Ein Spaziergang mit bloßem Auge und FG durch die Wolken und Dunkelnebel der Milchstraße vom Schwan bis zum Schützen.
Hallo Sternfreunde!
Seit Samstag dem 28.6.08 sind die Nächte hier im Allgäu alles andere als weiß, wenn auch kurz (aber jetzt immer länger werdend)!
Hier eine Zusammenfassung meiner letzten Beobachtungen ( von mehreren Nächten, der Teil über den NAN ist vom letzten Jahr)
Zu meinen spontanen, mehr oder weniger langen Beobachtungen, war ich meist nur am Südrand meines Dorfes, wo mein SQM-L meist um die 21,3 (Herkules, Krone, U Ma) hatte.
Ich habe das SQM erst seit kurzem und konnte bisher nur in einer Nacht die Bedingungen an meinem eigentlichen Beobachtungsplatz testen.
"Adelegg" (12 km von hier, bei Wiggensbach), ein Sennerhof auf 980 m ü. NN bot mir am Samstag den 28.6 laut SQM-L 21,5 (fst 6,4mag).
Ich war seither, bis auf die ein oder andere Gewitternacht, jeden Abend mit bloßem Auge, meinen 3 Ferngläsern und meinem 6" f/5 FH (ich nenne ihn "Matamalam" = "Nachtauge") unterwegs.
Bei den Ferngläsern handelt es sich um ein 5x32 ("Gaia") und 7x50 (bisher noch ungetauft) beide von Miyauchi, sowie ein 7x50 Fujinon ("Nero").
Seit über einer Woche an beiden Beo-plätzen fast jeden Abend das selbe Szenario:
Um Mitternacht (1 Uhr) tolle Zenitdurchsicht mit SQM-Werten um 21,30 - 21,50 (gemessen neben der Milchstraße im Herkules, Pegasus und Corona B., und gemittelt), der Sagittarius am Südhorizont aber meist nur noch bis Teekannendeckel deutlich. Alles was "darunter" liegt (M54,M55,M69, M70, M6, M7) war nur in wenigen Nächten deutlich, meist in Dunst gehüllt!
Ab Dekl. -25° erschien die Milchstraße (nennen wir sie "M Null",also "M 0") meist - wie abgeschnitten - aufzuhören! Knapp über dem Horizont dann "Wetterleuchten" (ferne Gewitter).
Oh, du Milchstraße, du bist mir, nach den mageren Nächten der Frühlingsgalaxien, herzlich willkommener Sommergast!
1. Die Milchstraße im Schwan
a.Der Nordamerikanebel (=NAN)
Auffallend ist eine helle Sternwolke östlich von Deneb. Sie ist jedoch ungefähr doppelt so groß, wie man nach Kartenansicht der Uranometria erwarten würde, da dort nur der Nordamerikanebel eingezeichnet ist. Es schließt sich aber östlich von 7000, nach einem
weiteren DN-Gebiet ein sehr heller Teil der Milchstraße an.
Ein Anfänger verirrt sich daher gerne etwas zu weit in den O, d.h. er
"übergeht" diesen HII-Komplex, von Deneb her kommend und irrt dannin der Milchstraße umher.
Hier nun eine Anleitung zum Auffinden des NAN:
Abgesehen davon, dass bei gutem Himmel (also ca fst6.2) der NAN etwas 4° östlich von dem Sommerdreiecksstern Deneb, bereits mit bloßem Auge gut zu sehen ist, findet man ihn am leichtesten mit einem FG. Einzig das hier recht helle Feld der Milchstraßensterne, sowie die starke Drehung des Schwans (Deneb ist zirkumpolar) erschwert die Abgrenzung und Orientierung.
Von Deneb schwenke man (s)ein "Standartfernglas" etwas nach SO, so dass Deneb außerhalb des Gf (im NW) steht.
Geht man von eine FG-Gesichtsfeld von ca 5-7° aus, so steht NGC7000 bereits mitten darin!Doch was sieht man zunächst?
Im W ein charakteristisches Sternpaar (56, 57 Cyg, beide etwa 5mag hell) und ein noch hellerer Stern sowohl im O (62 Cyg, goldfarben) alsauch im S (58 Cyg), beide mit 3mag die hellsten Sterne im Gf. 57 Cyg (blau!) steht in einer Dunkelwolke (LDN935), während der westliche 56 Cyg mehr oder weniger von Nebel (Pelikannebel) umgeben ist.
Die beiden hellen 3 mag-Sterne stehen in einem dunklen Bereich.
Man kann hier ein Gesicht sehen (im Atlas von Slawik übrigens auch ansatzweise, so habe ich überrascht festgestellt):
57 und 62 Cygni starren einen, wie Augen aus dunklen Höhlen an, während 58 Cyg den Mund des gleichschenkligen, nach unten weisenden Dreiecks bildet.
Darunter befindet sich ein Spitzbart: Ein gleichseitiges Dreieck aus fünf 6mag-Sternen ist mit seiner regelmäßig spitzigen Form erkennbar!
Die Dunkelgebiete um die Augen (blau und gelb) laufen nach oben (N) auseinander wie Hörner. Das Horn im W ist stärker gebogen und verläuft zu Deneb (bzw darüber hinaus), das im O ist nur etwas gebogen, aber ebenso als Horn zu erkennen.
Ich nenne diese Einstellung im 7x50 (7,5° Gf) "Das Teufelsgesicht".
Der NAN zieht sich zwischen den Augen als Dreieck von der Stirn herab, die Bucht des Golfes von Mexiko (der hellste Teil des NAN) liegt genau zwischen den Augen!
Über den Augen, schräg zur Stirnmitte hin, heben sich die beiden OH 6996 und Cr428 nur schwach aus der hellen HII-Region heraus.
Bei sehr klarem Himmel spielt hier ein 7x50 seine Lichtstärke voll aus: Der W-Rand des NAN ist, da zum DN hin, schärfer angegrenzt als der O-Rand.
Natürlich kommt der NAN in meinem 6" FH, "Matamalam" (=Nachtauge), in einem Gf von nur noch gut 3,3° und mit HII-Filter nochmals ganz anders, viel heller und größer zur Geltung!
b. Der Nördliche Kohlensack ("LDN 906" oder "?")
Welches ist nun der "Nördliche Kohlensack"?
R. Stoyans schreibt in seinem DSR:
"Auffallend ist eine helle Sternwolke östlich von Deneb und ein großes dunkles Gebiet nördlich davon, das auch (aber nur von Stoyan(!),oder sollte ich mich a täuschen) als >Nördlicher Kohlensack< bezeichnet wird."
Betrachtet man den SkyAtlas 2000.0, so wird das, was Stoyan meint, sehr deutlich: Ein 5° großer eiförmiger weißer Kleks (=DN) in mitten der Milchstraße (von Sadr= gamma Cygni über Deneb = alpha Cygni nochmals diese Strecke verlängert, erstreckt es sich von dort aus nach Norden)
Die restliche Literatur, die mir bisher in die Finger kam, ist sich aber einig, dass LDN 906 den "Northern Coalsack" darstellt (Touring the Universe through Binoculars, Uranom. 2000...), der Kohlensack also östlich von Deneb und Sadr (zw. diesen) liegt!
Welcher DN verdient nun eher die analoge Bezeichnung seines südlichen Bruders? Was meint ihr?
2. Das Great Rift bei Aquila
Im 5x32 fallen in Aquila die bekannten DN B 142/3 weniger auf, vielmehr eine riesige Dunkelwolke im W von diesen, wo das Great Rift, vom Schwan herkommend und westlich von Sagitta markanter werdend,nun als deutliches Loch um omega 1+2 Aquilae (=25Aquilae), sowie 28 und 29 Aquilae "zu Tage tritt" und sich sehr eindrucksvoll, sternleer, präsentiert.
In der Uranometria ist dieser, für meine Augen große DN-Komplex nur durch vereinzelte kleine Klekse (B 330-333, LDN 673, LDN 684) dargestellt.
Auch selbige Parzellierung dieses Abschnittes des Great Rifts konnte ich bisher noch nie nachvollziehen.
Vielleicht weisen diese Stellen ein, eine noch größere Opazität auf, als der Rest des Rifts, (welches dagegen aus der Uranometria ja leider nicht ersichtlich ist)?
3.Die Milchstraße im Ophiuchus
a. Der Seitenarm
Das Great Rift "teilt" die Milchstraße vom Norden, vom Schwan über Vulpecula herkommend. Im Adler wird dies richtig deutlich:
Ein Seitenarm zweigt nach W in den Ophiuchus ab. Der große, blasse IC 4756 steht neben dem kleineren helleren 6633 schön in diesem Seitenarm der Milchstraße. Beide sind mit bloßem Auge gut zu sehen, obwohl dieser Teil des Seitenarmes noch recht hell ist.
Es ist jedoch überraschend, wie weit der Seitenarm über 73, 70, 67, 68 Ophiuchi hinaus (in den S von beta Ophiuchi) in den Schlangenträger hinein reicht, dann nach S abzweigt und fast bis zum M 14 geht. Erst hier entsteht eine sichtliche Lücke dieses Milchstraßenseitenarms, welcher erst wieder bei 64 Oph (=ny) und 56 Ser (=omikron) auftaucht.
Die 2 hellen Sterne von Serpens cauda, eta und xi bilden mit ny Oph eine Gerade in NO-SW-Richtung und scheinen auf den ersten Blick nicht in der Milchstraße zu liegen.
Jedoch reicht der O-Rand des Hauptarmes recht nahe an eta und ny heran!
Der (südlichste) xi steht dagegen (wie auch eta Oph) in einem Milchstraßenoval, welches sich bei eingehenderer Berachtung eher als "9" präsentiert. Diese "9" ist etwas nach links (O) gekippt.
Folgende Sterne sehe ich darin:
Im NO: ny Oph, omikron Ser
Im W: ny Ser, eta Oph (= Sabik = südlichster Eckstern der Oph-Form)
Im S, in der Lücke welche die "9" gegenüber einem Oval "0" läßt die 3 Pfeifenkopfrandsterne c (51), b (44), und theta Oph (42).
Diese auslaufende "9", also deren unteres Ende, so scheint es mir, kratzt wieder die Kurve zum Hauptarm hin (bei M 8/20), verläuft also zw. M 23 und dem Pfeifennebel.
Im O dieses "Milchstraßen-"9"-Feldes", in der Lücke zum Hauptarm, steht also, gerade noch mit bloßem Auge erkennbar M23 in dem DN, dem Great Rift, im W der Pfeifennebelkomplex.
b. Der Peifen-Nebel
Die Ansicht des/Durchsicht zum Pfeifen-DN schwankt(e), da schon horizontnah, erheblich. Der Pfeifenstil war fast immer zu erkennen, der Pfeifenkopf selbst mal mehr, mal weniger deutlich.
Wichtig ist beim LDN 1773 ein großes Gesichtsfeld, um ihn in Kontrast zum hier doch recht schwachen Milchstraßenhintergrund zu bringen.
Die 13,2° GF des 5x32 sind nicht nur gigantisch sondern auch praktisch, da dieses GF genau 3/4 einer Uranometriadoppelseite (also deren Hochformat!) entspricht.
Ich nenne dieses Fernglas "Gaia", weil es für mich <b>das Milchstraßenglas</b> (für große Strukturen!) ist.
Aber für den Peifennebel langt auch schon das GF eines Standartfernglases (wie etwa ein 7x50), um ihn schön zu sehen!
Er ist durch die 4 hellen Sterne (36, 42, 44, 51 Ophiuchi) leicht zu finden, aber blieb bisher meinem bloßen Auge verborgen. Der Seitenarm des Oph. ist halt mehr oder weniger schwach und der DN auf ca. -25°!
Der waagrechte DN-teil (Pfeifenstil) ist meist (am besten) zu sehen, den Rest macht dann die Qualität der Nacht.
Laut (der neuen) Uranometria, S.146 steht theta=42 Oph nicht im DN des Pfeifenkopfes. Das kann ich nicht nachvollziehen, sehe es anders!
Deutlicher ist jedenfalls der Pfeifenstil, der bei 36 Oph beginnt und sich fast waagerecht nach O zum S-Ende des Pfeifenkopfes zieht.
Dort steht, auffällig einsam im DN, ein 6mag-Stern.
Die "Rauchwolken" (dürften wohl kaum so einzeln in diverse Barnards parzelliert, wie in der Uranometria angegeben, sichtbar sein, oder hat da jemand schon in super Nächten selbige nachvollziehen können?) sind wohl eine Herausforderung für sehr gute Nächte.
Als ich an einem der Abende, um halb zwei, nochmals den Pfeifenkopfnebel im FG betrachten will, - der Oph steht jetzt schon ziemlich tief im W - kann ich gerade noch den markantesten Teil, den Pfeifenstil erkennen.
Der Rest ist wie vom Dunst verschluckt! Der Beo.-zeitpunkt "um die Kulmination herum" ist also, in diesem Fall sehr wichtig!
(Durch die Vorbereitung meiner Beobachtung - einmal abgesehen davon, dass ich mir immer zuviele Objekte vornehme - mit e&t, beobachte ich die Objekte automatisch meist in Reihenfolge ihres Höchststandes! Nebenbei: Nur in absoluten Ausnahmefällen - wie Milchstraßenverlauf - schaue ich unter Polaris in den Norden, wobei meine Beo-plätze auch auf S geeicht sind!)
Auf den Schlangen-DN B 72 habe ich übrigens bisher noch nicht geachtet, wie ich gerade feststellen musste, aber es ist noch nicht aller Tage Abend....
4. Die Schildwolke
Die Wolke in Scutum ist ein auffallend heller Fleck des Milchstrassenhauptarmes zwischen Aquila und Sagittarius.
In ihrer Helligkeit liegt sie wohl zwischen der sehr hellen Wolke im Schwan und der weniger auffälligen im Adler, in unseren Breiten vergleichbar mit der Großen Sagittariuswolke.
Ich vermeinte M 11 zu sehen, bin mir aber nicht sicher, ob ich (in ihrer nördlichen Ausbuchtung, ein "u", also nach S ausgebuchtet) wirklich M 11 sehe, oder nur Milchstrassensterne.
Nach N durch einen DN-Komplex (B 110,B 111,B 113, B 320) schön abgegrenzt, erscheint sie hier am hellsten.
Weder B 108, noch B 112, noch B 118 kann mein bloßes Auge in ihr erspähen.
Nur noch eine kurze Anmerkung zu
5.Die helle Milchstraße mit ihrem Zentrum im Sagittarius
Auch kann ich die Breite des Milchstraßenbandes, wie sie im SkyAtlas eingezeichnet ist, nicht annähernd nachvollziehen.
So steht diesem nach das Sternbild "Sagittarius" voll in der Milchstraße, deren Rand vom Teekannenhenkel fast noch 10° weiter (!)
nach Osten (in 2 Farbabstufungen) reicht.
Das gibt mir zu denken! Sind meine Alpenvorlandhimmel zu schlecht für die schwächeren Milchstraßenteile (in diesem Fall der W-Rand des Hauptarmes)?
Wegen den wenigen Beo-nächten mit guter Horizontsicht, möchte ich jetzt (noch) nicht auf die Wolken des Sagittarius eingehen.
Resüme:
Gute Karten, Atlanten, Literatur, über die Milchstraße findet man nur schwer, über Dunkelnebel leider noch weniger.
Stiefkind M 0, und sein schwarzer Staub zählen nichts, taugen aber für schöne Fotos, derer es zu Hauf gibt (leider ist ausgerechnet das tolle Slawik-Milchstraßenposter vergriffen!)!
Zeit für eine Zeichnung!
Gruss und schöne, länger werdende Milchstrassen- (Sommer-) nächte! Helmut
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