Hi
Am vorigen Mittwoch haben sich wieder die Ruhrpott-Schleifer getroffen. Star des Abends war erneut Thomas mit seinem Erstling, einem 40-cm-Spiegel. Das gute Stück hat bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Angefangen mit falsch zugeschliffenen Metall-Tools bis zu einer Überkorrektur, die sich aus der Verwechslung von moving und fixed source ergab, hat der Spiegel kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Nachdem wir nun sorgfältig darauf achten, Figure XP mit den richtigen Parametern zu füttern, war die Polier-Arbeit jetzt soweit gediehen, daß man die Parabel wieder ins Visier nehmen konnte. Aber der Spiegel schlug erneut Kapriolen. Diesmal betraf es die äußerste Zone der Couder-Maske. Das 9-Uhr Segment zeigte eine homogene Fläche, während das 3-Uhr-Segment innen hell erleuchtet und außen pechschwarz war. Wie soll man bei einer solchen Ausleuchtung zu einer Einschätzung des Spiegelrandes kommen? Mit dem herkömmlichen Couder-Verfahren stehe ich schon lange auf Kriegsfuß - insbesondere in puncto Rand-Beurteilung. Diese Beobachtung vom Mittwoch war dann der aktuelle Anlaß, zu fragen, ob sich das Verfahren nicht so abändern läßt, daß präzise Ergebnisse zu erzielen sind. Das hier ist das Resultat:
Ich habe die großflächigen Zonen durch kleine kreisrunde Löcher ersetzt, die ich mit einem Büro-Locher in Schreibmaschinen-Papier gestanzt habe. Daß die Löcher rechts und links die gleichen Positionen haben, erreicht man, wenn man das Papier faltet und die Löcher gleichzeitig durch beide Papier-Lagen stanzt. Wenn man dann dafür sorgt, daß die Faltlinie durch den Mittelpunkt des Spiegels verläuft, kann man sicher sein. daß die Löcher rechts und links exakt zu liegen kommen. Aus der Tester-Perspektive sieht das dann so aus:
Wie bei Verwendung der normalen Maske kommt es jetzt darauf an, die Klingen-Positionen zu finden, an denen jedes Lochpaar gleichmäßig ausgeleuchtet ist. Das ist aus einer Entfernung von mehreren Metern nicht mit bloßem Auge zu schaffen. Ich habe eine Canon 350D zuhilfe genommen. Die Lochpaare, die gerade nicht zur Messung anstanden, habe ich abgedeckt, so daß auf jedem Photo immer nur ein Paar zu sehen ist. Ich habe zunächst die Klingenposition aufgesucht, in der beim Blick durch den Sucher beide Löcher etwa gleich hell wirkten. Dann habe ich die Klinge einen Millimeter zum Spiegel gefahren und in Abständen von 1/10 mm Photos gemacht. Am Ende einer jeden Serie befand sich die Klinge immer außerhalb des KM. Irgendwann auf dem Weg vom Spiegel weg hatte ich das Photo geschossen, das die Klinge im KM zeigt - das war die Hoffnung. Es ergaben sich bei 6 Loch-Paaren und je 20 Photos pro Serie ca 120 Bilder. Aus diesen galt es nun die herauszusuchen, auf denen rechtes und linkes Loch gleich hell sind. Meine Befürchtung war, daß sich die Photos in der Nähe des KM derart gleich würden, daß eine Unterscheidung nicht möglich sein würde. Die Folge wäre, daß die Genauigkeit leiden würde, so daß sich gegenüber dem herkömmlichen Couder-Verfahren kein Vorteil ergeben würde. Die Sorge war Gott sei Dank unbegründet. Photoshop sei Dank. Dort ging es nämlich so zu:
Ich habe jede der 6 Serien komplett ins Programm geladen und die Bilder aussortiert, auf denen nach dem Heranzoomen sofort zu erkennen war, daß zwischen rechts und links Helligkeits-Unterschiede bestanden. Das ging recht zügig. Übrig blieben von jeder Serie ca. 3, 4 Bilder, bei denen mit bloßem Auge keine sichere Unterscheidung möglich war. In dieser Situation habe ich zur Pipette gegriffen und die Bilder in den Schwarz-Weiß-Modus überführt. Heranzoomen auf 200% hat die Leuchtpunkte zu einer Größe heranwachsen lassen, bei der sich die Pipette bequem nutzen läßt. Um über die Pipette weitere Bilder aussortieren zu können, braucht man noch das Informations-Fenster. Zusätzliche Erleichterung bringt der Pixel-Parameter der Pipette. Den habe ich auf 5 x 5 Pixel eingestellt. Wenn man mit diesen Einstellungen die Löcher mit der Pipette überstreicht, zeigt das Info-Fenster die wechselnden Helligkeitswerte der überstrichenen Pixel-Areale an. 100 steht für Schwarz, 0 für Weiß. Die Entscheidung, die mit bloßem Auge kaum möglich ist, gelingt nun plötzlich ganz problemlos: Ich hatte bei meiner ersten Meß-Serie mit der als problematisch geltenden innersten Zone angefangen. Die beiden Löcher lagen auf dem Spiegel nur 3 cm voneinader entfernt - so eng, daß man, belastet mit den Erfahrungen aus früheren Couder-Sitzungen, kaum mit einem eindeutigen Ergebnis rechnet. Aber genau so kam es: Es blieb nur ein einziges Bild übrig. Das habe ich erst als Zufall abgetan. Aber in der zweiten Zone dasselbe. Und das ging weiter bis zum Rand. Immer habe ich pro Serie ein paar Bilder übrigbehalten und dann die Pipette entscheiden lassen. Und die hat alles gnadenlos bis auf eines aussortiert. Pro Zone erhielt ich immer nur ein einziges Bild. Innen, in der Mitte und am Rand.
Das hätte jetzt bedeutet, daß die alte Unsicherheit, die dem Couder-Verfahren anhaftet, der Vergangenheit angehört. Wollte ich nicht so recht glauben. Bestätigt habe ich das so: Der Spiegel, den ich mit diesem Verfahren vermessen habe, ist auf dem Weg zur Sphäre. Daher lag es nahe, bei Figure XP als konische Konstante <Null> einzutragen. Das hat den Vorteil, daß man beim Blick auf das Foucaultbild die Kurve, die Fig XP produziert, vorhersagen kann - vorausgesetzt, man hat die Zonen präzise vermessen. Das Foucaultbild liefert gewissermaßen die Draufsicht auf die Spiegel-Landschaft, XP dagegen das Profil. Immer bezogen auf die Sphäre. Der Spiegel, den ich gewählt hatte, wies sehr unterschiedliche Deformationen auf: Krasse Fehler in der Mitte und ganz diskrete zum Rand hin. Dem abgewandelten Couder-Verfahren ist also erst zu trauen, wenn XP es schafft, die Feinheiten im Spiegel-Relief zeigt - hab ich mir gesagt. Und das tat es. Das sind die Bilder:
Das Licht kommt von links. Über den Berg in der Mitte braucht man kein Wort zu verlieren - den *muß* XP bringen. Was mich erstaunt hat, war der sanfte Abfall zum Rand hin. Daß der in XP zu sehen ist, hat mich sehr gewundert. Und ganz besonders gut finde ich, daß XP am Rand nicht mehr machen kann, was es will. Das äußerste Loch ist 2 mm von der Kante entfernt. Auf diese Weise zwingt man XP, wirklich bis zum Rand zu rechnen, statt zu extrapolieren und die Kurve je nach Lust und Laune hoch- oder runterzuziehen. Der Rand, den man hier zu sehen kriegt, ist tatsächlich der, den der Spiegel wirklich hat. Wenn man bedenkt, daß ein Stanzloch 6 mm im Durchmesser mißt und man so ein Loch mit der Spiegelkante abschließen lassen kann, präsentiert XP wirklich die äußersten mm. Bei normalen Couder-Masken hatte ich da immer meine Zweifel.
Ich behaupte hier nicht, daß jetzt für die Spiegelschleifer ein neues Zeitalter angebrochen ist. Ich habe erst zwei Meßreihen vorgenommen. Eigentlich kein Grund, sich gleich aus dem Fenster zu hängen. Aber die Ergebnisse sind für mich so überraschend, daß ich dachte, ein Erlebnisbericht müsse gestattet sein. Außerdem sind hier jetzt so viele neue Spiegelschleifer im Forum, daß man gar nicht früh genug auf Varianten hinweisen kann, die einem den Ärger vom Hals halten.
Ein paar Anmerkungen noch: Stanzen, verkleben, Serien schießen, pipettieren... Das klingt nach einem Tagesprogramm. Die erste Messung hat tatsächlich 3, 4 Stunden gedauert. Die zweite einschließlich Auswertung schon unter zwei. Der rein zeitliche Aufwand hält sich also im Rahmen. Was anderes ist es mit der Technik. Ohne Kamera geht es wohl nicht. Und die sollte schon ein paar Megapixel haben. - Ich hoffe, ich habe dem einen oder anderen ein paar Anregungen geben können - Karl