Beiträge von Rigel7 im Thema „vor 17 + 5 Jahren: Totale Sofi in Deutschland -Wdh“

    Hey,
    schöner Thread hier. Da werde ich mich hiermit auch mal verewigen. Ich bin damals, zusammen mit meiner Mutter, in den Süden gefahren, bewaffnet mit meinem 20x60 Fernglas, Sofi-Brillen und einer einfachen, analogen, zoomlosen Plastikkamera. In den Tagen danach hatte ich einen Erlebnisbericht darüber verfasst den ich hier mal teilen möchte, garniert mit einigen Bildern die ich damals aufgenommen hatte.


    <i>Die letzten Tage vor der Sonnenfinsternis sind schrecklich. Der tägliche ( und am letzten Tag stündliche) Wetterbericht ist spannender und dramatischer als jeder Thriller. Hier in Sachsen hat man noch relativ gute Chancen, die partielle SOFI zu sehen. Die Wetterprognosen für Bayern sind dagegen wenig vielversprechend. Irgendwie komme ich mir veralbert vor, da die ganzen Wochen vorher super Wetter war und nun ein riesiges Tiefdruckgebiet aufzieht.
    Ich überlege schon, nicht nach Bayern zu fahren und stattdessen hierzubleiben, um überhaupt etwas zu sehen. Allerdings habe ich bereits eine partielle Sonnenfinsternis hinter mir (12. Oktober 1996).
    Gerademal bei 20% liegt die Wahrscheinlichkeit für freien Blick auf die Sonne im Reiseziel, der Gegend um München. Im Saarland sieht es dagegen anders aus. Dort stehen die Chancen bei 70% recht gut. Leider reichen Zeit und Geld nicht mehr, um noch einmal umzudisponieren (zum Glück, wie sich später herrausstellt). Also fahren wir nach Bayern. Ich freue mich seit ca. 12 Jahren auf dieses Ereignis und lasse mich nicht von einem Tiefdruckgebiet aufhalten! Ich möchte wenigstens erleben, wie es mitten am Tag dunkel wird.
    Mit dem Zug geht es nach Freising. Unterwegs gibt es immer wieder sorgenvolle Blicke gen Himmel, nicht nur bei mir sondern auch bei den anderen SOFI-Touristen, die sich wie Heringe im Zug drängeln. Oft fahren wir an verstopften Autobahnen vorbei. Mit dem Auto hätte man es wohl gerademal bis nach Hof geschafft.
    Nach ca. 6 Stunden Fahrt sind wir da. Wir werden mit einem Regenguss empfangen, der die Stimmung nicht sonderlich hebt. Mit der S-Bahn geht es etwa 1,5km weiter südlich bis Pulling, einem ländlicheren Fleckchen. Pünktlich zum ersten Kontakt reißt die Wolkendecke auf, wenige Minuten später ist bereits eine kleine Delle rechts oben an der Sonne zu sehen. Wir suchen uns einen geeigneten Platz auf freiem Feld

    Der Blick nach Süden:

    Schnell packe ich meine Utensilien aus, bevor sich die nächste Wolke anschickt, den Blick auf die Sonne zu verdecken. Mit dem Fernglas projiziere ich immer mal wieder das Sonnenbild auf eine weiße Fläche. Die Sonne ist mittlerweile fast zur Hälfte verdunkelt.

    Ich erkenne, wie der Mond langsam einen größeren Sonnenfleck abdeckt. Skeptisch beobachte ich eine größere Wolkenlücke, die sich von Westen nähert. Ob sie es wohl bis zur Totalität schafft? Als die Sonne zu 80-90% abgedeckt ist, fällt mir zum ersten Mal auf, dass das Licht seltsam fahl und bleich geworden ist. Die Umgebung wird in ein grau-violettes Licht getaucht.


    Etwa 10-5 Minuten vor dem zweiten Kontakt wird es merklich kälter. Wind kommt auf, und ich hoffe, dass er die Wolkenlücke etwas beschleunigt. Im Dorf höre ich Hunde bellen.
    Dann, kurz vor dem zweiten Kontakt, ist die Wolkenlücke über uns und gibt den Blick auf die Sonne frei. Unglaublich! Direkt über uns freier Himmel und rundherum nur Wolken. Im Süden, über München, hängt eine riesige Gewitterfront. ich schaue wieder auf meine Projektion. Nicht zu fassen, dass eine so schmale Sichel noch so hell sein kann.
    Die letzten Sekunden vor der Totalität sind an Spannung nicht mehr zu überbieten. Mein Herz pocht vor Aufregung. Das ist er nun... Das ist der Moment auf den ich seit meinem 6. Lebensjahr gewartet habe. Damals hatte ich zum ersten Mal von diesem Ereignis gehört und fieberte seitdem dem heutigen Datum entgegen.
    Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Um 12:37 Uhr wird es von Sekunde zu Sekunde dunkler. Im Westen sieht man den Kernschatten des Mondes heranrasen. Es geht jetzt alles so schnell, dass ich gar nicht weiß, wo ich denn nun hingucken soll. Beobachte ich den Kernschatten im Westen? Schaue ich mir auf meiner Projektion die Perlschnur an, oder genieße ich den Diamantring?. Die Beobachtung der fliegenden Schatten, für die wir extra ein weißes Tuch auf dem Boden ausgebreitet haben, vergesse ich völlig.
    Und schon ist der Kernschatten da. Ich blicke zur Sonne und sehe den Diamantring majestätisch aufleuchten, dann verschwindet auch er. Es ist nun dunkel wie in einer Vollmondnacht. Links von der Sonne erkenne ich sofort die Venus. Merkur und die restlichen Sterne sind hinter Wolken verborgen.
    Überwältigt von diesen Ereignissen lehne ich mich zurück und genieße den Anblick der verfinsterten Sonne. Die Korona strahlt hell durch hauchdünne Wolkenschleier hindurch, an manchen Stellen ist das rötlich-pinke Schimmern der Chromosphäre zu sehen. Selbst mit bloßem Auge sind einige Protuberanzen zu erkennen.

    Der Horizont ist aufgehellt wie beim Abendrot, aber eben nicht nur im Westen sondern in allen Himmelsrichtungen.

    In der Ferne höre ich Gleichgesinnte jubeln und klatschen. Plötzlich fällt mir auf, dass die Vögel verstummt sind. Wie um mich zu widerlegen, krächzt irgendwo hinter mir ein Rabe. Er bleibt aber der einzige, der sich zu Wort meldet. Die nahe Fabrik auf der eben noch emsig gearbeitet wurde ist ebenfalls still. Es ist eine gespenstische aber nicht beängstigende Atmosphäre.
    Dann, nach etwa 2 Minuten und 17 Sekunden beginnt sich der Himmel im Westen aufzuhellen. Es ist als würde jemand mit einem stufenlosen Schalter das Zimmer aufhellen. Wieder taucht der Diamantring auf, wirklich einer der ergreifendsten Momente einer totalen Sonnenfinsternis.

    Schnell wird es wieder hell. Dünne Wolken ziehen wieder vor die Sonnensichel. dadurch kann man nun einen Effekt beobachten, der sich "irisierende Wolkenbänder" nennt. Die Wolken um die Sichel herum leuchten in allen Regenbogenfarben. Der gleiche Effekt ist manchmal auch bei Vollmond zu sehen, allerdings ist er hier um ein Vielfaches farbenfroher. Die Vögel fangen wieder an zu zwitschern. der abziehende Mond ist nun weniger interessant. Auf dem Weg zurück zur S-Bahn bemerken wir auch einige italienische Sternengucker, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten. Eine andere Gruppe feiert das Erlebte mit Sekt. Eine halbe Stunde später schüttet es schon wieder wie aus Kübeln.
    Zuhause erfahre ich, dass es ausgerechnet im Saarland zur Totalität geregnet hat.
    Soviel zu Wahrscheinlichkeiten...</i>


    PS: Die Fotos haben beim Einscannen leider ein klein wenig an Qualität eingebüßt


    Gruß,
    Peter