Teil I: Die Trockenübungen
Zunächst habe ich alles im Wohnzimmer aufgebaut, Monti und Stativ praxisgerecht ausgestattet und die Steuerung kennengelernt. Meine bisherigen klassischen Nachführungen waren von der Stromversorgung her sehr genügsam, mit 6 Baby-Akkus laufen sie nächtelang. Die Exos II Goto dagegen zieht in den Spitzen (volle Geschwindigkeit) bei 12V meinem Labornetzteil zu Folge mehr als 1A Strom. Im normalen Gotobetrieb reicht aber 1A, Nachführen allein liegt sehr deutlich darunter. Das mitgelieferte Batteriepack will mit 8 Monozellen bestückt werden, das geht auf Dauer ins Geld und wiegt auch recht ordentlich. Ein erwachsener Akku musste also her, und statt mich mit einem Bleiakku abzuschleppen, habe ich gleich einen Lipo mit nur 300g Gewicht von TS besorgt, der läuft mit dem Kabel, das dabei war, problemlos und liefert auch die Spitzenstromstärken, ohne mit der Wimper zu zucken. Akku und Handgerät der Steuerung habe ich mit Klettband befestigt, damit mir draußen nichts auf die Wiese fällt.
Jetzt habe ich erstmal trocken die Polhöhe eingestellt und das Goto-Alignment durchgespielt.
Beim Herumspielen mit der Steuerung sind mir natürlich gleich jede Menge Dinge aufgefallen. Zum einen, Datum und Uhrzeit laufen intern auch im ausgeschalteten Zustand weiter. Gut! Wählt man den Beobachtungsstandort aus den angebotenen (sehr unkomfortabel), muss man das jedes mal wieder tun. Schlecht! Aber: Setzt man eine "Custom Site" mit Namen und Koordinaten, bleibt die auch ausgeschaltet erhalten. Gerettet!
Das 8-Zeilige Display lässt sich gut ablesen und ist recht groß. Viel besser als beim Controller vom ETX70, wo es ständig scrollt, weswegen man kaum etwas lesen kann. Aber die Beleuchtung ist elend hell. Sie lässt sich zwar dunkler einstellen, aber bei Weitem nicht dunkel genug für meinen Geschmack. Und die Helligkeitseinstellung wird nicht dauerhaft gespeichert, sondern ist nach jedem Start neu fällig.
Zu den Objektdatenbanken... Es gibt Mond & Planeten, Konstallationen, "Famous Star" (eine kurze Liste, die man nur linear durchscrollen kann), den Messierkatalog, den NGC, den IC und den Sharpless-Katalog (Sh2) mit (meist schwachen) Nebelobjekten, 167 "Bright Star" Objekte sowie den anscheinend kompletten SAO-Sternenkatalog. Messier, NGC, IC, Sh2 und SAO lassen sich komfortabel per numerischer Eingabe über die Tastatur des Steuergeräts auswählen. Gerade der SAO-Katalog ist für mich toll, um interessante Doppelsterne aufzusuchen. Damit sollte sich der Aufwand dafür zukünftig auf das Herausfinden der SAO-Nummer beschränken. Aber auch die Messiers und NGC werde ich häufig brauchen, und ein gelegentlicher IC-Eintrag wird wohl auch mal dabei sein.
Die meisten Objekte z.B. im Messierkatalog sind übrigens mit teils irren Beschreibungen auf "englisch" versehen. M24 liegt jetzt im Vagittarius (sic! - es hat auch noch einen Uagittarius und einen Wagittarius in der Nähe). Ganz allgemein ist die Steuerung sprachlich eine ziemliche Zumutung - "Targers Sync" soll vermutlich "Target Sync" heißen. Leider ist die Funktion genauso verwirrend implementiert wie der Name vermuten lässt.
Ein weiteres Ärgernis ist der Signalton, der ständig beim Beenden eines Goto ertönt (teils mehrfach) und wahnsinnig laut ist. Wegen der Motorenlautstärke mache ich mir keine Sorgen, aber das Gefiepe weckt garantiert alle Nachbarn. Irgendwie muss ich das zum Schweigen bringen, per Software einstellbar scheint es nicht zu sein. Auslöten möchte ich den Piepser aber nicht müssen.
Alles in allem bin ich aber doch erst mal zufrieden. Praktisch alle Messier und NGC-Objekte sowie alle SAO-Sterne gezielt anfahren können, das ist genau dass, was ich mit der Goto-Montierung eigentlich will. Helligkeit und Signalton sind Probleme, die ich vermutlich auf häßliche Art lösen muss, aber das ist zu bewältigen. Auf ein Softwareupdate zu hoffen scheint mir keine Option, besonders gepflegt sieht die nicht aus, und ich werde nicht der Erste sein, dem die Rechtschreib- und Übersetzungsfehler auffallen.
Ein Test mit einem parallel offenen Stellarium ergibt jedenfalls, das die Objektkoordinaten, die die Steuerung rauswirft, eigentlich immer gut passen, wenn Stellarium und die Exos II dieselbe Position und Uhrzeit haben.
Noch was am Rande: Die Anleitung hat ihre Tücken. Auf Seite 7 ist von "LXD-75" die Rede, wohl der Vorgänger. Kann passieren. Aber Seite 10 ist schlicht aus der ETX-70-Anleitung abgeschrieben, da passt rein gar nichts zur Exos II und ihrer Steuerung.
Teil II: Schnell mal nach draußen
Es folgt ein Kurztest auf der Wiese im Garten, als das Wetter mal mitspielt. Also grob eingenordet und nivelliert und drei Referenzsterne angefahren. Dabei fällt gleich auf, dass ein Telrad oder Leuchtpunktsucher eine feine Sache wäre, denn im Gesichtsfeld meines 32mm-Okulars liegt das Referenzziel nie - und das bei nur 750mm Brennweite, also weitem Feld. An diesem kurzen Abend bekomme ich nichts zu sehen und ärgere mich, dass das Teleskop oft wirklich meilenweit danebenhaut: M42 ist jetzt also rechts oben von Orions Schulter... Ich mache wohl was falsch und gebe für den Tag auf, da ich nicht viel Zeit habe.
Das Handgerät ist übrigens leider nicht so gebaut, dass sich die Tasten zum "Verfahren" des Tubus ohne Verwechselungen blind drücken lassen. Ich erwische oft die falsche Taste, und im besten Fall stelle ich nur die Geschwindigkeit auf "Schnecke", im schlimmsten Fall bestätige ich eine falsche Position und muss von Vorn anfangen.
Ach ja: Die blauen LEDs vom TS-LiPo-Akku brennen mir fast die Augen aus, da kommt schwarzes Klebeband drüber. Und das Handgerät könnte wirklich etwas dunkler sein. Den Piepser habe ich zuvor mit Tesa abgeklebt, der ist jetzt nicht mehr so störend.
Teil III: Noch mal mit Gefühl
Gestern nehme ich mir also richtig Zeit und stelle das Stativ (Beine nicht ausgezogen) auf den stabilen Terrassenboden anstelle der Wiese, damit die Beine nicht einsinken können. Ein kurzer Blick durchs Polsucherfernrohr (was ich bislang nie machen musste) bestätigt, dass ich gar nicht so dumm danebenliege, Polaris ist "irgendwo im Feld". Das sollte doch reichen? Zumal ich mangels Polsucherbeleuchtung absolut nichts vom Reticle sehen kann. Aber laut Anleitung braucht man den Polsucher ja nur, um die Montierung für Fotos fit zu machen, und das will ich nach wie vor nicht. Den Telrad habe ich mal montiert, damit ich mir die Referenzsterne erst mal ins Gesichtsfeld holen kann, wenn's wieder danebenliegt.
Drei Referenzsterne anfahren (ich nehme Capella, Prokyon, Rigel - Warum ist eigentlich die Auswahl insgesamt so klein?) - Teleskop zeigt wieder ganz schön viel daneben, und es wird irgendwie nicht besser. Aber M45 liegt nach dem Goto fast zur Hälfte im Gesichtsfeld, ist ein Anfang. M42 haut wieder völlig daneben, also nochmal 3-Star-Adjust (Prokyon, Rigel, Betelgeuse). Aber so richtig glücklich werde ich nicht. M37 finde ich nach dem Goto nur durch wildes Rühren mit der Steuerung. Ich versuche mich am "Targers Sync", um dem Teleskop darüber auf die Sprünge zu helfen. Aber anstelle meinen Hinweis anzunehmen, dass wir gerade auf M37 ausgerichtet sind, fährt das blöde Ding erst mal ein paar Grad über den Himmel, und ich soll's jetzt wieder ausbaden, bzw. ausrichten.
Ich fahre noch ein bisschen ohne Goto ein paar Standards ab, die ich mit dem Telrad problemlos finde. M42 sieht heute seltsam leer aus, dafür ist das Trapez schön getrennt. Aber die Lust ist mir irgendwie vergangen.
Teil IV: War's das?
Tja. Entweder, mein Einnorden und Nivellieren war viel zu ungenau. Hat aber schon zwei Jahre lang für parallaktisches Beobachten mit Nachführung gereicht. Und Goto sollte die Dinge doch einfacher machen!
Oder der Steuercomputer verrechnet sich. Den hatte ich aber mit Stellarium getestet, die Koordinaten kommen gut hin.
Oder der Algorithmus, der aus den Referenzsternen die tatsächliche Ausrichtung des Teleskops errechnet, hat die gleiche Qualität wie die Übersetzung des Benutzerinterfaces.
Hat jemand Erfahrung mit der Exos II Goto und kann mir ein paar Tipps geben?