Guten Abend zusammen!
Diesem auffallend weitgehend sachlichen Thema möchte ich paar Dinge hinzufügen, aber auch einiges korrigieren.
1.
Es ist absolut falsch, dass ein Händler Billigramsch verkaufen muss, um zu überleben! Wer sich bei bundesanzeiger.de mal die Bilanzen von Baader und TS anschaut, wird eines Besseren belehrt! Baader ist weitgehend auf Highendware spezialisiert, während TS alles verscherbelt, Gutes als auch weniger Gutes. Dennoch zieht Baader in der Bilanz auf der linken Spur mit Lichthupe vorbei. Komisch, oder?
2.
Ebenso ist es falsch zu sagen, ein Händler kann es sich nicht leisten,
Beratung bei Billigramsch anzubieten! Der Händler hat konstante Fixkosten in Form von Personal (Verkäufer). Ob diese nun gerade versuchen, Billigramsch anzudrehen, oder Kreuzworträtsel lösen, weil sie nichts zu tun haben, die Personalkosten bleiben die gleichen.
3.
Kalle hat eine interessante Vorlage zum Thema Fachhändler abgeliefert, die es verdient, genauer ausgearbeitet zu werden.
Insbesondere findet man dadurch den Grund, warum in dieser Branche
so einiges im Argen ist.
Zum Thema Fachhandel schauen wir uns mal den Duden an:
"Handel mit bestimmten Waren, mit Waren einer bestimmten Kategorie"
Anders ausgedrückt: Der Fachhändler ist spezialisiert, und das Wort "Fachkenntnisse" kommt nicht darin vor! Also nicht eine Person, die vom Fach ist, merken! Alles klar?
In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass Astrofachhändler kein Lehrberuf ist, sprich eine Branche aus Seiteneinsteigern darstellt. Da tummeln sich sich ehemalige Versicherungsverkäufer (kein Spaß!) und teilweise Leute, die in ihrem erlernten Beruf nicht gerade erfolgreich waren oder nicht klar kamen. Wir kennen die gleiche Problematik u.a. von Immobilienmaklern und Unternehmensberatern. Keine geschützte Berufsbezeichnung, jeder Penner
darf sich so nennen. Was dabei rauskommt, das brauche ich wohl keinem erklären..... Anders beim Handwerker, Facharbeiter, Meister, Ingenieur, etc., wo man weiß, das sind Spezialisten, die müssen auf ihrem Gebiet was in der Birne haben.
Und wenn wir schon beim Grund sind, warum in unserer einzigartigen
Astrobranche auffallend viel Schrott verkauft wird, dies überhaupt möglich ist, so oft vorsätzlich mit arglistiger Täuschung gearbeitet wird, anders kann man manche Produktbeschreibung nicht nennen (ist ein Grund, einen Kauffvertrag selbst nach Monaten rückgängig zu machen!), so müssen wir uns den deutschen (und teilweise europäischen) Markt mal näher anschauen.
Dieser ist nach italienischem Vorbild überwiegend auf 2 Familien aufgeteilt:
Familie B.: Alle Celestron Produkte, Astro Physics, SBIG CCD Kameras, Solarspectrum, TEC Highend Apos, Planewave Astrographen, 10 Micron.
Familie T: Atik Kameras, Mesu Montierungen, GSO Ritchey Cretiens europaweit, WS240GT Montierung europaweit, Lunt Sonnenteleskope (Österreich), Celestron (Österreich), Officina Stellare.
Diese Familien sehen zu, dass man für alles Generalimporteur wird, damit man Wettbewerb und Konkurrenz somit ausschalten kann.
Ob man dafür nicht ansatzweise qualifiziert ist, Support leisten kann, spielt überhaupt keine Rolle. Das sah man u.a. an dem blamablen Fall Veloce von Officina Stellare im schwarzen Forum!
Aber wenn es Wettbewerb nicht gibt, kann man sich alles leisten, sprich Schrott verkaufen. Und wenn dann der unzufriedene Kunde dann enttäuscht zur Konkurrenz rennt, kein Problem für den Generalimporteur, denn der verdient ja mit, wenn z.B. die nächste Celestronmonti nicht bei Familie B. gekauft wird, sondern bei z.B. Astroshop. Geniale Geschäftsidee! Kein Wunder, dass die Bilanzen bei bundesanzeiger.de bemerkenswert gut sind, die Firmengebäude immer größer werden.
Wie heftig dieser Markt verteidigt wird gegen Eindringlinge, hat damals besonders beeindruckend Herr Vehrenberg demonstriert, der gegen alles prozessiert hat, was einen nachgebaute Vixen GP Monti vertickt hatte. Daran ist er -sagt man- zugrunde gegangen.
Und wehrlos ist der beschissene Kunde nicht! Nach vielen üblen Erfahrungen in Süddeutschland kaufen paar Sternfreunde von mir und ich weitgehend nur noch in Österreich mit allerbesten Erfahrungen.
Einziger Nachteil: Mitten in der Nacht holt Tommy einen aus dem Bett mit seinen neuesten Interferogrammen für die gerade bestellte Optik, oder er hat gerade draußen mit meinem bestellten Apo ein Bild von der Vega gemacht zwecks Test der CA.... Apropos Testen: Ein großer Händler meinte mal zu mir, wenn er die Optiken auch so wie der Karl (Kloß) testen würde, könne er den Laden gleich zu machen.... Grüße an die fette Bilanz!
4.
Eine weitere große Gefahr besteht bei dieser Struktur der Astroindustrie. Es gibt zum Teil keine neutralen Fachhändler, sprich markenneutrale Beratung, sondern nur Generalimporteure. Diese versuchen daher mit allen Mitteln ihr Zeug loszuwerden, da hierfür
die Margen am größten sind. Was wurden mir 2011 die Fornax Montierungen schlecht gemacht, um die damals kaum getestete Mesu Monti mir anzudrehen. Die ist zweifellos sehr gut aus heutiger Sicht, damals fehlten aber jegliche Erfahrungen.
5.
Bei diesem Thema Schrott tun mir allerdings auch die Verkäufer leid! Wenn bei einer 12 Mann Astrofirma 3 recht junge Leute mit knapp 40 mit Burnout ausfallen, sprich 25% gnadenlos verheizt werden, man immer wieder Stellenanzeigen sieht, "Verkäufer gesucht", dann kann man erkennen, dass der Schrott und das oft ungeprüfte und defekte Equipment sich doch nicht so leicht verticken läßt, der Kunde scheinbar heftigen Widerstand leistet.
Gruß
Uwe