Liebe Damen und Herren Astrofreunde.
- Ursprünglich wollte ich nichts schreiben, da es beobachtungsmäßig nichts mitzuteilen gab. Ich stellte jedoch bei Recherche zu dem Dorf Geitau im Forum schnell fest, daß dies kein unbekanntes Nest ist und NormanG hier über Jahre zahlreiche äußerst schöne Berichte geschrieben hat, die ich jetzt nachträglich verschlungen habe.
Also anbei doch noch eine kleine Stimmungsnote dazu von meiner Seite -
Manche Erlebnisse und Orte sucht man nicht, sie finden einen.
Von meiner besseren Hälfte wurde ich mal wieder zum Wandern gehen überredet. Während sie genetisch wohl etwas von einer Bergziege mitbekommen hat, bin ich eher der Landschaftsblickgenießer mit dem Hang wenig zu laufen, nicht zu schwitzen und dafür mehr einzukehren. Also wurde mir die Sache schmackhaft gemacht. Freitag Nachmittag bis Sonnabend in Geitau mit Übernachtung in einer Pension mit Frühstück und mir wurde aufgezählt, auf welcher Alm drumherum man was alles speisen und kosten kann und wenns zu warm ist, könnte man auf den Wendelstein auch mit Seilbahn hoch. Also zugesagt.
Die Nacht auf Freitag hatte ich dummerweise Nachtarbeit und dachte ob Schlafmangel und warmer Temperaturen um 30°C überhaupt nicht daran, auf Astrogelegenheiten mich vorzubereiten. Gott sei dank wurde mir beim packen noch zugerufen, ich soll mal für den Ausblick ein gescheites Fernglas mitnehmen und nicht immer nur das "Spannerglas für Insektophile" (ich nehme an das arme Pentax Papillio war gemeint ) Also das 6 x 30 und 12 x 36 eingepackt.
Geitau entpuppte sich als nettes kleines, touristisch stark geprägtes Dorf in den Voralpen mit einer großen südlichen Wiesenfreifläche, welche als Segelflugplatz genutzt wird. Am Freitag noch schön umhergewandert und das bekannte Kneipbecken genutzt am Bahnhof. In unserer Pension am Abend dick gespeist und mit Hollunderlikör im Abgang dann zu Bett gegangen.
Gegen 2.45 Uhr erwachte ich dann von höchst urbanen Geräuschen: einer Autoalarmanlage. Ich bin entnervt auf den Balkon gegangen, um den Plagegeist ausfindig zu machen. Und fand etwas ganz anderes: eine phantastische Sternennacht! Eine unglaubliche Sternenfülle breitet sich aus. Vom Balkon aus sah man direkt auf den Wendelstein. Wie ein schwarzer Scherenschnitt saß der Berg vor dem Sternenhimmel und genau hinter seinem Gipfel glitzerten eine Gruppe heller Sterne. Was ein Anblick! Sofort die Ferngläser geholt und die Ansammlung als offenen Sternhaufen identifiziert. Langsam kamen immer mehr glitzernde Diamanten durch die Erdrotation hinter der Bergspitze hervor und ich mußte innerlich lachen, als ich bemerkte, daß es ja die Plejaden waren. Aber was für eine Schau. Astroobjekte in unmittelbarer Nähe zu irdischen Objekten zu sehen ist doppelt ergreifend. Es gab jetzt kein halten mehr: angezogen, Ferngläser geschnappt und aus dem Zimmer geschlichen. Den Himmel wollte ich im ganzen sehen.
Ein paar Hundert Meter weiter südlich, in Richtung Segelflugplatz, war ich schon aus dem Dorf hinaus und sicher vor dämlichen Parkplatzlaternen. Überhaupt war das Tal recht gut abgeschmirmt von störenden Lichteinflüssen durch die Bergrücken. Die Milchstraße bot sich durchziehend von Perseus bis Adler in einer Pracht an, wie ich sie gefühlt zuletzte Ende der 80er Jahre erlebt habe. So völlig ohne Programm oder Vorbereitung ergab ich mich dem puren genußgucken und abprüfen meiner Lieblingsobjekte unter diesem Himmel. Der typische Effekt unter dunklem Himmel: alles wirkt farbenprächtiger, klarer und satter leuchtend. Am deutlichsten an Herschels Granatstern, Mu Chephei, er erschien im 12 x 36 in einem dunkelorangenen Ton, wie ich es in München bei gutem Wetter eher im 15 x 70 gewohnt war. Herrlich, ich will hier nicht mehr weg. Gleichzeitig bettelten neben den Sternenbildern Jupiter und Saturn auch noch um Aufmerksamkeit. Saturn hatte ich jetzt das erste mal im 12 x 36 eingefangen und man sah schon die ungleichmäßige Form des Planeten mit Hinweis auf die Scheibe. Atmosphärisch war es auch spannend auf der Wiese. Vom Dorf her kam ab und zu ein Muh aus dem Kuhstall, während von den Wäldern am Berg ein Kauz rief. Einmal hörte ich von der Wiese kommend ein würgendes Röhren. Reh, Hirsch? Ich bin da als Städter etwas leicht eingeschüchtert, auch weil mich mal anderswo ein Dachs fast umgerannt hat, dem es wurscht war, daß ich mit dem Gerödel gerade in seinem Laufweg stand.
Gefühlt war ich fünf Minuten erst draußen, war doch eine Stunde schon vergangen und ich dachte an meinen fehlenden Schlaf und das wir um 6 Uhr aufstehen wollten für die Wanderungen am Tag. Au wei....wie ein Ehebrecher schlich ich in die Pension zurück. Ein Abschiedsblick aus dem Balkon wurde sofort mit weiteren Leckerlis belohnt: die schmale Mondsichel war links des Wendelsteins aufgetaucht und im Fernglas sah man wie die, nun erkennbar als schwach von der Erde erhellte Mondkugel, entlang des Berges an Bäumen und Felsen emporkletterte.
Rien ne va plus.....nichts geht mehr, ab ins Bett jetzt endlich. Kurze Zeit später wieder Geräusche, jemand turnte auf dem Balkon herum. Diesmal wars die Freundin begleitet von "Wuar...boar..."Gemurmel. Der Sichelmond war nun auf der Bergspitze angekommen und saß wie ein Kunstobjekt leuchtend auf dem Berg. Wäre es ein Gemälde gewesen, ich hätte den Künstler des Kitsches bezichtigt. Wir reichten uns nun abwechseln die Ferngläser und murmelten nun zusammen "Wuar...boar..."....
Die ganzen Erlebnisse hatten mich so aufgekratzt, daß anschließend trotz Müdigkeit kein Schlaf so recht kam. Das "ich" am nächsten Morgen entpuppte sich im Spiegel als 10 Jahre gealtert, aber glücklich! Diese Ecke sieht mich definitiv wieder!
Viele Grüße
Johannes