Beiträge von Eikonal im Thema „Warum Kegelblende im Protuberanzenansatz?“

    Hallo zusammen,


    Lyots erster Coronograph hatte übrigens eine geneigte Messingplatte, die das primäre Sonnenbild durch zwei Fenster an der Seite des Tubus herausgespiegelt hat (wobei diese Fenster so aufgebaut waren, daß von ihnen kein Reflex zurück in den Haupttubus fallen konnte.
    Siehe hier: (das ist die englische Übersetzung von Lyots Originalartikel, der 1932 in L'Astronomie, Bd. 46, S.272 ff., erschienen war; sie stammt aus dem Journal of the Royal Astronomical Society of Canada, Vol. 27, p.265)
    http://articles.adsabs.harvard…27..265L/0000265.000.html


    Die Kegelblende hat drei enscheidende Vorteile: einen fertigungstechnischen, einen bei der Justage, und einen optischen (das ist der entscheidende):
    - Da die Blende rotationssymmetrisch ist, kann man sie sehr leicht in guter Oberflächenqualität auf jeder Drehmaschine fertigen und polieren.
    - Die Einbaulage ist nicht durch eine einzuhaltende Reflexionsrichtung vorgegeben.
    - Die scharfe Kante liegt vollständig in der Brennebene des Objektivs: Die Kante erzeugt also einen definierten, scharfen und runden Schatten: bei einer schräggestellten Spiegelblende liegt ganz zwangsläufig ein Teil der Blende vor dem primären Sonnenbild, und ein Teil dahinter. Außerdem (und diesen Vorteil bekommt man quasi geschenkt) wird das einfallende Licht auf einen Zylindermantel verteilt: die Leistungsdichte um die Kegelblende herum nimmt mit dem Abstand von der optischen Achse ab. Je grösser der Tubus, umso einfacher sollte es also sein, die Wärme loszuwerden.


    Briefumschlag raus. Rechnen!


    Das primäre Sonnenbild hat bei der Brennweite f den Durchmesser d = f/109.
    Das Objektiv sammelt eine Leistungsdichte von S ~ 1000 W/m^2 ein, also mithin landet im Sonnenbild die Leistung
    P_in = S * D^2 * pi/4,
    worin D der Durchmesser des Objektivs ist.
    Man hat im primären Sonnenbild also eine Leistungsdichte von
    S_fok = P_in / A_Sonnenbild = S * D^2 * pi/4 / (f^2/109^2 * pi/4)
    Oder, einfacher:
    S_fok = S * (D/f)^2 * 109^2 ~ 11900 * S * (D/f)^2
    Für ein f/15-System, z.B. ist S_fok = 53 * S, m.a.W. dort kommen im primären Sonnenbild über 50 mW/mm^2 an!


    Dort muß also schon eine polierte Blende sitzen. Sonst hat man direkt verloren!


    Von der Kegelblende wird nun ein heller Ring auf die Tubusinnenwand geworfen, dessen Breite im Wesentlichen durch die Länge der Blende in Richtung der optische Achse gegeben ist (die Sonne hat ja nur eine Winkelausdehnung von einem Viertel Grad um die Achse herum: das vernachlässigen wir für diese Abschätzung. Damit ist der Reflex einfach nur ein Bündel paralleler Strahlen, das an der Blende reflektiert wird. Die endliche Ausdehnung der Sonne bringt einen kleinen Breitenzuwachs des Ringreflexes von D_Tubus/436 mit sich, also relativ wenig).


    Das Primäre Sonnenbild hat bei einer Brennweite von f einen Radius von
    R_Bild = f/218
    Damit ist dann die Länge der Blende (Öffnungswinkel alpha) in Achsrichtung
    l_Blende = R_Bild * ctan(alpha) = R_Bild * ctan(30Grad) = 1.73 * R_Bild = f/126


    Damit hat dann der Lichtreflex auf der Innenseite des Tubus (Durchmesser D_Tubus) eine Fläche von
    A_Reflex = l_Blende * U_Tubus_innen = l_Blende * D_Tubus * pi = pi * D_Tubus * f/126


    Wenn nun durch das Objektiv eine Lichtleistung von


    P_in = S * D_Obj^2*pi/4


    einfällt, dann ist die Leistungsdichte auf der Tubuswand, die durch den Reflex entsteht (wenn die Blende die Reflektivität rho hat):


    S_Reflex = rho * P_in/A_Reflex = rho * S * pi/4 * D_Obj^2 / (D_Tubus * f/126) = 99 * D_Obj^2 / (D_Tubus*f) * rho * S


    Beispiel:


    f = 1500 mm
    D_obj = 100 mm (100 mm f/15 - OK gibt's kaum noch, aber der Anschaung halber ;)
    D_Tubus = 120 mm
    S = 1200 W/m^2
    rho = 0.95 (polierte Blende, aluminiumbedampft)


    P_in = 9.4 W
    S_Wand = 99 * (100 mm)^2 / (120 mm * 1500 mm) * 0.95 * S = 5.2 * S ~ 5.2 mW/mm^2


    An der Wand entsteht also eine Wärmebelastung von 5.2 mW/mm^2, m.a.W knapp das fünffache der Solarkonstante.
    Das ist nicht gerade wenig. Man muß sich also in jedem Falle über die Wärmeabfuhr von dort durchaus Gedanken machen (z.b. innen und außen schwarz eloxierten Alu-Tubus verwenden, aktiv kühlen o.ä.).


    Jetzt wird auch klar, warum Lyot zunächst lieber die Nachteile der planen Blende in Kauf genommen hat.


    PS.
    Hier ist noch ein schöner Artikel zum Coronographen auf dem Pid du Midi:
    http://hal-sfo.ccsd.cnrs.fr/docs/00/36/14/00/PDF/CLIMSO.pdf