Anfang Oktober 2002 verschaffte ich mir Gelegenheit, an der Whirlpool Star Party teilzunehmen, die im mittel-irischen Örtchen Birr ausgetragen wird.
Birr ist heiliger astronomischer Grund erster Güte, nicht zuletzt da im dortigen Schloss, welches auf den Namen Birr Castle Demesne hört, seit nun mehr 160 Jahren das Teleskop „Leviathan“ steht.
Der Leviathan hat einen Spiegel von 72 Zoll, was 183 cm gleich kommt, und ist ‚irisch‘ montiert.
Der Tubus hat eine Länge von 18m und die seitlichen Mauern sind rund 15m hoch.
<b> Der Leviathan </b>
<b> Leviathan Auszug 6“ </b>
Dieses Teleskop war für einige Dekaden das größte Beobachtungsinstrument der Welt und daher versammelten sich in Birr viele – wenn nicht sogar, nahezu alle – führenden Astronomen der Zeit.
Der 3te Lord Rosse, der die Errichtung des Leviathan betrieb, entdeckte die Spiralstruktur der Galaxie M51 und ‚taufte‘ diese die Whirlpool Galaxie und benannte auch M1 als den Crab Nebular.
Neben vielen anderen astronomischen Großkopferten arbeitete auch Dreyer in Birr, um seinen NGC-Katalog zu verfassen.
Spätestens um den ersten Weltkrieg herum war es aus mit der Herrlichkeit des Teleskops, nämlich als der Spiegel ins Museum nach London kam und alles Eisenhaltige für den Krieg eingeschmolzen wurde.
Von 1995 bis 1998 wurde das Teleskop mit erheblichem Aufwand wieder hergestellt.
<b> Schau ich nicht schlank aus ? </b>
Der Shannonside Astronomy Club lädt seit nunmehr 17 Jahren zu dieser Star Party ein.
Der dem Amerikanischen entliehene Name Star Party täuscht eigentlich, da es sich um eine 2-tägige Veranstaltung handelt, die tagsüber in einem Hotel interessante Vorträge bietet; an den Abenden/Nächten besteht dann die Möglichkeit, gemeinsam zu beobachten.
<b> Hotel, in dem die Vorträge gehalten wurden mit 20” Dobson </b>
Die Veranstaltung wurde durch den 7ten Lord Rosse eröffnet, der – sichtlich erfreut über die relativ große Anzahl von Besuchern – auf die Bedeutung des Teleskopes für die zeitgenössische Astronomie einging, aber auch die anderen Erfindungen seiner Vorväter hervorhob. Die Herrschaften erfanden eine Dampfturbine, bauten darum das seinerzeit schnellste Schiff und erzeugten Strom, was Birr bereits vor Edison elektrifizierte.
Ausführlich und wortreich entschuldigte sich der Lord, dass das Teleskop nicht benutzbar sei, da sich nunmehr herausstellte, dass bei der Restaurierung geschludert wurde. Die zur besseren Bedienbarkeit (Personal ist in letzten 160 Jahren ja teurer geworden) eingebaute Hydraulik wurde wohl nicht fachgerecht isoliert und ist nun im Stück. Wenn man sich so die sanitären und andere Klempnerarbeiten in Irland (und England) anschaut, ist man geneigt, dieses sofort zu glauben.
Die Organisatoren packten den gerührten Lord dann aber doch an seiner weichen Flanke und bekamen dann doch die durchlauchte Erlaubnis, mit dem Leviathan beobachten zu dürfen – allerdings ohne ihn voll aufzurichten. Da hatte die Versicherung wohl was dagegen. Der Jubel nach Bekanntgeben dieses Zugeständnisses war groß. Ja, ja, der Adel meint es doch gut mit uns einfachem Volk. Brot und Spiele.
<b> Auditorium mit Lord Rosse – Dem Lesenden </b>
An der Star Party nahmen circa 150 Interessierte teil, von denen – nach meiner Schätzung – nicht mehr als 50 mehr oder minder aktive Beobachter waren. Bei den abendlichen Beobachtungen waren – neben dem Leviathan – ein Dutzend Teleskope aufgestellt.
Namen und Reputation der Referenten bestätigten, dass der Leviathan nicht nur in der Vergangenheit hochkarätige Besucher anzieht.
Um nur einige zu nenen: John Dobson, der Erfinder des Dobson-Teleskopes, mittlerweile 87 Jahre jung, Jack Newton der stets in einschlägigen Publikationen wiedergegebene Astro-Photograph und der Nobelpreisträger Antony Hewish (hat die Pulsare entdeckt).
Ferner zwei Professoren (einer Astronom der andere Biologie), die sich mit der Frage extraterrestrischen Lebens befassten und der CEO von Coronado bildeten die Nachhut der Referenten.
Trotz jeweils vorangegangener Beobachtungen bis früh in den Morgen bin ich nur 2mal eingenickt, was eindrucksvoll die Klasse der Vorträge beweist.
John Dobson ist eine wirkliche Show. Seine beiden Hauptthemen, die ihn beschäftigen und über welche er mit uns sprach, haben wenig mit Teleskopbau zu tun. Zum einen ist er ein ziemlicher Gegner der Urknall- (Big Bang) Theorie (seiner Ansicht nach wohl eher Verschwörung als Theorie), zum anderen lebt er dafür, der Allgemeinheit Astronomie näher zu bringen.
Mit seinen Sidewalk-Astronomern tourt er durch Nordamerika und bringt so viele Leute wie nur möglich dazu, einen Blick durch die selbstgebauten Röhren zu werfen.
<b> John Dobson </b>
Diese Touren gehen wohl recht rustikal und hippie-mäßig vor sich und es kommt wohl öfter vor, dass John (87 Lenze) im Tubus des 24“ übernachtet.
John ist absolut auf der Höhe der Dinge und vermag es, Leute in seinen Bann zu ziehen. Erst recht wenn er berichtet, dass er in China geboren wurde und bis 1966 in einem Kloster lebte.
Auf die Frage, wie groß ein gutes Amateur-Teleskop sein sollte antwortet John: If it fits in your backyard, it is too small. If you can’t move it, it is too big.
<b> John Dobson </b>
Der Astrofotografie betreibende Jack Newton führte spontan einen Workshop in Sachen CCD-Bildbearbeitung in Photoshop durch. Beeindruckend. Ich schaue mal, ob ich davon eine gesonderte Zusammenfassung schreibe. Sagt ‚Bescheid’, wenn von Interesse.
Am Ende des Workshops hielt Jack inne, dreht sich langsam um und sagte sehr trocken: „And you thought I’m a good astro photographer.“
<b> CCD Workshop von und mit Jack Newton </b>
In seinem Vortrag (Powerpoint, der sicher nicht langsame Rechner benötigte mehrere Minuten, um die Präsentation zu laden) zeigte Jack Bilder, die er mit verschiedensten Techniken und verschiedensten Teleskopen aufnahm. Er hat wirklich vom ETX90 bis zum LX 16“ mit so ziemlich allem, was Meade je baute, fotografiert. Ausführlich ging er auf die ehemals populäre Technik ein mit gekühlten ‚normalem’ Film zu arbeiten, ehe er sich seinem derzeitigem Gebiet der CCD-Fotografie näherte.
Neben so ziemlich allen high-end CCD-Geräten, die es gibt, nutzt Jack derzeit hauptsächlich die ‚Dream machine’, ein CCD-Chip, der auch im Hubble Verwendung fand. Diesen erstand er – da dieser inzwischen überholt ist – für $1400. Da der Chip 1 Zoll mal 1 Zoll ist, war es aufwendig, eine Kamera drum herum zu bauen. Die Ergebnisse, die er mit diesem Chip erzielt, klopfen an die Schwelle des Urknalles (so es ihn den gab).
All dies ging sogar soweit, dass er es uns zumutete, uns seine Bilder anzusehen, in denen er seine Resultate mit denen des Hubble Space Teleskopes verglich.
Jack ist Kanadier und hat seine Hauptresidenz (mit Kuppel) an der Grenze zu den verunreinigten Staaten. Seine Astro-Beessenheit brach aus, nachdem ihm sein Arbeitgeber Marks and Spencers freisetzte. Ohne es zu wissen, nehme ich mal an, dass er da nicht für das Einräumen der Regale zuständig war ...
Auch hat er ein Winterdomizil in Florida, welches er nun nach Arizona umtopft, wo er kurzerhand mit 40 anderen Star City gründete.
Die Aufnahmen waren durchweg beeindruckend und Jack präsentiert diese mit einer ebenso beeindruckenden Selbstverständlichkeit und lässt nie Zweifel aufkommen, dass er für ein gutes Foto alle Register zu ziehen bereit ist.
Dies wurde klar, als er ein Halpha-Sonnenbild zeigte, welches Begeisterungsstürme hervorrief. Er darauf hin sehr cool: Die Korona habe ich vor 10 Jahren in Japan auf genommen, die Sonnenoberfläche ist ais 16 Bildern zusammengesetzt und die Protuberanzen sind die schönsten des Monats November ...
Meine Frage, warum der visuelle Eindruck durch den Coronado (hab ja auch einen) so verschieden ist von dem, was seine Bilder zeigen, beantwortete er mit einem Lächeln und der Aussage: ‚Because I bullshit.’
Aber kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, Jack berichtet, dass ihm unlängst ein $5000 Coronado-Filter herunter fiel und zerbrach ...
<b> Jack Newton </b>
Der für die Entdeckung der Pulsare mit einem Nobelpreis bedachte Antony Hewish berichtete sehr lebendig und engagiert über die Erfolge, mit Radio-Astronomie die Vorgänge im jungen Universum (300 000 Jahre alt/jung) zu beobachten. Die hierfür Verwendung findenden Radioteleskope sind eher klein, da große Himmelsbereiche abgedeckt werden. Da die zu messenden Effekte sehr klein sind, gilt es die Messeinrichtungen abzuschirmen. Antony (darf ich sagen, da wir beim Abendessen einen Tisch teilten) beschrieb, wie schon die thermischen Einflüsse eine Baumes, der im Wind schwingt, die Messung beeinflussen.
Die Ergebnisse bestätigten die theoretisch angenommene Verteilung der Elemente im jungen Universum.
<b> Antony Hewish – hier mit irischem Whisky, aber ohne Nobelpreis </b>
Zwei Referenten schilderten, wie die Suche nach Leben außerhalb der Erde vorangeht und welche Grundlagen zu beachten sind. Hauptaugenmerk liegt auf der Entdeckung von extra-solaren Planeten, die durch neue Techniken besser und erfolgreicher wird. In ca. 15 Jahren, so Barrie Jones, hofft man Teleskope zu haben, die in der Lage sind einen Planeten aufzulösen und eine Untersuchung des Absorptionsspektrums zu ermöglichen. Dieses Spektrum birgt Hinweise auf die Grundelemente, die für Leben erforderlich sind.
Für diese Aufgabe benötigte ein einzelnes Teleskop einen Durchmesser von rund 100 Metern, im Verbund ließe sich dies aber durch viele kleinere (na ja klein ist relativ, ca. 8 Meter) Teleskope erreichen.
Auch führte Prof. Jones (hieß nicht der mit dem grünen Diamanten auch so?) aus, das SETI demnächst optische Signale analysieren wird, da es heuer selbst uns technisch möglich ist, Lichtsignale mit einem Puls-Laser zu senden, die zwar nur Nanosekunden kurz sind, aber in dem anvisierten Bereich, die Helligkeit unserer Sonne übertreffen. Wenn andere dies machen, hofft man dies mit SETI auszuspüren.
Die einzige je ‚von uns’ gesendete Nachricht mit einer Stärke, die zumindest theoretisch reichen könnte, andere Empfänger zu erreichen, wurde vor einigen zehn Jahren in Richtung M13 abgesandt.
<b> Barrie Jones </b>
Der Biologe Johnjoe McFadden trug seine Erkenntnisse über die Anpassungsfähigkeit von Leben an Umgebungsbedingungen vor. Seine Theorie besagt, dass Quantenmechanik eine wesentlich Rolle bei der Anpassung der DNS / RNS spielt. Nett war, dass er als Biologe ab und an mit Teleskop und Mikroskop durcheinander kam.
<b> Johnjoe McFadden </b>
Der CEO von Coronado (die mit den ‚teuren’ Sonnenfiltern) David Lunt referierte recht trocken über die technischen Grundlagen der Sonnenbeobachtungsinstrumente. Was ich behielt, ist, dass es bei all diesen Filtern sehr auf die Winkeltreue der einfallenden Strahlung ankommt, da sonst der Filtereffekt nicht zustande kommt. Coronado-Neuigkeiten sind: Haplpha-Filtervorsätze für das Canon stabilisierte Fernglas (fand regen Anklang und lieferte ein gutes Sonnenbild), ein Fernglas für Sonnenbeobachtung im Weißlicht und Glassonnenfilter fürs Meade ETX.
Viele der Filter werden dieser Tage von Schulen erworben.
Ein weiterer Vortrag gab die Einrücke eines Engländers wieder, der die große Stellaware Star Party in den USA besuchte. Dort treffen wohl so rund 3000 Leute zusammen.
Auch gab ein Herr aus Nordirland eine Grußadresse an die Versammlung, die sich irgendwie – so weit man den Dialekt verstehen konnte – so anhörte, wie in Deutschland seinerzeit zwischen Ost und West geredet wurde. Große Betonung lag auf allen ‚all-Ireland’- Initiativen, wie einem gemeinsamen Radioteleskopprojekt (kommt auch was nach Birr).
Wahrlich unvergesslich werden mir aber die Beobachtungsnächte im Schloss zu Füssen des Leviathan bleiben. Der Lord stattete uns mit einem Schlüssel für eines der Schlosstore aus, so dass wir rund um den Leviathan unsere Teleskope aufbauen konnten.
Auch Blicke durch das 6 Zoll Okular des Leviathan selber waren möglich. Um ans Okular zu gelangen erfordert es, dass man den Korb mit den Beobachtern and das Teleskop herankurbelt. Große Show ....
Jeder der dies mitmachte war schwer beeindruckt.
Durch den Leviathan waren verschiedne Sternefelder zu beobachten. Da er wegen Hydraulikschwäche keinen ‚hoch bekam’ war die Auswahl beschränkt. (Hmh, sollte man da mal Viagra verabreichen?)
<b> 72 Zoll saugen am Himmel</b>
Ca. ein Dutzend Teleskope waren am Leviathan aufgebaut. Meist Meades, einige größere Dobsons (15“ und 20“) und einige kleinere Refraktoren.
Ich war mit meinem 4“ TMB und Giro-Montierung angereist und stellte fest, dass man TMBs auch in Irland kennt. Viele warfen einen Blick auf Jupiter und auch – wie könnte es an diem Ort anders sein – auf M51. Mein neues Panoptic 35mm als auch die Giro-Montierung schlugen sich sehr gut.
Was mir auffiel, war, dass mich keiner nach dem Preis des Gerätes fragte. Dies war auf deutschen Teleskoptreffen so ziemlich die erste Frage, die mir gestellt wurde. Andere Länder, andere Sitten.
<b>TMB im irischen „Planetennebel“ </b>
Auch John Dobson warf einen Blick auf M81 und M82 durch meinen TMB und drehte sich mit dem Kommentar ab, das er für den Preis meines Okulares einen 18“ Dobson bauen könnte ...
Trotz gewisser Unkenrufe und Bedenken überstand der TMB, mein Pronto und all das was ich noch mitführte sowohl Hin- als auch Rückflug ohne Schaden.
Die Birr Whrilpool Star Party war ein wirkliches Erlebnis und durch den recht kleinen Teilnehmerkreis ergab sich eine sehr entspannte Atmosphäre. Ich habe sicher über eine Stunde nur mit John Dobson über ‚Gott und die Welt’ reden können. Meine Versuche, ihn zu bereden, uns mal auf dem ITV zu besuchen, scheiterten zwar nicht ganz, aber er machte klar, dass er nicht reist, um Astronomen zu treffen, sondern um Astronomie ‚normalen’ Menschen näher zu bringen. Da er tatsächlich etwas deutsch spricht, wäre das ja mal ein Projekt ....
<b>Der Dobson John und ich (jaja, ich weiß, dass ich alt ausschaue)</b>
Es gibt noch eine Menge zu erzählen, ich mach aber nu mal Pause. Fragt und ich werde mit Freude antworten. Auch kann ich bei Interesse noch einige weitere Bilder zeigen.
Guido
Der mit dem Dobson beobachtete
http://www.sternkieker.de/guido