Hallo,
Nächste Woche geht es in die Alpen auf 1400m und dafür habe ich mir ein neues Spielzeug gekauft. Nachdem ich schon lange damit geliebäugelt hatte, habe ich mir jetzt das kleine Chinabino gekauft. Kaufpreis samt Stativ und Gabelmontierung 475.- Euronen. Für das kleine habe ich mich aus Gewichtsgründen und auch aus Neugier entschieden, da es darüber ja noch kaum Informationen gibt.
Am Sonnabend morgen kam das China-Bino bei mir an. Das Fernglas selbst kam sicher verpackt in einem riesigen Karton. Das Stativ dazu in einem zweiten wesentlich kleineren.
Im Koffer findet man außer dem Glas und den 3 Okularsätzen noch zwei Mikrofasertücher und ein Paar weise Baumwollhandschuhe. Die Verpackung macht dabei einen durchaus ansprechenden Eindruck. Eine Bedienungsanleitung (oder wenigstens die Warnung nicht in die Sonne zu blicken) fehlen dagegen völlig.
Die Gabelmontierung ähnelt den TeleVue Gabelmontierungen und ist offenbar nicht für astronomische Beobachtungen konzipiert da sich das Fernglas im Originalzustand nicht in den Zenit schwenken lässt. Dies war mir erst nach einer kleinen Modifikation möglich, welche aber nur für das kleine 70mm Glas anzuraten ist.
Die Rutschkupplungen lassen sich ausreichend straff einstellen so das man mit leichtem Druck nachführen kann. Das Alustativ, voll ausgezogen liegt die Einblickhöhe bei 134 - 138cm, ist das absolut mindeste, gerade noch steif genug um nicht unter seinem eigenen Gewicht
zusammenzuklappen. Im Hinblick auf die angestrebte Transportabilität gerade noch akzeptabel.
Nun aber zu dem Glas. Laut Herstellerseite handelt es sich um eine "90 degree semi-apochromatic triplet lens". Die Linsen sind grünlich vergütet. Nun kann ich zwar nicht in das Glas sehen und Linsen zählen, aber erste Blicke zeigen ein durchaus ansprechendes Bild. Bei 20-fach ist für mich kaum ein Farbfehler zu erkennen (ganz im Gegensatz zum Steiner 15x80 mit seinen grünen und roten Säumen an harten Kanten) und auch die Schärfe ist meines Erachtens gut (auch hier klar vor dem Steiner!). Naturgemäß lässt die Schärfe in den Außenbereichen nach aber in einem sehr akzeptablen Maß. Das bedeutet sicher nicht, daß es nicht noch besser ginge, aber gemessen am Preis habe ich da absolut nichts zu rumzumeckern.
Die 16mm Okulare bieten eine geringere Vergrößerung bei gleichem Sehfeld von ca. 3 Grad, wozu das gut ist hat sich mir noch nicht erschlossen.
Die 25mm Okulare haben ein kleineres Sehfeld von ca. 2,3 Grad, sind allerdings nicht mehr Brillenträger tauglich und ohne Brille komme ich nicht in den Schärfe Bereich (-5 Dioptrien). Schade auch, daß die 16mm Okulare nicht noch ein paar Bogenminuten draufpacken.
Mit den genannten 3 Grad liegt das Glas im Bereich des 15x60 Miyauchi und damit wohl im machbaren Bereich. Ist zwar kein echtes Richfield aber geradezu wie gemacht für die Plejaden u.ä.
Diese sah ich dann auch schöner als je zuvor. Zwar konnte ich unter recht hellem stadtnahen Himmel noch keine Nebelstrukturen erkennen, diverse Kommentare, die von einem ausgeschütteten Edelsteinkästchen sprechen, hingegen sehr wohl nachvollziehen. Brilliant! Ebenso schön der große Orionnebel, der etwa dem Anblick meines VMC bei 40-fach entspricht, natürlich mit wesentlich mehr "drumherum". Da es genau diese Anblicke sind, für die ich mir das Glas gekauft habe, bin ich damit wirklich zufrieden. Der bequeme 90 Grad Einblick tut sein übriges die Beobachtung angenehm zu gestalten.
Nach soviel Licht nun aber auch einige (konstruktive) Kritik.
1. Auch das 70er Glas vignettiert. Der Bereich ist dabei ähnlich groß (klein) wie beim großen 88mm Bruder, dort soll er ja bei 5% liegen (der Fläche nicht des Durchmessers). Somit bleibt effektiv "nur" ein ca. 68mm Glas übrig, was zwar insgesamt zu vernachlässigen aber genauso wenig nachvollziehbar ist. Hier sollte der Hersteller unbedingt nachbessern.
2. Die Okulare sind keine Standardokulare. Auch das wurde schon oft bemängelt. Auch hier ist es unverständlich, warum das nicht geändert wird. Zwar sind drei Okularpaare dabei, in diese lassen sich jedoch keine Nebelfilter einschrauben. Da der Innendurchmesser der Fokusierer bei ca. 34mm liegt, sollte es aber für entsprechend geschickte Bastler möglich sein, hier Anpassungen vorzunehmen.
3. Die gelieferte Montierung ist zwar ok, aber nicht für das Fernglas gemacht. Hierfür gibt es einen Minuspunkt an den Verkäufer, das muss nicht sein wenn der Hersteller (wie man auf der Webseite sehen kann) passende Montierungen mit offensichtlich stabileren Stativen anbietet.
4. Das Stativ, welches vom Hersteller wohl sogar für noch schwerere Gläser gedacht ist, ist unterdimensioniert. Hier wird wohl irgendwann ein leichtes Holzstativ als Ersatz dienen.
Fazit: Viel Fernglas fürs Geld, so oder so. Optisch für mich ganz klar vor dem Steiner 15x80 (ich sag schon mal leise "machs gut"). Dieses ist zwar nur knapp halb so schwer, aber das ist dann auch schon der einzige Vorteil.
Ein Vergleich mit dem dem kleinen Miyauchi oder auch mit einem Fujinon würde mich mal sehr interessieren und sobald ich dazu mal Gelegenheit habe werde ich das auch tun (und dann berichten).
Unterm Strich gibt es wohl kaum eine andere Möglichkeit für dieses Geld zu einem 90 Grad Glas samt Montierung zu kommen. Ich bin mir sicher, das ich mit dem Glas noch etliche Stunden am Himmel zubringen werde. Als nächstes werde ich mir jetzt wohl Sonnenfilter besorgen.
Beste Grüße und klaren Himmel,
Brockwitzer