Beiträge von NGC4711 im Thema „Anschliff 1,20m“

    Hallo Kai,


    das Phänomen dieser destruktiven Turbulenzen kenne ich aus meinen beruflichen Arbeiten mit kohärenten Doppler-Lidar-Systemen. Auch dort macht es ob dieser leider nicht kompensierbaren atmosphärischen Störungen keinen Sinn, die Apertur unserer Lasersysteme über eine (wellenlängenabhängige) Grenze hinaus zu vergrößern.


    Im IR bei 2 Mikrometer Wellenlänge beträgt die max. sinnvoll einsetzbare Apertur lediglich 20 cm !


    Es ist schlichtweg das cn^^2 (Maß der atm. Turbulenz), was einem einen Strich durch die Rechnung macht und was mit zunehmender Apertur zu überproportionalen Signalfluktuationen führt.


    Der Wert dieses Parameters rauscht von Bodennähe zu einigen tausend Metern Höhe durch 4 bis 5 Größenordnungen (!); je nach aktueller thermischer Schichtung der Atmosphäre.





    In diesem vereinfachten Diagramm ist die Dynamik der oben angesprochenen atmosphärischen Turbulenz als Funktion der Höhe dargestellt. Aufgrund des hier abgebildeten ausgedehnten Höhenbereiches von 20 km ist der für uns Erdlinge besonders interessante Bereich der bodennahen Grenzschicht arg komprimiert dargestellt. Soll heißen, dass sich der Wert für das cn^^2 für diese Höhen nach rechts nochmals um einige Größenordnungen erhöhen kann (wie gesagt: abhängig von der jeweiligen lokalen Schichtung).


    Es bringt erfahrungsgemäß bereits ungemein viel, sich auf einen Hügel von vielleicht nur 50 m Höhe zu begeben, um seine Beobachtungen oberhalb der allgemeinen bodennahen Turbulenzschicht (Ebene bzw. Senke) durchführen zu können. Selbst die Höhe eines nutzbaren Hochhauses wird bereits zu deutlich besseren Beobachtungsbedingungen führen; besonders im Sommer bzw. Winter.


    Zusätzlich: Nicht umsonst sind die klaren Frühjahrs- bzw. Herbstnächte durch besonders geringe Turbulenzen über große Höhenbereiche gekennzeichnet, da zwischen Tag und Nacht die geringsten Temperaturdifferenzen auftreten.
    Im Sommer wird die Erdoberfläche tagsüber durch die solare Einstrahlung besonders stark aufgeheizt und die hierdurch verursachte bodennahe Durchmischung der Atmosphäre nimmt im Verlauf der Nacht nicht stark genug ab, um ein brauchbares Seeing in geringen Höhen zu erhalten.


    Im Winter bei kalten klaren Nächten wird der Boden zwar nicht stark erhitzt, dafür emittiert er aber bei Hochdrucklagen (zumeist charakterisiert durch Advektion trockener Luft aus dem Osten) einen Großteil seiner verbliebenen oberflächlichen Wärme aufgrund der geringen absoluten Luftfeuchtigkeit fast ungehindert in Form von Infrarotstrahlung ins All, was wiederum zu Turbulenzen innerhalb der dann höhenmäßig abgeflachten Grenzschicht führt.


    Im Herbst bzw. Frühjahr erreichen diese beiden störenden Effekte ihre jeweiligen Minima; daher sind klare Nächte in diesen Zeiträumen erfahrungsgemäß durch besonders gutes Seeing gekennzeichnet.


    Es ist leider so: Je größer die Apertur, um so empfindlicher werden sich atmosphärische Effekte störend auf die erwartete Beobachtungsqualität auswirken; nicht umsonst befinden sich alle größeren Observatorien auf möglichst hohen Bergen in möglichst trockenen Gegenden. Die Wahl dieser Standorte ist nicht ausschließlich durch die dort geringere atmosphärische Extinktion bedingt.


    Betreiber kleiner Teleskope können in der Ebene ihre Optik sicherlich ab und an voll ausreizen, also fast oder gänzlich beugungsbegrenzt operieren; mit auflösungsmäßig leistungsfähigeren Instrumenten wird es leider immer erforderlicher, Gebiete aufzusuchen, wo dynamische atmosphärische Störungen auf ein Maß reduziert sind, welche wiederum den vorstehenden optimalen Betrieb ermöglichen.


    Aber selbst auf den bestgelegenen Orten werden atmosphärische Störungen dominierend bleiben und ab da hilft nur noch eine hochfrequent arbeitende adaptive Optik samt zugehörigem "Artificial Star", z.B. durch ein Natrium Lidar (Dissertation des Verfassers - 1985), was aber wohl jedes Hobby-Budget sprengen würde; zumindest aktuell.


    Bleibt für Dein Monster als einzige Hilfe: Hoch hinaus, raus aus der planetaren Grenzschicht, also über ca. 2000 m; ab da wird es wieder ruhiger.


    Also nicht die Flinte ins Korn bzw. den Spiegel weg werfen; wirst halt a bissl reisen müssen, um dessen optische Leistungsfähigkeit optimal nutzen zu können.


    Die beste Orientierungshilfe um abzuschätzen, wie hoch man sich begeben müsste sind die sog. "Temps" der meteorologischen Ballonsonden.


    Anhand dieser Diagramme kann man sofort erkennen, in welcher Höhe sich z.B. eine sperrende Inversionsschicht befindet, die es noch zu übersteigen gilt, um in der darüber liegenden ruhigen Atmosphäre beobachten zu können.


    Bei online-Wetterdiensten, wie z.B. bei WETTER-ONLINE.DE kann man im Bereich der Profikarten solche "Temps" finden und seine Beobachtungen entsprechend planen.


    OK, zugegebenermaßen macht dies nur hier im Süden Deutschlands Sinn, wo man sich bei Bedarf in größere Höhen verlagern kann.



    Viele Grüße


    Volker