Beiträge von MartinB im Thema „Megapixelwahn oder nicht?“

    Hallo Leute,


    Jetzt stürze ich mich hier auch mal ins Getümmel, weil mir die Diskussion einerseits viel zu emotional geführt wird, und andererseits einige entscheidende Argumente überhaupt noch nicht erwähnt wurden.


    Wenn ich die bisherige Diskussion richtig interpretiere, geht es hier darum, ob es einen praktischen Nutzen hat oder nur ein Marketing-Gimmick ist, Bildsensoren mit immer mehr immer kleineren Pixeln auszustatten.


    Eine elektronische Kamera mit Halbleiter-Detektor ist eine komplexe Angelegenheit. Viele Basisparameter sind entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Systems, auf jeden Fall viel zu viele für die Marketing- und Werbestrategen, die sich mit ihren Aktionen aber nur auf Ignoranz, Denkfaulheit und geringen Wissensstand der typischen Käufer einstellen. In einer Gesellschaft, in der Technik nur konsumiert wird und die meisten Leute sich nicht wirklich dafür interessieren, muss man sich über sowas nicht wundern.


    Entscheidende Kriterien außer der Pixelzahl sind ebenso Signal pro Belichtung pro Fläche, Gesamt-Dunkelrauschen pro Auslesevorgang, Dunkelsignal pro Belichtungszeit, größtes pro Aufnahme detektierbares Signal, Übersprechen auf benachbarte Pixel- besonders bei Überbelichtung. Diese Liste ist sicher noch nicht vollständig.
    Bei Kameras, die nicht für wissenschaftliche Nutzung verkauft werden, sind solche Angaben aber so gut wie nie verfügbar.


    Wenn ich bei einer bestimmten Chiptechnologie bleibe, muss ich auch noch genau wissen, wie diese Werte mit der Strukturgröße auf dem Chip (= Pixelgröße) skalieren.


    Die Eigenschaften der Optik und der digitalen Nachbearbeitung sind hierbei noch völlig unberücksichtigt.


    Wenn auch nur einer der Faktoren unbekannt ist, kann ich keine verlässliche Aussage machen, welche Pixelzahl und -größe die beste ist.


    Ulli_v's Vergleichsbilder sind sehr eindrucksvoll, was die Weiterentwicklung bei den DSLR-Kameras insgesamt angeht. Ohne Angabe des genauen Objektivtyps und des Blendenwertes und ohne Verwendung von RAW-Bildern mit identischer und exakt abgegebener Nachbearbeitung
    ist ihr Aussagewert leider gering (Ulli, könntest Du die Angaben zum Objektiv bitte nachreichen?).


    Bildsensoren mit Bayer-Maske erreichen prinzipbedingt nicht die gleiche Auflösung wie SW-Sensoren. Bei Vergleichen darf man nicht einfach die Größe eines Einzelpixels hernehmen.


    Als ein wichtiges Kriterium für die optimale Pixelgröße wurde hier die Brennweite genannt. Das ist schlicht gesagt Unsinn. Bei beugungsbegrenzter Optik ist zunächst mal allein das Öffnungsverhältnis wichtig, weil nur dieses die Größe des Beugungsscheibchens beeinflusst.
    Weil FrankH die Mikroskopie angesprochen hat: Da zählt analog dazu allein die Apertur. Bei heutigen Pixelgrößen kann man jenseits von 20x Objektiv-Vergrößerung kaum noch mehr Apertur erreichen, und 100x Objektive werden nur noch für bewusste Übervergrößerung verwendet, ähnlich wie bei der Planetenfotografie.


    Selbstverständlich gibt es sehr schnell Grenzen bei langen Brennweiten wegen Seeing und Nachführ-Ungenauigkeit. Das hat aber primär nichts mit Optik und Detektor zu tun. Viel wichtiger (zusammen mit Empfindlichkeit und Signal/Rauschabstand) ist die Menge Licht pro Zeit, die ich für die Kamera zur Verfügung habe, also die Teleskopöffnung. Diese entscheidet, ob ich 10 Minuten oder 10 Stunden für ein gutes Bild brauche!


    Letztlich muss jeder Astrofotograf Optik, Objektwahl, Aufnahmetechnik und Nachbearbeitung möglichst gut aufeinander abstimmen. Erst hier zeigt sich, ob die Pixelanzahl der Kamera sinnvoll eingesetzt wurde oder nicht, und ob die Aufnahme mit einer kleineren Zahl größerer Pixel vielleicht besser geworden wäre. Planeten, Sternhaufen, Galaxien, Planetarische Nebel, Gasnebel, Kometen stellen jeweils teils ganz unterschiedliche Anforderungen ans Equipment.



    Bevor wir Amateure von Megapixelwahn sprechen, sollten wir uns erst mal dieses Teil hier ansehen - dagegen sind unsere besten Kameras Spielzeuge:


    http://www.cnet.com.au/the-870…ace-imaging-339344704.htm
    und
    http://www.science.gov/topicpa…s+camera+suprime-cam.html


    870 MPixel sind schon 'ne Hausnummer, oder?
    Die einzelnen Chips haben übrigens 60x30mm Kantenlänge, die Anschlüsse sind auf der Unterseite. Dadurch kann man beliebig viele anreihen.
    Die Bildhöhe und -breite ist ca. 32000 Pixel, das Bildfeld insgesamt 1,5° im Durchmesser, die Auflösung pro Pixel ca. 0,17".
    Allein die Kamera mit Korrektor wiegt 870 kg.


    Mir würde schon eine Kamera mit 2 dieser Chips genügen[:p]
    Aber obwohl der Hersteller mein Brötchengeber ist, sind die Chancen, dass ich da mal dran komme, wohl verschwindend gering[V]. Zumindest solange unsere Firma keine Serienkamera mit diesen Bildsensoren produziert.


    Außerdem erfordert der optimale Betriebspunkt von -100°C schon etwas zusätzlichen Aufwand. Obiges Bildsensor-Array wird im Vakuum betrieben!


    p.s. Die Konkurrenz kann natürlich auch solche Bildsensoren bauen:
    http://microlab.berkeley.edu/t…lides/holland_sep2012.pdf


    Gruß,
    Martin