Hallo Stefan,
mit genau der gleichen Zielsetzung und Rahmenbedingungen habe ich mir vor 8 Jahren eine chinesische 250x400 Drehmaschine zugelegt. Man findet diese Typreihe unter allen möglichen Vertriebsnamen, z.B. auch (aber zu teuer!) bei Quantum/Optimum. Meine ist eine "HBM250" von "cnc-steuerung.de". Kostenpunkt war 850 Eur inkl. Fracht.
Um es auf den Punkt zu bringen: diese Maschine war eine der besten Investitionen die ich jemals getätigt habe.
Warum? Extrem gutes Preis/Leistungsverhältnis, wenn man als Leistung die Erweiterung des Hobby-Schaffensbereichs ansieht. Es ergeben sich völlig neue Dimensionen was man selbst herstellen kann.
Natürlich kann man mit teuren Maschinen alles noch viel besser. Die Frage ist eben ob es sich lohnt ein Mehrfaches auszugeben, damit man vielleicht 20% an der Entstehungszeit eines Teils einspart. Wir machen ja keine Serie, sondern konstruieren viel länger an einem Teil rum als wir Zerspanen. Wenn letzteres etwas länger dauert ... was soll's?
Wichtig ist sich vorher zu überlegen welche maximalen Teilegrößen vermutlich zu bewältigen sein werden (Rohteilgröße!). Bei meiner Anschaffung waren damals 2 Dinge relevant: die Länge der Achsen meiner Selbstbau-Monti, und der Durchmesser der Aluringe meines SB-Newtons. Der Innen/Außen-Spannbereich des Futters ist auch wichtig. Kein Futter < 125mm nehmen!
Natürlich muss man an den Billigmaschinen rumbasteln. Ich habe vor allem folgende Erweiterungen vorgenommen:
- Plexiglasdeckel als Späneschutz
- Handrad am rechten Ende der Leitspindel
- Fräsaufsatz mit Spannplatte selbstgebaut
- die Elektrik umgestaltet: beleuchteter Hauptschalter und gescheiter Nothalt-Taster ergänzt, chinesische Billigklemmen ersetzt
- eine Stablampe als Beleuchtung eingebaut
- ein paar zusätzliche Gewinde angebracht (Befestigung eines Meßuhr-Halters, Befestigung für Fräszusatz bzw. Aufspannplatte, ein paar Zusatzgewinde in der Planscheibe ergänzt)
Der Vorteil bei den Billigmaschinen: man hat keinerlei Hemmungen daran rumzubasteln. So hatte ich z.B. mal, weil ein Aluring etwas zu groß war und am Bett anstieß, kurzerhand den Spindelstock runtergenommen und mit 4 Distanzstücken zur "Höhengewinnung" wieder montiert. Und danach alles zurückgebaut. Als Besitzer einer "guten" Maschine hätte mich die Angst um den möglichen Verlust der zertifizierten Genauigkeit wohl nicht mehr ruhig schlafen lassen [;)]
Wenn du mal auf meine Website schaust: alles was du dort an mechanischen Teilen siehst ist mit meiner Chinadrehe entstanden.
Beispiele:
- Montierung (Lagerpassungen: kein Problem, Schneckengetriebe: +/-3" PE)
- Anbauteile zum Newton (Endringe und Dreheinheit mit 260mm Durchmesser, Okularauszug)
- kompletter Tubus mit OAZ und Anbauteilen für 80mm Apo
- allerlei kleinere Dreh- und Frästeile, insgesamt mittlerweile bestimmt weit über 200 Stk
Bei den Fräsmöglichkeiten ist man natürlich deutlich eingeschränkt, aber auch da geht Einiges mit ein wenig Improvisationskunst. Deshalb habe ich den ursprünglichen Gedanken an eine separate Fräsmaschine längst aufgegeben. Für meine Fräszwecke reicht die Drehe aus.
Die Bearbeitung von Alu (auch das hochfeste 7075) klappt wunderbar, auch Messing. Ich verwende auch ganz gerne Kunststoff (POM), das geht natürlich wie Butter. Stahl ist schwierig, aus 2 Gründen: keine Kühlung, und Schwingungen die die Drehmeißel schnell verschleißen lassen. Aus St habe ich meine Schnecken, der Konus der Gegengewichtstange, und 3 Gegengewichte angefertigt. Sowie die Enden der VA-Rohre des Stativs geplant. Ich vermeide St wenn möglich. Wenn St für dich eine wesentliche Rolle spielt, nimm eine steifere Maschine.
Nervig, aber durchaus praktikabel, ist die Drehzahländerung über Riemenumlegen. Sind aber nur wenige Handgriffe (Abdeckung aufklappen, Schraube am Riemenspanner einige Grad lösen, Riemen umlegen, Riemen spannen und Schraube anziehen, Deckel zu). Vergiss das Thema optimale Schnittgeschwindigkeit. Meist reicht (bei Alu/Messing) 1 langsame und 1 schnelle Drehzahl (langsam: beim Abstechen, beim Bohren großer Durchmesser, beim Gewindeschneiden).
A propos Gewindeschneiden: T2 Gewinde in Alu/Messing sind überhaupt kein Thema. Vorsicht bei Maschinen, die ein Nortongetriebe statt Wechselräder haben: hier sind manchmal wichtige Steigungswerte nicht möglich. Wechselräder-Getriebe sind hier sehr viel flexibler! Das Wechselrad-Setzen auf die jeweilige Steigung kostet natürlich ein paar Minuten.
Ich benutze in erster Linie Hartmetall-Drehmeißel, manchmal (je nach Bauform) auch HSS. Bei Alu/Messing halten die jahrelang.
Schwierigste Disziplin, was Kräfte/Schwingungen angeht, ist das Abstechen. Hier ist auch der Punkt wo ich mir am ehesten eine steifere Maschine wünschen würde. Bisher bin ich aber noch immer ans Ziel gelangt, auch wenn es manchmal durchaus kritisch war. [;)]
Bei mir steht die Maschine auf einem selbstgebauten Tisch (2 Kieferplatten, Stahlbeine aus dem Baumarkt, Zubehörschublade). Es war damals übrigens kein Problem mit 2 Leuten die Maschine in den Keller runter zu tragen, nach Demonatge einiger Teile (Reitstock + Support). Das Gewicht liegt bei gut 100kg.
Besonders viel in Zubehör habe ich eigentlich nicht investiert. Zur Erstausstattung gehören natürlich verschiedene Drehmeißel, Gewindemeißel, ein Abstechmesser, ein Satz Bohrer, Zentrierbohrer, ein Bohrfutter mit Morsekegel, ein Meßschieber (am besten digital da leichter ablesbar), eine Messuhr mit Halter, vielleicht eine Planscheibe, eine Lünette braucht mal manchmal auch. Wenn man fräsen will natürlich Schaftfräser und Werkzeug-Spannmittel.
Als Einstiegsbuch hatte ich mir "Drehen und Fräsen im Modellbau" zugelegt.
Damals hatten sich die Maschinenbauer unter meinen Entwicklungs-Kollegen übrigens schlappgelacht, was der "Elektriker" da wieder vorhat. Und mir alle möglichen Tips gegeben wo man "richtige" Maschinen kaufen kann. Das Staunen ließ aber nicht lange auf sich warten, und erreichte den Höhepunkt als ich das erste Schneckenrad aus der Tasche zog... [:D]
Der Vergleich mit Teleskopen ist durchaus zutreffend: für wenig Geld kommt man erstaunlich weit, wenn man mit Kompromissen bzw. Basteleien leben kann. Für wesentlich mehr Leistung muss man sehr viel mehr investieren.
vielleicht hilft dir meine Erfahrung bei der Entscheidungsfindung. Wenn du Fotos sehen willst sag Bescheid!
cs
Martin