Beiträge von starrookie im Thema „Hilfe, ich habe Teleskop XY gekauft...“

    Na, dann gebe ich mal meine 2cts dazu: Für mich ist Astronomie nicht nur ein wissenschaftliches Hobby, bei dem es auf genaue undnachvollziehbare Beobachtungen ankommt sondern spricht vor allem auch eine emotionale und spirituelle Komponente an. Die Entspannung bei einer Nacht im Freien und dem virtuellen Spaziergang auf der Milchstraße oder das erhebende Gefühl mehr von den Objekten im Weltall gesehen zu haben als je zuvor. Das ist beides sehr subjektiv - wenn es mir auf bestmögliche Abbildungen der Objekte ankäme, würde ich nur noch mit Google-Sky beobachten.
    Meine bewegendsten Momente als Hobbyastronom habe ich im Joshua-Tree-Nationalpark mit einem 19.95$ Bresser 10x50 Fernglas aus dem Sportgeschaeft (http://forum.astronomie.de/php…/Main/57199/Number/417734) bzw. an einem grauenhaft hellen Ort auf einer Dachterrasse in Südafrika erlebt. Die bewegendsten Momente habe ich anderen (Laien) mit einem unjustierten F/5-Newton über den heimischen Gartengrill hinweg beschert (Saturn, NGC457, Cr399). Tycho Brahe wäre froh gewesen, wenn er die heutzutage oft gescholtenen Schrottteleskpe gehabt hätte, egal zu welchem Preis - und der Mann hat schließlich die Marsbahn genau genug vermessen, dass Kepler seine Gesetze formulieren konnte.
    Ein halbes - naja bei dem Wetter eher ein ganzes Jahr - geht ins Land, bis der Anfänger überhaupt merkt, dass seine Ausrüstung fortgeschrittenen(!) Ansprüchen nicht genügt. En weiteres Jahr, bis er selbst fortgeschrittene Ansprüche entwickelt, weil er meint, schon alles Erreichbare gesehen zu haben. Bis dahin hat er vielleicht schon aufgegeben, weil er merkt, dass nachts beobachten müde macht oder kalte Füße anfangen zu frieren. Manch einer ist auch ungeduldig und schmeißt das Wackel-Teleskop gleich weg, und kauft fürs gleiche Geld eins mit GOTO und Zipp und Zapp und Super-Zoom, das er dann auch wegwirft, dann einen Dobson, mit dem er nicht klar kommt - ohne zu erkennen, dass das Problem hier nicht das Teleskop ist.
    Mit Ausnahme des letzteren lernt der Anfänger an seinem Schrott-Teleskop mehr über Optik und Astronomie, als wenn er nie ein Teleskop besessen oder es gleich weggeworfen hätte. DAS ist wichtig.
    Daher gebe ich mir Mühe beim Beraten das in den Vordergrund zu stellen, was geht - was gut geht (immer einiges, für Laien extrem viel), was mit Abstrichen geht (für Laien: was für Abstriche?), wo der Grenzbereich ist (ich glaub, ich habs gesehen) und was nur noch mit mehr oder weniger Einbildung sichtbar ist (es war da, oder?) - selbst letzteres kann ja subjektiv wertvoll sein.


    Manch einer hat ja neben der Astronomie auch noch ein echtes Leben und geht mit der gleichen Einstellung 'Sterne gucken' wie andere 'Enten füttern im Park'. Auch diese Leute wollen geholfen werden. Wir müssen ja nicht immer gleich unterstellen, dass jemand, der um Hilfe fragt, mal von der Astrofotografie oder -zeichnung leben will. Wenn ein "Du kannst die Saturnringe und Jupitermonde sehen" reicht, dem müssen wir ja nicht gleich auf die Nase reiben, dass er für die Spiralarme von M51 das zehnfache seines Setpreises an Geld und das hundertfache an Zeit ausgeben müsste - das merkt er/sie schon selbst, wenn es soweit ist.
    Astronomie ist ein (teurer) Weg, aber mit 20% des Gelds (der Qualität) kann man 80% des subjektiven Erfolgs erzielen. Wir Fortgeschrittenen genießen es eben, die anderen 80% Geld auch noch für unsere elitären Ansprüche auszugeben - den Anspruch hat aber nicht jeder. Keine Toleranz sollten wir aber an der Stelle zeigen, wo Werbeversprechen schlicht gelogen sind - oder falsche Erwartungen geweckt wurden - gerade dann, wenn jemand ausdrücklich danach fragt.


    DS, Holger