In und um Herkules mit Ferngläsern

  • Da ich am Himmelfahrtstag mit insgesamt einem kleinen Bier Vorlieb nahm und am Abend beim „Chill-out“ mit meiner Frau vor dem Haus die abziehenden Wolken und die dazwischen hervorlugenden Sterne bewundern konnte, war klar: heute geht noch was!


    Da mein Heim mir zwar die Sicht auf einen Großteil des Himmels versperrt, ich aber einen wärmenden Ofen, eine Toilette und evtl. fehlendes Astrozeugs in der Nähe habe, muss ich mir jedes Mal schon genau überlegen, was ich überhaupt sehen kann – und das waren diesmal die „Reste“ des Haares der Bereinike, Bootes und v.a. der Herkules. Am Start waren diesmal „nur“ ein freihändig gehaltenes 10x50 und ein 20x80 auf Schuterstütze, die „Light“-Variante zur Orientierung, wenn ich lange nicht in einem Gebiet gewildert oder wenig Zeit habe oder einfach etwas entspannter rumschauen möchte.


    Los ging es mit zwei Kugelsternhaufen-Paaren:
    Etwa 3-5 Grad östlich von M 3 liegt NGC 5466, das einzige DS-Objekt in Bootes, welches für kleinere Ferngläser machbar ist, allerdings wollte er sich im 10x50 gar nicht zeigen bzw. war das eventuell vielleicht indirekt ein Schimmer – also nicht sicher! Im 20x80 war er direkt als formloser Nebel zu erkennen – er ist also da!


    Dann einmal wieder zu M 53 und seinem Nachbarn NGC 5053, an dem ich mir schon mehrmals die Zähne ausgebissen habe. Bei einer Grenzgröße, die ich inzwischen mit 5,7 mag in UMa (konservativ) bestimmt hatte, machte ich mir auch keine Hoffnungen, aber es gibt so Objekte, die werden mit der Zeit zu einem Fetisch. Kennt ihr das? Es gibt laut Deep-Sky-Liste der VdS-Fachgruppe eine positive Sichtung mit 80mm, also trotzdem gucken, wenn auch wieder ohne Erfolg. Aber man bekommt ein Gefühl für die Lage des Objekts und in der Nacht der Nächte muss man nicht mehr lange in der Uranometria blättern – ich sag euch Bescheid, wenn es mal soweit ist!


    Da die Nördliche Krone zwar ein sehr schönes Sternbild ist, aber leider auch nix für Ferngläser zu bieten hat (außer ein paar Veränderlichen und Doppelsternen, aber letzteres wird ein anderes Projekt – und dazu sollte man schon ein „richtiges“ Stativ benutzen), ging es weiter zum Muskelmann.


    Da ich im letzten Jahr schon ausgiebig mit meinem 8x30 gesucht und gefunden hatte (neben M 13 und M 92 auch noch Dolidze-Dzimselejsvili 8 und 9), waren diesmal v.a. die damals nicht erreichbaren DoDz-Haufen auf auf dem Speiseplan.


    Ganz in der Nähe von M 13 sind DoDz 5 und 6 verzeichnet. Letzterer soll nur wenige Bogenminuten nördlich von M 13 liegen, ließ sich aber nicht identifizieren. In beiden Ferngläsern sah ich nur ein Sternendreieck, wohl gehört einer dieser drei zum Haufen, zumindest lässt die Uranometria diesen Schluss zu. Aber von einem Haufen keine Spur. (Ein typischer Fall, wo eine Katalogrecherche sinnvoll wird.) Also zum nächsten. DoDz 5 – nur wenige Grad westlich von M 13, ist schon im 10x50 ein länglicher Nebelschimmer, in dem beim indirekten Sehen einige Sterne aufblitzen.
    Im 20x80 ergibt sich kein wesentlich anderer Eindruck, etwa 5-6 Sterne lassen sich indirekt halten.


    Noch ein Wort zu M 13: nachdem ich im letzten Jahr nur mit maximal einem 10x50 auf ihn geschaut hatte, abgesehen vom Blick durch fremde Geräte bei irgendwelchen Treffen o.ä., war ich vom gleißend hellen Anblick im 20x80 begeistert. Als relativer DS-Anfänger vor einigen Jahren fand ich den im Achtzoller nicht so umwerfend… Also, wenn Öffnungsfieber droht: einfach mal zurückschrauben und ein Projekt mit dem Zweit- oder Drittgerät, das ja viele haben, durchführen.


    Wie am Anfang der Beobachtungsnacht stand ein (jetzt Herkules-)Kugelsternhaufen auf dem Plan, NGC 6229. Im 10x50 war er indirekt schon zu sehen, allerdings nur punktförmig, maximal als etwas „ausgefranster“ Stern. Im 20x80 dann bekam er Fläche und zeigte sich direkt als typischer runder KH.


    DoDz 7 findet sich ganz im Süden des Sternbilds unweit von Ras Algheti. Im 10x50 war der Offene Sternhaufen nur ein indirektes schwaches Leuchten, im 20x80 dagegen zeigten sich 3-4 Sterne vor einem nebligen Schimmer, wenn auch eher indirekt als direkt.


    Zum Abschluss gab es als Reminiszenz an das tolle PN-Projekt von Uwe und Daniel noch den hellsten PN im Herkules: NGC 6210. Selbst m 10x50 war er direkt gut zu sehen – im Bett fiel mir ein, dass ich ja mal mit dem 8x30 hätte draufhalten können. Beim nächsten Mal.
    Auch im 20x80 zeigte sich natürlich keine Fläche, der ist ja laut Deepskyliste auch nur 0,2 Bogenminuten groß. Aber irgendwie schimmerte er nicht so weißlich wie die Nachbarsterne, sondern dunkler, so… vielleicht bläulich??? Ihr kennt das, man weiß, was man sehen müsste/könnte/wollte… und manchmal sieht man das auch. Aber alles nur Einbildung?


    Inzwischen war es viertel drei, meine Frau schaute entnervt nach draußen, weil der Jüngste eingepullert hatte und das Bettzeug zu wechseln war… back to reality und gute Nacht!

  • Hi Kay,


    Deine Spechtelberichte sind immer wieder lesenswert.
    Angeregt durch Deine Berichte greife ich doch mal öfter zu meinem 10x50 Skymaster und spaziere damit über den Himmel.


    CS Rüdiger

  • Hallo Kay!


    Mal wieder ein sehr lebendiger, und äußerst kurzweilig zu lesender Bericht von Dir! Ganz besonders aber freut mich, dass Du nach all den üblen Aktionen der letzten Monate wieder (oder besser: nach wie vor) mit altbekannter Begeisterung an den Linsen Deiner Gläser klebst - da nehmen wir uns ja beide nicht viel [:D]!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Astrominimalist</i>
    <br />Auch im 20x80 zeigte sich natürlich keine Fläche, der ist ja laut Deepskyliste auch nur 0,2 Bogenminuten groß. Aber irgendwie schimmerte er nicht so weißlich wie die Nachbarsterne, sondern dunkler, so… vielleicht bläulich??? Ihr kennt das, man weiß, was man sehen müsste/könnte/wollte… und manchmal sieht man das auch. Aber alles nur Einbildung? <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Den NGC 6210 hatte ich in "unserer Ausnahmenacht" im Kalletal auch an Daniel's 16"er beobachtet. Dort erschien mir der PN klar ins grünliche zu tendieren, während ich an meinem 10"er (allerdings in einer anderen Nacht und vom heimischen Garten aus) eher den Eindruck eines bläulichen Schimmers hatte. Scheint wohl auch öffnungsabhängig zu sein, vielleicht liegt's auch an den äußeren Bedingungen oder an der zum Zeitpunkt gegebenen Physis. Ich denke eher nicht, dass die blaue Färbung in Deinem 80er auf Einbildung oder auf "Wunsch als Vater des Gedanken" [;)] beruht, wirste wohl tatsächlich gesehen haben...[8D]

  • Hallo Kay,


    cool ... ein Beobachtungsbericht von Dir. Freut mich, dass Deine Motivation wieder zurueckgekehrt ist !!!


    ( und dann auch noch Dolidze-Dzimsheleishvilis beobachten - geil. Ich liebe diese obskuren Dinger ! )


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Ganz in der Nähe von M 13 sind DoDz 5 und 6 verzeichnet. Letzterer soll nur wenige Bogenminuten nördlich von M 13 liegen, ließ sich aber nicht identifizieren.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Der DoDz 6 ist im wesentlichen ein kleiner (3') Knoten aus 5 Sternen 9 mag und schwaecher - also kein Wunder, dass Dein 10x50 da nicht viel zeigt. Mit dem 20x80 solltest Du die Sterngruppe aber aufloesen koennen !


    beste Gruesse,


    Matthias

  • Hallo Kay,
    mal wieder was ganz feines von dir, liesst sich wie immer sehr schön[:)]


    Das wäre was, wenn Du den NGC 5053 sehen könntest! Gross genug wäre er ja schon. Ich denke, dass Du dafür aber einen deutlich dunkleren Himmel benötigst, nach meiner Erfahrung gehts bei guten 6mag los und die Sichtung hängt wohl fast nur von der Qualität des Himmels ab...
    Dann halte uns bitte auf dem Laufenden, denn ich finde, dass der NGC 5053 für Ferngläser wohl doch schon zu den absoluten Hardcore-Objekten gehört...


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Zum Abschluss gab es als Reminiszenz an das tolle PN-Projekt von Uwe und Daniel noch den hellsten PN im Herkules: NGC 6210. Selbst m 10x50 war er direkt gut zu sehen – im Bett fiel mir ein, dass ich ja mal mit dem 8x30 hätte draufhalten können. Beim nächsten Mal.
    Auch im 20x80 zeigte sich natürlich keine Fläche, der ist ja laut Deepskyliste auch nur 0,2 Bogenminuten groß. Aber irgendwie schimmerte er nicht so weißlich wie die Nachbarsterne, sondern dunkler, so… vielleicht bläulich??? Ihr kennt das, man weiß, was man sehen müsste/könnte/wollte… und manchmal sieht man das auch. Aber alles nur Einbildung?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Nein, das war wohl keine Einbildung. Nach NGC 6572 (hast Du den schon probiert?) ist NGC 6210 wohl einer der intensivst eingefärbten PN. Mit 16" empfand ich die Farbe als intensiv türkis-grün aber über die wahrgenommene Farbe lässt sich ja bekanntlich streiten[;)] Auf jeden Fall denke ich, dass Du tatsächlich Farbe wahrnehmen konntest!


    Probier mal NGC 6572 und vielleicht direkt danach noch mal NGC 6210! Mich würde sehr interessieren, ob die "Farbigkeit" etwas unterschiedlich ausfällt...


    Viele Grüsse,
    Daniel

  • Hallo Leute,
    vielen Dank für eure Reaktionen:


    Uwe: Du bist ja selbst ein ganz fleißiger FG-Beobachter. Ich denke nur an die vielen Einträge in der Deepskyliste. Und eigentlich bist du mit dem 8x24 der wahre Minimalist!


    Rüdiger: So ein bisschen ist meine Motivation, ander zu animieren, selbst BBs über Fernglasbeobachtungen zu schreiben, damit ich was interessantes zu lesen habe. Also, tu den zweiten Schritt!


    Mathias: Leider macht mir das Wetter zu schaffen, so dass ich nur noch einmal draußen war in diesen tollen Nächten - allerdings in der beginnenden Morgendämmerung. Ansonsten war ich abends immer so fertig, dass ich mich aufs Bettchen freute. Und jetzt habe ich ja den Mond als Ausrede...


    Matthias: DoDz 6 muss ich mir noch genauer vornehmen. Aber mit Schulterstativ, einem geunden Misstrauen gegenüber den OH-Positionen in der alten Uranometria und dem Nichtwissen, was mich genauer erwartet, war nicht viel drin - auf den ersten Blick jedenfalls nicht.
    Gibt es einen Kronberger-OH o.ä., den man mit FGs erreichen kann?


    Daniel: Der NGC 6572 hatte sich hinter hinter unserem Kirschbaum versteckt, ist aber vorgemerkt, auch weil er OdS im Interstellarum wird - und weil ich jetzt PNs "smmele"!

  • Ein Nachtrag noch:
    habe letzte Nacht bei suboptimalen Bedingungen von GG ca. 5,5 mag kurz nach den PN geschaut: NGC 6210 und auch 6572 sind indirekt selbst im 8x30 sichtbar, allerdings ohne Strukturen und Zentralstern ;)
    Auch im Großfernglas zeigt sich ein ähnlicher Eindruck zwischen den beiden: die oben beschriebene "dunkle" Färbung kann auch bei NGC 6572 erahnt werden, allerdings auch nicht eindeutig und überzeugend.

  • Morgen Kay,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Astrominimalist</i>
    Matthias: DoDz 6 muss ich mir noch genauer vornehmen. Aber mit Schulterstativ, einem geunden Misstrauen gegenüber den OH-Positionen in der alten Uranometria und dem Nichtwissen, was mich genauer erwartet, war nicht viel drin - auf den ersten Blick jedenfalls nicht.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ja, das kenn ich. Grad bei den Dolidzes und artverwandten Dingern sind die teilweise echt kacke. Abgesehen davon, dass gar nicht alle drinnen eingetragen sind !


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Gibt es einen Kronberger-OH o.ä., den man mit FGs erreichen kann?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    OH gibts nur einen, und der steht im Fuhrmann ... gibt aber ein paar Asterismen am Sommerhimmel, die was hermachen koennten.
    zB der:


    Kronberger 56 20 30 24 +34 52 30 16.0'


    und ein Teil, das ich auch auf meiner Liste hatte, aber die Erstbeschreibung verpasst hab:


    Alessi-Teutsch 11 20 16 26.4 +52 06 00 26.4'


    beste Gruesse & weiterhin viel Spass beim Gucken!


    Matthias

  • Hi Kay!
    Schön, dass Du das mit dem Vergleich zw. 6210 und 6572 mal versucht hast! Schade, dass da kein Unterschied in der Einfärbung festzustellen war. Dann scheint dein FG wohl die Untergrenze zu sein, um überhaupt Farbe wahrnehmen zu können, für eine Unterscheidung reichts anscheinend noch nicht. Mit 16" (und auch deutlich weniger) erscheint mir 6572 intensiv hellblau, während 6210 grellgrün daher kommt... mit meinen Augen zumindest.


    Weitere Interessante Kandidaten wären noch NGC 6543, 7662, 6818, 1535, IC 418, IC 4593, wobei ich die alle nicht so farbig empfand wie eben NGC 6210 und 6572... Du brauchst definitiv noch ein 20x100 oder so[:D][8D]


    Viele Grüsse,
    Daniel

  • Hallo,


    dies ist mein erster Beitrag hier in diesem Forum und ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Ein sehr schöner, lebendiger Bericht!
    Als begeisterter Bino-Viewer hat es mich überrascht, wieviel in den ansonsten recht objektarmen Sternbildern Herkules und Bootes usw. eigentlich mit solchen Geräten doch machbar ist. Eigentlich waren die bei mir schon 'abgehakt'. NGC 5466 muss ich mit meinem 15x60 unbedingt mal ausprobieren; NGC 5053 hatte ich vor Jahren schon mal mit einem TAL 110-Newton versucht, war aber bei unterdurchschnittlichen Bedingungnen gescheitert. Von den genannten DoDz-Haufen bei M 13/ im Herkules wusste ich bisher überhaupt nichts - auch die wandern jetzt auf meinen Beobachtungszettel! In den Antworten klingt etwas von falschen bzw. ungenauen Karten-Positionen dieser Haufen durch. Welche Karte ist denn in diesem Fall die zuverlässigste?
    Danke also für die netten Beobachtungshinweise. Sobald der Neumond sich wieder nähert, das Wetter mitspielt und sich meine durch einen La Palma-Urlaub heraufgeschraubten Ansprüche wieder etwas abgesenkt haben bin ich wieder auf der Platte.
    Grüße & Clear Skies,


    Bernhard

  • Hallo und willkommen Bernhard,
    schön, dass dich dieser Beobachtungsbericht motiviert zu eigenem "Nachsehen". Für mich ist die Recherche in diversen Büchern/Listen/Zeitschriften mit der Zeit schon so eine Macke geworden: immer mal noch weitere Objekte für kleine Optiken ausgraben: nach den Messiers (die jeder kennt) unbekanntere NGCs (wie eben NGC 5466 oder 5053), dann weitere Kataloge, v.a. von offenen Sternhaufen (wie eben die DoDz), inzwischen reizen mich Planetarische Nebel im Fernglas. (Was kommt dann noch - Quasare?)
    Die Genauigkeit von Karten/Atlanten ist ein Thema für sich. Die neue Uranometria soll besser sein, aber ich kenne mich da nicht so aus. Bei OHs ist auch eher das Problem der Zuordnung da: welche Sterne gehören zum Haufen, welche nicht... und da ist genauere Recherche nötig.

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