Gruess euch,
dachte mir, ich koennte meinen Beobachtungsbericht vom Wochenende noch posten, bevors mit den HTT-Berichten so richtig losgeht ... [:D]
Ort des Geschehens: Der Col des Mosses im schoenen Wallis auf ungefaehr ~1500m Seehoehe.
Instrument: Wie gehabt mein 10" f/4.5 Starfinder
Das mit dem Wetter ist ja bekanntlich so ein Hund (speziell in der Genferseeregion): Untertags kann da unten im Tal Nebel sein und in den Bergen strahlender Sonnenschein, aber es geht auch umgekehrt und ueberhaupt in jeder beliebigen Kombination. Insofern ist es schon ein gewisses Risiko, sich 1 1/2 h ins Auto zu setzen, ohne zu wissen, ob das Webcambild, das man sich vor der Abfahrt noch angeguckt hat, ueberhaupt noch Gueltigkeit besitzt ... Abgesehen davon, dass die 80er-Jahre-Party in der Genfer Innenstadt, die am Samstag abend stattfinden soll, doch einiges an Anziehungskraft besitzt.
Tatsaechlich: Wie ich am Col des Mosses ankomme, bin ich erstmal einigermassen enttaeuscht: Zwar ist im Zenit die Milchstrasse schon gut zu erkennen, allerdings haengt ueber dem gesamten Passuebergang eine deutliche Nebelglocke, von der auch mein Beobachtungsplatz nicht verschont bleibt. Zudem ziehen ab und an Nebelschwaden durch, die den Blick auf den Himmel vollends blockieren. Dass mir eine absolute Traumnacht bevorstehen wird, ahne ich da noch nicht ...
Nachdem die Bedingungen anfangs praktisch keine Beobachtungen südlich des Äquators zulassen, fällt mein ursprünglicher Plan, nach Sh2-68 zu gucken, erstmal ins Wasser. Stattdessen ein aufwärmender Blick auf Jupiter und ein kurzer Schwenk zu M 11 (der jedoch ziemlich unter den dunstigen Bedingungen leidet), bevor ich mich im südlichen Teil des Schwans auf Objektsuche begebe. Indes: Zwar geht der Footprintnebel <b>Mi 1-92 </b>noch recht gut (und zeigt schön seine beiden namensgebenden Lobes), und <b>PK 64+5.1</b> ist immerhin ein rötlicher Stern + schwacher, H-beta - tauglicher Nebelhülle, aber ansonsten ist Sense; wenn nicht einmal der hellste Teil von S 91 geht, dann hat es keinen Sinn, nach noch schwächeren Teilen des SNR zu suchen.
Beim Herumsuchen am Himmel (zwecks Inspiration) fällt mein Blick dann auf <b>M 31</b>, und ich beschließe, einmal zu gucken, was kugelsternhaufenmaessig heute so geht. Wie sich herausstellen sollte, eine gute Entscheidung ... justamend zu dem Zeitpunkt, als ich mich an die Beobachtung mache, verziehen sich die Nebelschwaden Richtung Tal, und die Grenzgroesse steigt im Laufe der naechsten paar Stunden dramatisch an.
Ich werd euch jetzt nicht mit Einzelheiten zu den gesehenen Objekten quaelen, deshalb nur ein paar Eckdaten zu den Beobachtungen in und um M 31:
- M 31 selbst zeigt sich bei 45x anfangs noch relativ kontrastarm, am Ende der Session aber detailreich und einfach spannend; das am Kern vorbeiziehende Staubband zeichnet sich kontrastreich vor dem hellen Hintergrund ab, NGC 206 ist nicht nur ein schwacher Schimmer, sondern eine deutliche Aufhellung in der Scheibe, und bei 235x zeigt sich der gesamte Galaxienkoerper v.a. im Kernbereich wolkig-flockig strukturiert. Super!
- insgesamt konnte ich 38 gesicherte Kugelhaufen und 3 Kandidaten ausmachen, womit ich bei nunmehr 42 gesehenen Objekten halte (MGC 1 an der Grenze zu den Fischen hatte ich schon vor ein paar Jahren vor dem Spiegel).
- Der schwächste identifizierte Haufen ist <b>G52</b> knapp W von NGC 206 mit einer V-Helligkeit von 15.69
- <b>Mayall 1</b> erscheint deutlich flaechig.
- Einige offene Haufen konnten ebenfalls identifiziert werden (<b>C 410</b>, <b>C202/203</b>) sowie eine HII-Region(?) in der
Assoziation <b>A 90 </b>unweit von G233
- Ebenfalls gesichtet: der KH <b>Bologna 516 </b>nahe der Grenze zur Cassiopeia. Hat den schon mal wer probiert?
Nach dem Kugelsternhaufenoverkill und ein paar Minuten genussvollen Umherschweifens am Himmel ein Kurzbesuch beim interagierenden Galaxienpaar <b>NGC 317AB</b>. Zwar hat es diese Paarung nicht in den Arp Katalog geschafft, der Anblick ist bei 235x aber trotzdem spannend: Die nördliche Komponente erscheint sehr kompakt mit mit hellem Kern, die südliche hingegen ist ausgedehnter und weist die Form eines etwas verbogenen Rhombus auf, der sich an seiner NW-Kante etwas in Richtung der Partnergalaxie kruemmt. Super!
Ebenfalls super kommen <b>NGC 185 </b>und <b>NGC 147 </b>rueber. NGC 185 erscheint bei 45x sogar richtig hell, und NGC 147 bleibt zwar ein blasser Schimmer, sticht aber bei genauer Kenntnis der Position sofort ins Auge.
Als naechstes auf der Speisekarte: der PN <b>Sh2-188</b>. Teleskop an phi Cas ausgerichtet, ein kurzer Blick auf den Bela-Lugosi-Haufen <b>NGC 457 </b>(von wegen Eule ... Dracula galore!), ein Schwenk nach Osten hin zum richtigen Sternfeld, OIII und ... verdammt, das Teil ist echt nicht leicht - mehr ein blasser, formloser Schimmer als eine Sichel ... zugegebenermassen nicht leicht, aber vor allem deshalb, weil die eingebetteten Sterne die Sichtung des Objektes doch einigermassen stoeren (wie letztens hier an dieser Stelle auch von Christian [Deneb] Vermerkt). Letztlich ist die Sichtung aber eindeutig, da der Schimmer auch dort zu finden ist, wo keine Sternchen stoeren koennen. Cool!
Als naechstes stehen einige Galaxien unserer erweiterten galaktischen Nachbarschaft am Programm. Sowohl <b>NGC 247 </b>als auch <b>NGC 253 </b>leiden jedoch unter der Richtung S noch nachweisbaren Himmelsaufhellung, weshalb Detailbeobachtungen ins Wasser fallen. NGC 247 zeigt sich als netter, aber nicht spektakulaerer, großer, relativ schwacher, stark elongierter Nebelfleck mit hellerem Zentrum und 9m Stern am Südende; NGC 253 kommt aufgrund der groesseren Absolut- und Flaechenhelligkeit da doch schon um einiges besser und erscheint groß, stark elongiert, mit hellem Zentrum und generell HELL. Nicht auszudenken, was bei dem Objekt bei WIRKLICH guten Bedingungen so alles geht! Der benachbarte Kugelsternhaufen <b>NGC 288 </b>hingegen zeigt sich bei 45x als grosser, blasser, grieseliger Fleck, der bei 175x einige Dutzend Sterne ab 13m offenbart. Im Gegensatz zu vielen anderen Kugelsternhaufen weist NGC 288 dabei allerdings keine auffallende zentrale Verdichtung auszumachen, weshalb die Sternverteilung relativ homogen, wenn nicht sogar leicht unregelmaessig wirkt. Sowohl IC 1558 als auch NGC 45 gehen hingegen fast vollstaendig im Dunst unter, weshalb ich mich wieder Richtung Zenit aufmache, um ein paar Photonen im Fuhrmann zu sammeln.
Nach ein wenig Umherschweifen bei Minimalvergroesserung stolpere ich ueber den Coma-Berenices-Sternhaufen-Lookalike <b>NGC 1893</b>, und ich beschliesse, ein wenig laenger dort zu verweilen; immerhin gibts dort ja mehr zu sehen als 'nur' Sterne ... also Nebelfilter rein und los gehts. Zwar kommt der Sternhaufen nun naturgemaess nimmer ganz so gut wie noch zuvor, dafuer dominieren nun aber die Nebelschwaden der umgebenden HII-Region <b>IC 410 </b>das Bildfeld. Die hellsten Teile des Nebels stehen dabei NW und S des Haufenzentrums, wobei der NW-Teil nierenfoermig erscheint und eine gut definierte S-Kante besitzt; zudem deutet ein diffuser Schimmer, der sich v.a. E des Haufens manifestiert, auf weitere Nebelteile hin. Ohne Nebelfilter ist bei 235x ausserdem die unmittelbar NE des Zentrums gelegene Globule als diffuser, rundlicher Fleck auszumachen (v.a. bei Bewegen des Fernrohrs).
Mittlerweile ist es spaet geworden, der waermende Tee wird schoen langsam alle, die Kaelte kriecht langsam, aber unbarmherzig ins Gewand und nach Hause will man ja auch noch ... aber ein Ding muss schon noch sein, naemlich der PN <b>PuWe 1</b>. Ueber NGC 2126 (einem kleinen, ganz okayen Haufen im N-Teil des Fuhrmanns mit ca. 20 erkennbaren Mitgliedern plus schwacher edge-on Galaxie ein paar Bogenminuten ENE) gehts in den E-Teil des Luchses. Ohne Filter ist auch bei 45x dort mal gar nix zu sehen, aber sobald der OIII Filter reingeschraubt ist, stellt sich - man haelt es nicht fuer man glaub es kaum - immer wieder dieses Gefuehl ein, dass da doch was is ... die formlose Aufhellung, der ich an der richtigen Stelle v.a. bei Bewegen des Teleskops begegne, ist ziemlich eindeutig. Ein bisschen Schwierigkeiten bei der Identifikation bereitet mir allerdings der Umstand, dass nicht nur der PN an sich im OIII glueht, sondern auch die unmittelbare Umgebung (!) des PNs zwar schwaecher als der PN an sich, aber doch irgendwie etwas heller als der Himmelshintergrund erscheint - womit ich absolut nicht rechne und was ich mir auch nicht ganz erklaeren kann, was sich aber auch bei genauer Nachsicht aber nicht leugnen laesst. Hat irgendwer von euch diesbezuegliche Erfahrungen?
Wie dem auch sei: mit diesem Objekt schliesst mein Beobachtungsabend. Bevor ich ins Auto steige und losduese, geniesse ich aber noch ausgiebig den Anblick des Sternenhimmels, der sich vor meinen Augen auftut - und so manche Ueberraschung bereit haelt. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich die winterliche Milchstrasse als Band von ungeahnter Breite, M 33 ist LEICHT als diffuser Fleck zu sehen, der Gegenschein eine deutliche diffuse Aufhellung im Bereich des westlichen Fisches, und sogar die Lichtbrücke vermeine ich ansatzweise zwischen den Fischen und dem Stier erkennen zu können. Eine voellig neue Erkenntnis fuer mich ist zudem der Umstand, dass es auch am Winterhimmel ein Pendant zum Great Rift der Sommermilchstrasse gibt: Zwischen Perseus und Taurus ist naemlich die Milchstrasse naemlich zweigeteilt ... Ebenfalls noch nicht bewusst gesehen habe ich den helleren Milchstrassenfleck etwas oberhalb von epsilon Persei, der mir in dieser Nacht erstmals auffällt. Wahnsinn ! Ich bin geplaettet ...
Womit aber wieder einmal bewiesen waere, dass man
a) nie auslernt, und
b) Astronomie einfach ein verdammt geiles Hobby ist.
ich nehme an, da werden mir ein paar von euch zustimmen ... [:D]
In diesem Sinne wuensche ich euch CS - & hoffe, dass es fuer euch in Hinkunft auch solche unvergesslichen Momente geben wird, wie ebenjener abschliessende Blick zum Sternenhimmel einer fuer mich war!
Matthias