Beiträge von JSchmoll im Thema „Billigschrott für Einsteiger...muss das sein?“

    Gerade aus aktuellem Anlass zum Thema "Fachhaendler" und die beratenden Spezialisten.


    Vor einigen Wochen las ich auf Ebay UK eine Anzeige ueber einen 114/1000er Catadiopt von Towa/Tanzutsu. Da mir der in der Klassikersammlung noch fehlt, hatte ich Interesse (und ich weiss, dass das Ding nicht viel taugt). Mit Erstaunen las ich in der Anleitung, dass der Verkaeufer (selbst kein Hobbyastronom) sich bei einem englischen Haendler Rat gesucht habe, und das sei wahrscheinlich ein Maksutov-Cassegrain. Nun, "Schmidt Newton" haette ich als Fehlklassifikation ja noch durchgehen lassen (der Unterschied von Schmidtplatte zur Planglasscheibe ist visuell so gut wie nicht erkennbar), aber eine Maksutovplatte ist stark gekruemmt und -hoppla- ein Cassegrain mit Einblick oben seitlich ? Ein anderer Ebay-User hat den Verkaeufer schon darauf hingewiesen, dass das wohl etwas Anderes sein koennte. Er waere also zu seinem Fachhaendler zurueckgekommen, der ihm versicherte, dass es ein Maksutov-Cassegrain sein muesse!


    Der Laden hat gestern dichtgemacht.


    Wie auch ein (inzwischen aufgegebener) deutscher Laden im Berliner Raum vor einigen Jahren, dessen Fachberater Dinge sagten wie "Der Meade-SC ist deshalb so gut, weil der Spiegel Pyrex-geschliffen ist ...". Also sorry, ganz ohne Kompetenz geht es nicht.


    Wenn Haendler, die von einfachsten Konzepten der Astrooptik keine Ahnung haben, Einsteigern etwas verticken, dann kann das nur in die Hose gehen. Zum Glueck schlaegt hier meist die Evolution zu.

    Ich glaube, wir schweifen hier etwas ab.


    Die Hauptfrage war doch: Muss es sein, dass so viel ungeeignete Hardware fuer Einsteiger angeboten wird ?


    Und das ist unabhaengig vom IQ des Einsteigers oder "geiz ist geil". Man kann von der Oma, dessen Enkel sich fuer Astronomie interessiert, nicht erwarten, dass sie sich online in die Materie einarbeitet. Und es gibt Mitmenschen, die nicht mehr als 100 Euro fuer ein Teleskop ausgeben koennen und doch in die Astronomie einsteigen wollen.


    Klar, in der Regel sind solche "Faelle" im Astrotreff oder in Astrovereinen bestens aufgehoben. Aber nicht jeder landet hier und die Wahrscheinlichkeit, als Neuling etwas Inappropriates angedreht zu bekommen, ist gerade in unserem Metier eher hoch.


    Man muss andererseits natuerlich auch einen Schnitt machen, sagen "das reicht" fuer ein Einsteigerteleskop. Es ist ein Dilemma. Mein meistempfohlenes Geraet ist ja der 150/750er Skywatchernewton auf EQ3-2, weil da alles brauchbare Teile verbaut sind. Aber einerseits ist das Geraet schon ein relativ kostenintensiver Einstieg (ich vermute mal, in Deutschland um 400 Euro), und andererseits gibt es schon wieder Stimmen die sagen "EQ3-2 ? Vergiss es, nimm lieber ne EQ5". Es gibt halt auch immer wieder etwas Besseres.


    Und gerade fuer Einsteiger, die erst mal hineinschnuppern moechten ohne gleich zu viel Geld zu versenken, oder z.B. fuer Kinder wo auch nicht gleich hunderte von Euro zu rechtfertigen sind, ist es eine Gratwanderung, etwas zu finden, das Freude macht ohne zu viel zu kosten.


    Der Witz ist ja bei vielen Einstiegsgurken, dass einige Baufehler durch ein bisschen Nachdenken ohne wirkliche Mehrkosten behoben werden koennten. Einerseits wird da auf den erhoehten Fertigungsaufwand verwiesen, andererseits ist allerlei Firlefanz offenbar drin: Zierringe auf Taukappen, Mondfilter (wer braucht den eigentlich?), Kompass im Sucherhalter (wofuer?) und so weiter. Wir hatten die Diskussion ja vor einigen Monaten bereits, wie ein kostenguenstiges Einstiegsinstrument aussehen koennte. Es liegt an einem Hersteller, so etwas mal umzusetzen.


    Mein Favorit waere ein 114/900er Newton (altbewaehrt, kommt noch mit sphaerischem Spiegel aus), zwei Kellnerokulare, 1 1/4" Crayfordfokussierer (Metall, keine Zahnstangen die Kinderhaende kaputtkriegen koennen), achromatischer 6x30-Sucher in Doppelringhalter, und das Ganze als Dobson. Und dann unter optionalem Zubehoer Rohrschellen mit Schwalbenschwanzaufnahme, sodass man sich spaeter fuers Parallaktische entscheiden kann.


    Der Heritage 100P kommt diesem Ideal schon ziemlich nahe. Und als "Einarmdobson" mit Schwalbenschwanz hat er sogar die Bruecke zur parallaktischen Montierung bereits halb gebaut.

    Schlechte Einsteigergeraete hat es schon immer gegeben.


    Ich habe ja eine Sammlung alter japanischer Klassiker, und darunter sind auch zwei Geraete aus den 1960ern oder 1970ern, die auf dem ersten Blick wie die hochwertigen Vorbilder aussehen, von denen sie kopiert wurden. Dann aber zeigen sich Plastikteile, ein unterdimensionierter rechteckiger Fangspiegel, ein viel zu langer (=vignettierender) Okularauszug, duenne Holzbeinchen, Galileioptik im Sucher (der deshalb natuerlich auch kein Fadenkreuz haben kann).


    Das Problem ist also nicht neu. Mein erstes Geraet (zugegeben aus der Spielzeugabteilung von Quelle, 29.90DM, um 1980 unterm Weihnachsbaum) war ein 40x40 mit Einlinser und Blende. Keplersches terrestrisches System, also Umkehrlinse in der Mitte, dann festes Huygensokular. Laut Anleitung liess sich das Tischstativ ausziehen - stimmte aber nicht. Da war dann immer Luftanhalten angesagt, wenn man irgendwas sehen wollte, was hoeher as 30 Grad am Himmel stand. Es hat mich zwar zur Astronomie gebracht (und vielleicht aufgrund des verbundenen Kindheitstraumas schlechter Optik in die Instrumentenkunde), aber dennoch wuerde ich es niemandem empfehlen.


    Was koennten Haendler tun ?


    Ich bekomme als Freiwilliger in verschiedenen Sternwarten und Planetarien sehr oft die Frage, welches Teleskop fuer mich/meine Frau/mein Kind ? Und wie wir ja alle wissen, haengt die Wahl von vielen Faktoren ab. Also machte ich eine Broschuere, die die Teleskopauswahlhilfe erleichtert. Das PDF-Dokument schicke ich bei solchen Anfragen. Kommen die Leute zurueck zu mir, ist die Auswahl bereits reduziert (Dobson zu schwer / ich will fotografieren / EQ zu kompliziert / eine Neunjaehrige soll damit umgehen koennen etc). Und dann kann ich sie in die Richtung von Teleskopen lenken, die fuer das angestrebte Budget ein Maximum an Leistung bringen.


    Die neunjaehrige Tochter sollte uebrigens ein Teleskop von bis zu 50 Pfund zu Weihnachten bekommen. Das waere der Skywatcherdobson 76/300 gewesen. Ich habe aber klar gemacht, wie stark begrenzt das sphaerische Geraet im Vergleich zum Heritage 100P ist, der aber 89 Pfund kostet und letztendlich haben die Eltern meinen Rat beherzigt.


    Nun zurueck dazu, was Haendler tun koennen - eine Broschuere entwerfen, die Einsteigern ehrlich zeigt, warum sie lieber etwas mehr Geld in die Hand nehmen sollten und worauf beim Teleskopkauf zu achten ist.


    In den 1990ern gab es mal von ICS so eine Infobroschuere, die Gold wert war. Sie wendete sich aber eher an schon aktive Aufsteiger, aber sie hatte Vorbildcharakter (keine Ahnung, ob es sie noch gibt).


    Und das wuerde ich als Haendler machen. Und zusaetzlich, wenn ich gross genug waere, wuerde ich auf Hersteller einwirken. Waere auch was fuers Image:


    "Bei der Konkurrenz gibts den 114/900 auf EQ1, bei uns auf EQ3 und mit achromatischem Sucher, damit Sie die Objekte auch finden !"

    Es ist schwierig, aus all dem Billigmuell die paar Perlen herauszufiltern.


    Ich habe gerade ein LIDLscope neuester Generation zuhause stehen. Eine Mutter mit ihrem 12-jaehrigen Sohn brachte es ins Planetarium, da ihr Sohn nicht damit umgehen koenne. Ich war erstaunt, wie schlecht dieses einst gepriesene preiswerte Einstiegsinstrument gemacht wurde, das ich selbst mehrmals kaufte um es weiterzuverschenken:


    2004: 70/700 mit 6x30 achro-Sucher, parallaktische Montierung mit Metallgetriebe, einigermassen sinnvolle Kellnerokulare. 49.95 Pfund.


    2007: Aehnlich wie zuvor, andere Montierung aber durchaus brauchbar, sogar Stahlrohrstativ, 49.95 Pfund.


    2014: 70/700 optischer Tubus unveraendert, 5x24-Einlinsersucher auf Wackelhalterung (dessen Federdruckbolzen 1mm Verfahrweg hat - schon im nagelneuen Zustand 100% unbrauchbar, hat das denn niemand ausprobiert ?!). Billige Huygensokulare. Ich habe das Teil erstmal mit einem Skywatcher 6x30 und drei Ploessls getunt. Der Hit kam aber erst, die neue "Montierung" ist azimutal mit Feintrieben. In Azimut ist der Feintrieb ein Metallzahnrad mit Schnecke, in Hoehe ein Plastikzahnrad mit Schnecke. Da das Teleskop nicht in der Drehachse montiert ist, entsteht eine Unwucht, die von dem bereits ausgeleierten Plastikzahnrad aufgefangen werden muss. Oeffnet man die Hoehenklemmung, faellt einem das Rohr entgegen, da es ja nicht im Schwerpunkt ist. Wenig troestlich, dass man diese Montierung mit einer Verkippung "parallaktisieren" kann. Das Stativ ist Kategorie billigstes Fotostativ, mit duennen Alubeinen und Plastik-Anlenkstuecken. In meinen Augen hat man alles, was an dem Geraet mal sinnvoll erschien, weggelassen und das Geraet kostet jetzt 69.95 Pfund.


    Vielleicht kommt es in der naechsten Runde mit nichtachromatischer Frontlinse und Blende daher, dann fuer 99.99 Pfund ?



    Doch nun zu den Perlen - es gibt sie!


    Waehrend mein meistempfohlenes Einsteigergeraet hier in England knapp 300 Pfund kostet (Skywatcher 150/750 auf EQ3-2), gibt es z.B. als Einstiegsgeraet fuer Kinder, wo man nicht gleich so viel Geld ausgeben kann, einen Dobson 100/400 (Heritage 100P) mit Parabolspiegel und brauchbaren Okularen. Das ist, was ich derzeit im unteren Preissegment empfehle, kostet in England 89 Pfund.



    Das Problem ist, dass solche Perlen nicht beim Discounter angeboten werden. Aldi hatte neulich einen 76/300er Dobson mit Kugelspiegel, was soll das ? Da werden selbst die Saturnringe schon zur Herausforderung.


    Wir hatten hier vor etwa einem Jahr mal die Diskussion ueber ein optimales Einsteigerteleskop. In meinen Augen waere das ein kleiner Dobson mit spartanischer aber solider Ausstattung. Etwa 100/900 (dann muss er nicht parabolisch sein), mit Crayford-Metallfokussierer, mindestens Kellnerokularen und einem achromatischen 6x30-Sucher in solider Fassung. Das Heritage 100P kommt dem schon recht nahe, der Rotlichtsucher ist deutlich besser als der 5x24 in Weingummihalterung.