Man kann über die schiefen Dinger denken was man will. Der beste zu einer fundierten Meinung wäre durchsehen. Leider gibt es dazu nicht so viele Gelegenheiten. Man muss sich also irgendwie anders helfen. Mit etwas Grundkenntissen in Sachen „schiefer“ Optik kommt man auf allerlei weitere „krumme“ Gedanken. Nur so vor mich hin denken halte ich nicht lange aus. Also hab ich experimentiert.
Zur Theorie nur wenige Sätze:
Das erklärte Ziel des Schiefspiegelei ist es, die Obstruktion des Fangspiegels im Strahlengang zu beseitigen, weil selbige böswilligerweise den Kontrast in summa negativ beeinflusst, einige meinen sogar total verstümmelt. Das ist natürlich nicht so gut für Planetenbeobachtung. Es nützt gar nix, wenn man z. B. mit der MTF nachweisen kann, dass bei einem „planetenoptimierten“ Newton mit sagen wir mal 12 %– 15% Obstruktion nicht mehr wahrnehmbare Kontrastminderung... Aber lassen wir das mal, glaubt ohnehin kein vernünftiger Praktiker. Wenn man einen halbwegs handhabbaren Spiegel so kippt, dass das einfallende Licht am FS vorbeifließen kann, gibst natürlich keine Obstruktion, dafür aber hundsgemeine Abbildungsfehler, Koma Astigmatismus genannt. Zum Glück kann man das aber mit Hilfe weiterer Spiegel, und/oder Linsen wieder so hinspiegeln/brechen, dass diese Fehler verschwinden. Dazu gibt es ungezählt viele Lösungsmöglichkeiten. Mit gefallen aber nur solche, bei denen man nicht allzu viele Zusatzspiegel/Linsen verwenden muss. Das hat z. B. Anton Kutter vorgemacht. Bei kleineren Öffnungen so bis ca. 4“ geht das allein mit einem sphärisch- konkaven HS und einem kleineren konkaven FS, der exaktgenau den gleichen Krümmungsradius hat. Das ist natürlich genial einfach und funktioniert nachweislich ganz ausgezeichnet, wenn man einen 4“ Kutter auf f/20 oder lichtschwächer auslegt .
Weil Koma und Astigmatismus des schief stehenden HS nicht gleichzeitig mit nur einem einzigen zusätzlichen sphärischen Spiegel zu beseitigen sind, muss man bei größeren Öffnungen ein weiteres Korrekturmittel einfügen. Kutter benutzte dazu eine astigmatische Linse. So etwas gefällt mir besonders, weil man ähnliche Linsen dieser Art bei jedem Brillenoptiker fast geschenkt bekommt.
Als fauler Mensch muss man mehr denken um ein Ziel zu erreichen, so sagt man. Manchmal gelingt mir das. Also ich dachte nach, wo denn vielleicht „fertige Arbeit“ bei mir herumliegen könnte. Mein Verständnis der Theorie sagte u. a. dass es keineswegs verboten ist einen relativ kurzbrennweitigen Parabolspiegel schief aufzustellen, dessen Koma mit Hilfe eines konvex- hyperbolischen Fangspiegels auszubügeln und den Rest an verbleibenden Astigmatismus mit Hilfe eines Brillenglases mit „Zylinderkorrektur“ zu beseitigen. Der große Vorteil: nach diesen Utensilien brauchte ich nicht lange zu suchen. Sie lagen bei mir herum!
Der HS ist mein guter alter (33 Jahre alt) 8“ f/5 Parabolspiegel. Den FS hab ich vor zwei Jahren für mein 10“ Silbercassi geschliffen. Da letzteres aber zu einem Helio- Newton mutiert ist, staubte der FS vor sich hin. Dann fand ich noch eine meiner ältesten Brillen mit Zylinderkorrektur. So entstand der erste Versuchsaufbau.
Die „Anlage“ wurde in meinem Garten einen künstlichen Stern in ca. 25m Entfernung eingerichtet. Der HS ist auf 6“ abgeblendet.. Durch mehrtägige systematische Abstands- und Neigungänderung der 3 opt. Elemente gelang tatsächlich eine nahezu perfekte Abbildung des künstlichen Sterns im Fokus. Auch von sphärischer Abberation konnte man so gut wie nix erkennen. Ebenfalls hocherfreulich: die Korrekturlinse produzierte keinen sichtbaren Farbfehler.
Das machte Mut zum Bau eines astro- tauglichen Laborversuchsmusters. Das alte Brillenglass hab ich bei einer Augenoptikerin vermessen lassen und zwei Gläser mit nur Zylinderkorrektur (0,5 und 0,75 Dioptrien) bestellt. Es dauertes etwas, bis ich die Gute davon überzeugen konnte, dass diese Gläser nicht auf meine Nase sondern für ein Spezialteleskop gedacht waren und hier die am Musterglas gemessene +Korrektur nicht erforderlich ist.
Das nächste Bild zeigt die nächste Ausbaustufe.
Der schwarze Teil des Tubus ist axial verschiebbar und um die Tubus- Achse drehbar. Der Tubus insgesamt ist in einer Ebene schwenkbar. Im hinteren Bereich sitzt die ebenfalls dreh- und verschiebbare Korrekturlinse. Selbstverständlich sind die beiden Spiegel in feinjustierbaren Fassungen gelagert.
Nach den Übungen mit dem ersten Versuchsaufbau konnte man relativ schnell die optimalen Einstellungen finden. Zur Kontrolle hab ich noch mit 16“- „Pünktchen“ off axis auf ca. 6“ abgeblendet beobachtet.
Als Testobjekt diente ein Weidenzaun in ca. 1200 m Entfernung. Zwischen Versuchaufbau und dem Zaun liegt ein breites Tal. Das hatte den Vorteil, dass das bodennahe seeing trotz Sonneneinstrahlung noch brauchbar war. In ruhigen Phasen konnte man die Stacheln des Drahtes und die Grashalme zählen. Das Bild, aufgenommen mit einer Webcam zeigt das nicht ganz so deutlich.
Heute früh gegen 0 Uhr 30 war dann endlich FL! Wegen Bodennebel sah man zunächst nur den Mond und Mars hinreichend hell. Nach einer Korrektur des Linseneinstellung konnte man sogar von einer fast scharfen Abbildung sprechen. Es musste aber noch deutlich Koma korrigiert werden. Das gelang dann eine Stunde später durch Justage des HS, als der Nebel sich genügend verflüchtigt hatte. Als Teststern diente Capella. Hier zeigte sich die Lagerung der K-Linse als nicht hinreichend feinfühlig und stabil. Das ist aber behebbar. Zurück zum Mars und Mond. Die Bilder waren in der Schärfe jetzt nur noch seeig- begrenzt.
Wegen extrem hoher Luftfeuchte an den noch ungeschützten Holzteilen brach ich die Beobachtung ab. Heute wurde alles zerlegt lackiert. Mit Ungeduld warte ich auf die nächste hoffentlich bessere Beobachtungsnacht. Dann werde ich selbstverständlich Parallel- Beobachtungen mit dem „Schiefen“ und Quarzmonster machen.
Zum Abschluss noch einige Fotos vom einatzfähigen Teleskop auf der provisorischen Montierung. Deren Polarachse mit Lagerung und Antrieb ist ebenfalls so alt wie der HS. Bis ca 50° Deklination kann man noch einigermaßen bequem ohne Zenitspiegel/Prisma beobachten.
Das letzte Bild zeigt die experimentell ermittelten Hauptmaße des Systems. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bereits ähnliche Versuche gemacht worden sind. Für entsprechende Infos wäre ich sehr dankbar. Ich meine nicht die für meine Begriffe etwa "überspiegelten" Multi- Schiefspiegler. Natürlich kenne ich bereits die Theorie der YOLO- Systeme und werde wohl bald die Gelegenheit zur prakischem Kennenlernen haben. Daniel Steiner, Yolo- Selbstbauer hat mich dazu in die Schweiz eingeladen.
Gruß Kurt