<b>Beobachtungsbericht Orion-Tour am 23.12.2014</b>
Das R150S 6“-Newtonteleskop ist kollimiert, der Tag war klar, und auch Abends kein Nebel. Obwohl für Morgen noch viel vorzubereiten ist, kann ich gegen 21:00 nach draußen in den Garten.
Ich habe viel über Orion und seine Schätze gelesen in den letzten verregneten Wochen. Im „Burnham“ sind dem Orion allein 74 Seiten von Band 2 gewidmet. Das hat Lust gemacht auf einen detaillierten Blick, nicht nur auf den Nebel, den ich diesen Winter bislang nur einmal ganz kurz durch den 2“-Refraktor gesehen habe, sondern auch auf die vielen Doppel- und Mehrfachsysteme. Heute knöpfe ich mir die hellsten davon vor.
(1) Alpha Orionis: „Beteigeuze“ (0,5 mag / Spektraklasse M)
Kein visueller Doppelstern, aber Ausgangspunkt für die heutige Tour ist der rote Riesenstern Beteigeuze, einer der größten Sterne in unserer Milchstraße. Er ist sogar so groß, dass er grundsätzlich als Scheibchen gesehen werden kann, zumindest mit einem sehr großen Teleskop vom Weltraum aus - Hubble-Bilder findet man im Internet.
Beteigeuze ist mit 0,5 mag als zweithellster von der Erde sichtbarer Stern im „R“ des Orion-Sternbildes nicht zu übersehen und eignet sich gut, die Ausrichtung der Sucher zu überprüfen, bevor es richtig los geht. Nachdem der Telrad für's Grobe und der 8x50-Sucher mit Winkeleinblick für die Feinausrichtung penibel justiert sind, genieße ich den Blick auf Beteigeuze im 15mm-Superplössl. Bemerkenswert ist die Farbe des Sterns, die ich als deutlich gelb-orange wahrnehme, obwohl er mit der Spektraklasse M schon sehr rot sein sollte. Auch andere Beobachter teilen diesen Eindruck, ich vermute, die große Leuchtkraft trägt zu dieser Farbe bei.
(2)Lambda Orionis: „Meissa“ (3,3 mag / Spektralklasse O)
Laut Burnham hat Meissa einen visuellen Begleiter von 6 mag in 4,4“ Distanz bei PA 44° (Spektraklasse B). Beide Sterne sollten also eher bläulich-weiß leuchten und sich zumindest im 6-Zöller problemlos trennen lassen. So richtig punktförmig kommen die Sterne heute leider nicht rüber, die Luftunruhe scheint recht hoch zu sein. Vielleicht ist nicht der Tag für 4,4“ Distanz. Hilft nichts, ich fahre mein Programm weiter, ohne Erfolg bei Lambda.
(3)Delta Orionis: „Mintaka“ (2,2 mag / Spektrum O9-B0)
Der westlichste der drei Gürtelsterne des Orion ist mit 2,2 mag nicht zu übersehen – bei der 70.000-fachen Sonnenleuchtkraft auch aus über 900 Lichtjahren Entfernung nicht. Die Helligkeit schwankt leicht, Mintaka ist ein Bedeckungsveränderlicher. Direkt nördlich (PA 360°) vom Hauptstern befindet sich in 52,8“ Entfernung noch ein visueller Begleiter mit 6,7 mag. Im Teleskop lässt sich das auch heute ganz einfach nachvollziehen. Mintaka ist laut Burnham auch insofern von Interesse, als das Potsdamer Observatorium 1904 in seinem Spektrum zum ersten Mal jene Calcium-Linien nachgewiesen hat, die die Existenz interstellarer Materie nachweisen.
(4)Zeta Orionis: „Alnitak“ (1,8 mag / Spektrum O-B)
Alnitaks engster Begleiter ist erst 2000 nachgewiesen worden. Deshalb bekam er die Bezteichnung Alnitak Ab, während der Hauptstern jetzt Aa heißt. In 2,6“ Entfernung sollte sich Alnitak B (5,5 mag) finden lassen. Das will mir aber heute schon wieder nicht gelingen – die Luftunruhe, die vielleicht auch nur lokal ist, denn Orion steht mittlerweile über Nachbars vermutlich nicht optimal gedämmten Haus. Aber im 6mm Okular sehe ich NNO einen schwachen Stern. Laut Burnham ist das aber wohl nur ein optischer Begleiter von 10 mag (57,6“ / PA 10°).
(5)Sigma Orionis (3,2 mag / Spektrum O9)
Nur einen Katzensprung südwestlich von Alnitak befindet sich dieses bekannte Mehrfachsystem, das wie alle anderen Sterne heute auch unter aufgehelltem Himmel mit bloßem Auge zu sehen ist. Das 6mm ist noch drin, und dank des gut justieren 8x50-Suchers passt das Feld auf Anhieb. Im oberen Teil sind die vier sichtbaren Komponenten von Sigma Ori gut zu unterscheiden: Links C (10 mag / PA 236° / 11,2“), dann A/B (zusammen 3,8 mag) , D (7,2 mag / PA 84° / 12,9“) und E (6,5 mag / PA 61° / 42“). Das A/B-Paar ist mit 0,2“ zu dicht beieinander, um sich mit dem 6“ trennen zu lassen. Im Norden von Sigma kann ich im selben Feld (6 mm Okular) vier Sterne des Systems Struve 761 erkennen. Es lohnt sich übrigens, über dieses Mehrfachsystem ein bisschen mehr zu recherchieren und die Beobachtung dann damit abzugleichen. Ich nehme mir wieder einmal vor, bessere Zeichnungen anzufertigen. Das Feld von Sigma Orionis rechtfertigt das auf alle Fälle!
(6)Beta Orionis: „Rigel“ (0,12 mag / Spektrum B8)
Auch der Blaue Riesenstern Rigel hat einen Begleiter, der sich im kleinen Teleskop únd bei aufgehelltem Himmel grundsätzlich finden lässt. Der Begleiter Rigel B/C ist selbst ein Doppelsystem, das aber zu dicht beieinander liegt, um sich einfach trennen zu lassen. Burnham berichtet, dass mehrere Astronomen seit dem späten 19. Jahrhundert schon mit 6“-Teleskopen eine Elongation des Begleiters gesehen haben wollen, es lohnt sich also, darauf einmal zu achten. Die Distanz zwischen Rigel A und Rigel BC ist mit 9“ in PA 202° nicht zu klein. Allerdings ist die Helligkeitsdifferenz enorm: Rigel B/C ist zwar mit 6,7 mag nicht dunkel, im Vergleich zu Rigel A ist das Paar aber dennoch schwerer zu entdecken als bei Doppelsternen mit gleich hellen Komponenten. Mir gelingt es heute nicht – außer dem dunklen Feldstern im Süden von Rigel sehe ich nichts einschlägiges. Vielleicht liegt es an Nachbars Badezimmerfenster, hinter dem just jetzt ein helles Licht aufleuchtet.
(7)Iota Orionis (3 mag / Spektrum O9)
Jetzt geht es in das Schwertgehänge des Orion, und damit auch auf den großen Nebel M42 zu. Zunächst aber Zwischenstation bei Iota Orionis, dem südlichsten hellen Stern im Schwert. Der Begleiter (7 mag) steht in PA 141° und 11.4“ Entfernung. Gefunden! Und im Sucher habe ich schon M42 – ich kann's kaum erwarten, endlich mit dem 6-Zöller draufzuhalten. Im letzten Winter hatte ich noch den 76-mm-Newton mit dem fehlsichtigen Hauptspiegel als einziges Gerät und anfangs noch so wenig Beobachtungserfahrung, dass ich dachte, meine Optik wäre irgendwie beschlagen, als ich das erste mal den Orionnebel gesehen habe.
(8)Theta 1 Orionis: „Trapez“ in M42
Endstation Orionnebel! Und ich bin derart überwältigt von den feinen Strukturen, die ich mit meinem „dicken“ sehen kann, dass ich fast den Anlass der Tour vergesse. Also, Fischmaul ignorieren und auf Theta 1 Orionis konzentrieren, den Vierfachstern „Trapez“ im Orionnebel. Vier Sterne liegen dort wie die Ecken eines kleinen Trapezes beieinander, historisch bedingt nennt man den westlichen A, den südlichen B, den östlichen D und den nördlichen C, die Sortierung erfolgte nach der Rektaszension. Theta 1 Orionis C ist mit 5,4 mag der hellste der vier und hätte nach Mehrfachsternsystemnomenklatur eigentlich die Bezeichnung A verdient. A und D sind mit 6,3 bzw. 6,8 mag vergleichbar hell. B ist als Bedeckungsveränderlicher mit (laut Burnham) 6.7 bis 7,7 mag der dunkelste der vier, wobei laut es laut AAVSO-Meldungen auch vorkommt, dass der Stern dunkler wird. Ich habe selbst am 12.12.2014 durch den 60mm-Refraktor kurz das Trapez angesehen und B nicht sehen können. Vielleicht war er an dem Tag ebenfalls dunkler? Heute ist er jedenfalls im 6“ wieder da und vergleichbar hell wie D und A. Noch ein paar Daten: zwischen A und B beträgt der Abstand 8,7“, zwischen B und D 19,2“. A-C 12,9“, C-D 13,3“. Ein weiterer Stern E liegt 4“ nördlich von A. Ebenso wie F der 4“ von C entfernt ist, hat er 11 mag und ist eventuell erst im 19. Jahrhundert sichtbar geworden, weil beide auf den ersten Zeichnungen des Orionnebels von Sir William Herschel zuvor nicht verzeichnet waren. Bei gutem Seeing sollten sie im 6-Zöller zu sehen sein, heute jedoch leider nicht. Als Sternentstehungsgebiet ist die Trapezregion im Orionnebel voller schwacher, junger Sterne. Je größer die Öffnung, desto mehr Sterne lassen sich ausmachen. Burnham spricht von 300 Sternen heller als 17 mag im Umkreis von 5' (300“) um das Trapez.
Als Bonus schaue ich mir noch den Orionnebel an und staune über die Details, die durch das bessere Teleskop jetzt sichtbar sind. Aber über den Orionnebel könnte man einen ganzen eigenen Bericht verfassen...
Insgesamt hat die Tour etwa 1 1/2 Stunden gedauert.
Viele Grüße
Manuel