Guten Tag,
(Das Folgende passt weder zu 100% ins Selbstbauforum aber auch nicht ganz ins Reiseforum, der Kohärenz wegen füge ich es trotzdem hier ein.)
…. und nichts wie weg nach Chile damit! Reisezeit fast ganzer Dezember. Schwerpunkt Elqui-Tal, unweit des Standortes für das neue Giant Magellan 21m Teleskop. Fazit: Durchzogen, alles hat zwar funktioniert aber doch viel Pech war mit im Spiel. - Ich muss husten vor dem Weiterschreiben.
Den internationalen Flug hat das Teleskop bestens überstanden und auch das Herumkarren und Schubsen in der U-Bahn Santiagos war problemlos. Nach einer Inlandverschiebung kam dann die erste böse Ueberraschung.
Der Bodenring war kaputt. Der Araldit hielt die Schläge oder Temperaturschwankungen nicht aus. Niemand wusste, wo man in dieser Millionen-Stadt 2 Komponentenkleber bekommen kann. Ich fand nur Uhu und das bekannte Doppelklebband in einer Papeterie in letzter Minute vor dem Weiterflug nach la Serena.
Weiter hatte sich ausgerechnet die blöde Sucherschraube gelockert für die mir der Inbus-Schlüssel exakt fehlte. In der U-Bahn kam dann einer daher, der ein ganzes Schraubenzieherset für Elektrogeräte anpries für einen ganzen US-Dollar. Her damit! Ich war überglücklich bis ich später das Warnschild sah: Jeglicher Erwerb von Händlersachen ist streng verboten und wird strafrechtlich geahndet. Glück gehabt. (Abgesehen davon ist Hehlerei auch in Chile natürlich ein Straftatbestand.)
Im Elqui-Tal angekommen hatte ich den ganzen Tag Zeit, in einem Bungalow mit primitivsten Mitteln alles zu flicken. Das mit dem Uhu konnte man sofort vergessen, also letzter Versuch mit dem Klebband. Sonst bliebe nur noch die Kiosklösung mit einem Kaugummipack. Das Abkratzen der Harzreste war mühsam und dauerte 90 Minuten. Als Zentriereinrichtung diente mir die Innenecke des Bungalows. Schliesslich war der Ring wieder zusammen. Entgegen jeglicher statischen Logik war der Ring nun kaum schlechter! Das kann man so definitiv sein lassen. Erklären kann ich mir das nur mit einer offensichtlichen grossen statischen Reserve, die das 4.5cm dicke Ding haben muss.
Bungalow als Werkstatt
Schab und kratz kratz...
Raierspiegelchen in neuer Schatulle
Zum Rekognoszieren für die kommende Nacht reichte es nicht mehr. Chile ist ein riesiges feudales Latifundien-Stacheldrahtgehege und freie Wanderwege kann man ziemlich vergessen. Kein Strassenrand ohne Stacheldraht mit bissigen Hunden dahinter. Der hinterste Eigentümer im Tal wirkt gleichzeitig als Talsperrer. Ohne seine Durchgangserlaubnis kommt man gar nie zu den Bergen am Talende. Das ist systematisch so in Chile ausser in Gebieten die total unfruchtbar sind. Die Profi-Sternwarten machen das natürlich auch so. Direkt neben der Panamericana, wo der Privatweg viele viele Kilometer weit zu den Kuppeln und Hotelunterkünften beginnt, ist bereits die Barriere runter. Kein Durchgang, auch nicht einen Meter weit mit dem eigenen Fuss. So wollte es Pinochet, so wollen es alle Länder, welche die franz. Aufklärung immer noch nicht begriffen haben.
Immerhin gelang es mir mich von den Strassenlampen zu entfernen und aus dem Dorf zu schleichen. Ein Plätzchen war gefunden. Ueberall lagen zertrümmerte Wein- und Schnapsflaschen herum. Bald kamen die ersten Jungs und Mädels herbei mit noch vollen Trinkflaschen. - Ich packte zusammen und ging ins Bett.
Die nächste Nacht war dann der Volltreffer: Aufstieg mehr als 1 h. Windstill und sich anbahnende Transparenz vom Feinsten ohne jegliche Szintillation. Alles funktionierte perfekt; als dann hinter den fernen Bergen Argentiniens eine ungeheure Lichtverdichtung in der Milchstrasse aufging, sich der ganze Eta-Carinae Komplex im Okular bemerkbar machte, war für mich das Fass voll. So etwas haben wir nicht im Norden….. Reiner Wahnsinn, was man da sieht, Schockfronten, Verdichtungen, Ausfaserungen und Elefantenrüssel . - Enttäuschend waren eigentlich nur die Galaxien. Da fehlen einfach die Photonen bei 255mm Oeffnung. NGC 55 gross aber düster, NGC 253 schlechter im Zenith als von uns aus am Horizont mit 500mm Oeffnung.
Immer wieder musste ich bei diesem bockstillen Firmament auch die Optik überprüfen. Die ganze Fangspiegelschweinerei im Newton-System kommt da halt optimal störend zum Vorschein. Besser man hätte einen Kutter-Schreckling mit zudem etwas dickeren Gläsern im Reisegepäck. Immerhin sah ich Beugungsringe aber mit viel Gefummel darum herum. Starker Unterschied zum Beugungsbild im Lehrbuch leider.
Nützlich war die ausserordentliche Standfestigkeit meines Dobis. Man findet in den Bergen als Zeltler bekanntlich alles, nur nicht eine ebene Fläche von etwa 2 m2 Grösse. So auch hier. Aber die leichte Schräglage verkraftete das Teleskop spielend, nachdem sich kein geeigneter Stein zur Nivellierung finden liess.
Ein Streulichtschutz unten war nicht nötig: Als ich zum Austreten mich vom Fernrohr pietätsmässig angemessen entfernte, fand ich im Ernst das Teleskop erst nach längerem Suchen wieder. Nur der Wiederschein des Himmels im Spiegel verriet es schliesslich. (Das war in der Folge nicht immer so.)
Dieses Beobachtungsglück währte leider nicht lange. Nach einer Velofahrt am folgenden Tag kam ein eigenartiges Stechen in der Lunge auf. Eine schlimme Erkältung bahnte sich an. Sie dauert bis jetzt. Die Wahrheit erfuhr ich in der Plaza de Armas vom Volk, nicht vom Hotelier, den Reiseagenturen oder Amtspersonen. Pestizidvergiftung. 40km langes Tal beidseitig bis zum geht nicht mehr mit Pisco-Reben bestückt ist halt zu viel für gewisse Lungen. Als dann der Bungalow-Nachbar, ein kräftiger Argentinier mit einer *traumhaften* Landsgenossin an seiner Seite, auch noch zu husten anfing und abreiste, war für mich klar: Der hat sich sicher nicht nachts erkältet! Ich wechselte in ein Seitental nach Cochiguaz. Noch besserer Himmel, da keine Dorfbeleuchtung, gute Beobachtungsmöglichkeit direkt vor dem Hostal, aber nicht bessere Luft. Ich war benommen und konnte nicht mehr als 1h beobachten, schliesslich Abbruch der Uebung und nichts wie weg an die Pazifikluft in la Serena. Es wurde besser aber nicht gut und jetzt, wo ich hier unter dieser stickigen Zürcher- Nebel- Abgasluft schreibe und atme, wird es eher wieder schlechter. Hoffentlich kommen bessere Zeiten. - Ein Walliser Sterngucker hat mir einmal gesagt, der beste Beobachtungsstandort sei immer bei den Reben. Pfui Teufel würde ich dem jetzt sagen.
Grüsse und ein gutes Neues Jahr (mit pestizidfreien Beobachtungsnächten) an alle Emil
P.S. So eine Chile-Reise weckt neue Teleskop-Baugelüste, wie immer sie auch ausfällt: 16“ Nur-Newton, 9kg Gesamtgewicht, Packmasse kleiner als der vorhandene. Das sind so die Zielvorgaben, die ich mir am Pazifik gegeben habe.