Beiträge von Atlas im Thema „"Frosty Leo" und ein ungleiches Paar in Gemini“

    Hallo Kai,


    dieses kleine Programm "Where is M 13?" ist wirklich ganz hervorragend, wenn man sich für die dritte Dimension interessiert. Oder umgekehrt: Wenn man mit diesem Programm etwas herumspielt, beginnt man auf jeden Fall sich für 3D zu interessieren. Da erhält man die Antwort auf die Frage: Wo leben wir eigentlich? - jedenfalls sofern es um unseren Ort in der näheren kosmischen Umgebung geht.


    Und zeig' es unbedingt auch Deinen Kindern. Meine jüngste Tochter hat sich das Programm mal näher angeguckt und es dann als Grundlage für ein Referat im Physikunterricht (Klasse 7) verwendet.


    Viele Grüße
    Johannes

    Hallo Uwe,


    danke für den Bericht zum "Frosty Leo". Anscheinend war ich mit meiner unsicheren Wahrnehmung des antennenartigen Filamentes doch wenigstens auf der richtigen Spur. Den Leo werde ich weiter im "Auge" behalten, er steht ja noch eine ganze Weile günstig am Himmel.


    Du hast natürlich Recht: Mit IC 2157 hat man noch einen weiteren offenen Haufen ganz in der Nähe von M 35 und NGC 2158. Die Uranometria verzeichnet hier sogar einen Doppelhaufen (IC 2156 und IC 2157), so daß sich insgesamt ein Quartett ergibt. Die beiden ICs befinden sich entfernungsmäßig auf halbem Weg zwischen M 35 und NGC 2158. Sie sind aber optisch und real viel schwächer als die beiden letztgenannten. Der besondere Reiz bestand für mich darin, daß ich NGC 2158 und wenigstens den Rand von M 35 gleichzeitig im Gesichtsfeld haben konnte. Die ICs paßten nicht mehr mit hinein. Aber mit einem Binokular oder einen Rich Fielder gehen sie sogar alle vier auf einmal, wie in Deiner Zeichnung zu sehen.


    Viele Grüße
    Johannes

    Hallo Olli,


    ich freue mich, daß Dir die Sachen gefallen. Dein 10" wird Dir wunderbare Dinge zeigen, und wenn Dir das in einigen Jahren nicht mehr reicht, wirst Du Dir einen größeren Dobson kaufen (oder bauen). (Ich habe damals mit einem 8" GSO angefangen.)


    Hajü, ja, ich war in Ittenhausen, und kein einziger Traktor war in Sicht! Allerdings auch kein Sternfreund. Hattest Du wieder Nachtschicht?
    Nach der Grenzgröße habe ich nicht eigens geschaut. Statt dessen orientiere ich mich zur Einschätzung der Bedingungen gern an der Wintermilchstraße. In dieser Nacht war sie nicht matt, sondern zart glitzernd und sie zeigte Struktur. Die Transparenz war also gut. Für das Seeing fahre ich im Winter gern das Oriontrapez an und prüfe, wie gut und bis zu welcher Vergrößerung sich die E und F Komponenten von ihren hellen Nachbarn trennen lassen. Demnach war das Seeing in jener Nacht ordentlich, aber nicht außergewöhnlich gut.


    Danke für die Zeichnung von IC 418. Sie entspricht ziemlich meinem Seheindruck. Nur der Rand war bei mir weniger hell als auf Deiner Zeichnung. Wahrscheinlich hat das schräg einfallende Mondlicht den Kontrast vermindert.


    Reiner,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wenn man etwas schon mal gesehen hat, fällt es leichter der Phantasie Recht zu geben<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Gut gesagt!


    Frosty Leo hat sich bei mir offenbar deutlicher gezeigt als bei Dir. Der dunkle Torus war für mich kein Problem. Aber so deutlich wie auf der Zeichnung von Uwe, die Hajü angehängt hat, war der Frosty Leo bei mir wiederum nicht. Offenbar hat Uwe sogar die schwachen Ausläufer samt Ansen sehen können.
    Beim Googlen habe ich noch eine Animation von Bernd Gaehrken mit Polarisationsfilter gefunden. Die beste Aufnahme kommt dem visuellen Eindruck recht nahe, den ich vom Torus hatte.
    http://www.astrode.de/frostpol1.gif


    Viele Grüße
    Johannes

    Endlich eine klare, dunstfreie Nacht auf der Schwäbischen Alb. Der Schnee ist so weit geschmolzen, daß ich meinen Platz problemlos erreichen kann. Die Temperatur liegt bei -8° Celsius. Die Mondphase beträgt 13,5%. Für Deep Sky Beobachtungen ist das gerade noch erträglich.


    1) Mein erstes Objekt ist der sogenannte „Spirographnebel“ IC 418 (Lep), ein planetarischer Nebel, dessen Hüllen ein kompliziertes Muster bilden, das aussieht, als wäre es mit einem Spirographen gezeichnet. Im Okular sehe ich bei 350x ohne Filter sehr deutlich den Zentralstern und die Scheibe darum. Ein Spirographmuster kann ich zwar nicht erkennen, wohl aber flächige Helligkeitsunterschiede in der Scheibe. Allerdings stört der schmale Mond, weil er von Westen her auf die dem Okularauszug gegenüberliegende Innenwand meines Dobsons scheint.


    2) Daher suche ich als nächstes ein weiter östlich gelegenes Objekt auf, nämlich WR 6 (Sh 2-308) (CMa). Diesen Wolf-Rayet Nebel habe ich vor 10 Tagen an einem anderen Ort und unter schlechteren Bedingungen schon einmal beobachtet. Da hatte ich allerdings große Mühe mit ihm. Nun aber, unter dunklerem Himmel, ist er viel besser zu sehen. Vor allem der helle Bogen im Westen der Blase kommt im OIII Filter deutlich heraus. Die Lücke im Kreis auf der Ostseite des Nebels kann ich aber weiterhin nicht schließen. Selbst unter den guten Bedingungen, die ich jetzt habe, bleibt ein Stück, auf dem ich die Kontur des Nebels nicht sehen kann.


    3) Als Hauptaufgabe habe ich mir für heute den „Frosty Leo“ vorgenommen, ein proto-planetarischer Nebel in Leo, den ich erstmals beobachte. Der Stern befindet sich im Vorstadium eines planetarischen Nebels. Der Zentralstern hat sich schon aufgebläht und stößt große Mengen von Material ab, das einen Nebel um den Stern bildet. Doch dieser Nebel ist noch nicht ionisiert, d.h. er leuchtet nicht aus sich heraus, wie das bei planetarischen Nebeln der Fall ist, sondern reflektiert bloß das Licht des Sterns. Seinen Namen hat der „Frosty Leo“ bekommen, weil sich im Nebel Kristalle von Wassereis nachweisen lassen.


    Da der „Frosty Leo“ im Argo Navis nicht eingespeichert ist (er hat weder eine NGC, noch eine IC oder PK Nummer), nehme ich eine Aufsuchkarte mit und nähere mich ihm von der nahegelegenen Galaxie NGC 2958 her. Ich hätte auch einfach die Koordinaten ins Argo Navis eingeben und mich dann automatisch zum Ziel führen lassen können, doch ich entscheide mich diesmal für das manuelle Aufsuchen. Das erweist sich als Fehler. Ich habe nämlich die Vorstellung, daß ein solches exotisches Objekt klein und lichtschwach sein müsse, und beiße mich deshalb an einem winzigen Doppelstern von ca. mag. 14 fest. Dann interpretiere ich auch noch die Aufsuchkarte falsch. Nach einer halben Stunde dämmert es mir, daß ich das falsche Objekt im Okular habe.


    Und tatsächlich: Der „Frosty Leo“ steht im Gesichtsfeld nebenan, zusammen mit einem etwa gleichhellen weiteren Stern. Er ist auch gar nicht klein und lichtschwach, sondern mit mag. 11,7 recht hell und schon auf den ersten Blick als flächig zu erkennen, so als hätte jemand einen Stern zu einem leuchtenden Klecks zerquetscht. Ich beobachte nun mit 350x und 500x; 700x erweist sich als etwas zu viel. Schon bei 350x sieht man deutlich die Zweiteilung. In der Mitte des Objekts verläuft eine dunkle Linie, der Staubtorus um den Stern, der den hellen Klecks in zwei Hälften teilt, weil wir den Torus praktisch direkt von der Seite sehen. Das Staubband ist in der Mitte am schmalsten, zu den Rändern wird es breiter. Vor allem an der Seite, die dem zweiten Stern in etwa gegenüberliegt, wird es breit, so daß hier eine Art dunkler Trichter entsteht. Die südliche Hälfte des leuchtenden Nebels ist etwas größer und etwas heller als die nördliche. Gelegentlich entsteht darin eine Helligkeitsspitze, so daß der Nebel an dieser Stelle funkelt wie ein Stern. In der schwächeren, nördlichen Hälfte geschieht das auch, aber seltener.


    Auf Photos sieht man, daß sich an jede der beiden Hälften schwache Nebelstrukturen anschließen, die in zwei gegenüberliegende Ansen münden. Ich suche eine Weile nach diesen Strukturen, kann aber nichts Definitives entdecken. Am ehesten zeigt sich im Anschluß an die hellere, südliche Hälfte ein schwaches, antennenartiges Filament, das senkrecht zum Staubtorus steht und sich vom Nebel weg erstreckt. Aber dieser Eindruck konsolidiert sich nicht, so daß ich ihn nicht als Sichtung zähle. Die Benutzung eines UHC Filters erweist sich als wirkungslos, wie bei einem Reflexionsnebel nicht anders zu erwarten ist.


    Leider habe ich kein gutes Photo von „Frosty Leo“ gefunden. Hier ist das übliche Hubble Photo:



    Dieses Photo ist vom Eindruck am Okular leider sehr weit entfernt. Im Okular sehe ich nur die beiden hellen Lobes in der Mitte und den dunklen Kanal dazwischen, diesen aber schmaler und dunkler als auf dem Bild. Den Zentralstern sehe ich im Okular nicht, auch nicht die schwachen Nebelanteile und die beiden Ansen an den äußersten Enden, auf die ich gehofft habe.


    Vielleicht zeigt sich in der nächsten Beobachtungsnacht mehr als in dieser Erstbeobachtung. Bei schwachen Nebeln sieht man ja oft von Nacht zu Nacht mehr.


    4) Nach diesem anstrengenden Unternehmen stelle ich ein helles Objekt ein, nämlich den offenen Sternhaufen M35 in Gemini. Die Zwillinge stehen mit ihren Füßen sozusagen in der Wintermilchstraße, so daß man in diesem Teil des Sternbilds offene Sternhaufen sehen kann. M35 interessiert mich besonders im Zusammenhang mit NGC 2158, einem weiteren offenen Haufen. Beide Objekte stehen am Himmel unmittelbar nebeneinander, so daß man die äußeren Sterne von M 35 noch im Okular hat, wenn man NGC 2158 zentriert.


    Hier ein Bild aus Wikisky:



    M35 ist groß und prächtig. Er enthält ca. 20 Sterne mit mag. 7,5-10 und hat etwa die Abmessungen wie der Vollmond. Dagegen ist NGC 2158 mit 6‘ recht klein und mit mag. 12,5 auch lichtschwach. Im Okular erscheint er weniger hell als auf dem langbelichteten Photo und auch kleiner, doch ist er deutlich als funkelndes Juwel erkennbar. Ästhetisch verhalten sich die beiden Haufen zueinander wie eine Sonnenblume zu einer Frühlingsprimel – und Primeln haben ja durchaus ihren Reiz.


    In Wahrheit hat NGC 2158 aber den gleichen Durchmesser wie M35, nämlich ca. 19 Lichtjahre, und die absolute Leuchtkraft ist sogar noch etwas höher. Doch mit 13000 Lichtjahren Entfernung ist NGC 2158 sechsmal so weit von uns entfernt wie M35 mit 2200 Lichtjahren und erscheint entsprechend kleiner und schwächer. Wenn wir die beiden Haufen ansehen, schauen wir zum Rand unserer Galaxis hin. Doch während M35 dicht bei der Sonne in unserem eigenen Spiralarm liegt, befindet sich NGC 2158 jenseits des nächst äußeren Spiralarms und damit schon fast am äußeren Rand unserer Galaxis. Der NGC Katalog enthält nur wenige offene Sternhaufen, die noch weiter entfernt wären.


    Zur Veranschaulichung hier eine Darstellung der räumlichen Verhältnisse, die ich mit „Where is M 13?“ erzeugt habe. Außer M 35 und NGC 2158 habe ich noch einige andere offene Haufen der Wintermilchstraße einbezogen, die ebenfalls weit entfernt und sehr alt sind:



    NGC 2158 gehört mit einem Alter von 2 Milliarden Jahren zu den ältesten offenen Sternhaufen unserer Galaxis und ist etwa 30x älter als M35. (Generell haben offene Haufen eine viel kürzere Lebensdauer als Kugelsternhaufen, weil die internen Gravitationskräfte aufgrund der lockeren Struktur weniger stark wirken und die Sterne sich daher im Laufe der Zeit zerstreuen.) M35 und NGC 2158 direkt nebeneinander zu betrachten ist schon ästhetisch sehr reizvoll, aber richtig interessant wird es, wenn man sich die Tiefendimension klar macht.


    (Nebenbei gefragt: Angeblich hat Messier seine berühmte Liste zusammengestellt, weil er Kometen gesucht hat. Um Verwechslungen zu vermeiden, wollte er alle Objekte kartieren, die wie Kometen aussehen, jedoch keine sind. Aber konnte man selbst in Messiers kleinem 162/810mm Reflektor, den er in seiner Beobachtungsnotiz ausdrücklich erwähnt, M 35 ernsthaft für einen Kometen halten?)



    Eine Beobachtungsnacht im März ohne eine einzige Galaxie – ist das zulässig? Zum Abschluß lasse ich den Blick noch kurz in die Ferne schweifen: Abell 1367, der berühmte Leo Galaxiencluster in 290 Millionen Lichtjahren Entfernung - Galaxien, bunt durcheinander gewürfelt, wohin das Auge auch sieht. Irgendwann nehme ich mir einmal die Zeit, um diesen Cluster Stück für Stück abzuarbeiten.


    Inzwischen geht es aber auf Mitternacht, die Konzentration läßt nach 4 Stunden Beobachtung merklich nach, und außerdem muß ich morgen Vormittag ein Tennismatch spielen. Da darf die Nacht nicht zu kurz sein. Also packe ich zusammen, obwohl der Himmel noch gut ist. Vor dem Losfahren muß ich nicht einmal die Scheiben des Autos frei kratzen, so trocken ist die Luft.


    Viele Grüße
    Johannes


    P.S. Das Tennismatch habe ich übrigens verloren.