ganzen Teleskops hast du nicht berücksichtigt. Weiters den Schneckenfehler deiner Getriebe und den Getriebe-Totgang (neudeutsch backshlash), na ja dass sind aber wirklich Kleinigkeiten. Zumindest in einem aufgeflanschten Sucher wirst du dein positioniertes Himmelsobjekt sicher schon finden, sofern es nicht zu lichtschwach ist.


    Was ich noch tun würde, wenn ich ein stationär montiertes Teleskop hätte?


    1.) lx200 ist zwar nett, aber primitiv! Du hast keine Möglichkeit, die Eigenbewegung von Himmelsobjekten bei der Positionierung mit anzugeben. Üblich sind Eigenbewegungsgeschwindigkeit in Bogensekunden pro Zeitsekunde sowie der Positionswinkel. Ordentliche Planetariumssoftware rechnet dies für Objekte des Sonnensystems mit aus (Guide9).


    2.) Die Epoche, auf die sich die Himmelskoordinaten beziehen, sollte bei einem Positionierbefehl ebenfalls angegeben werden (schon wieder Fehlanzeige bei Lx200).


    Alternativen zu Lx200?
    Nimmst du statt Lx200 das Celestron-Nexstar-Protokoll, dann bist du zwar "Hardware-näher", aber flexibler. Nicht umsonst bauen die Chinesen da drauf auf (Skywatcher). Du kannst ja locker beides in deiner Himbeere implementieren.


    3.) Schon mal was von Tpoint gehört? Tpoint modelliert die oben erwähnten 6 Parameter in einem Teleskopmodell. Da brauchst du weder ganz exakt einzunorden, noch muss dein Teleskop mechanisch so genau gebaut sein. Die 6 Parameter werden "eingemessen" und die Koordinaten des einzustellenden Himmelsobjektes danach entsprechend "verfälscht".


    4.) Noch besser wie das depperte Tpoint ist es, du verwaltest dein Teleskopmodell selber in deiner Himbeere. Mathematisch zwei weitere Koordinaten-Transformationen der Himmelskoordinaten (wieder sphärische Trigonometrie). Dann macht du auch den Fehler nicht, den Tpoint immer noch macht: Du kannst die Missweisung deines Teleskops und die beiden (oben beschriebenen) Konusfehler (zusammen mit der atmosphärischen Refraktion) nicht nur bei der Positionierung, sondern auch bei der Nachführung berücksichtigen!


    Wenn du das geschafft hast, wirst du (sofern dein Sternwarten-Teleskop hinreichend mechanisch stabil montiert ist) ohne einen Guider auch bei hohen Brennweiten (>2m) eine oder sogar mehrere Minuten lang mit einer CCD-Kamera belichten können. Jetzt ist deine Himbeeren-Teleskopsteuerung wirklich professionell und hebt sich von all den "Produkten" ab, um die sich dieser "Steuerungskrieg" seinerzeit gedreht hat.


    Woher weis ich das alles?
    Naja, ich war ein paar Mal auf der Sternwarte Harpoint (Österreich, Salzkammergut) zu Besuch und hab mir dass eben erklären lassen. Die haben dort auch eine Montierung gebaut. Nicht nur die Montierung, das ganze Teleskop.