Gestern war ich beim Lidl und habe mir eins von den im vorigen Jahr noch unter dem Maede Label vertriebenen und recht beliebten Ferngläsern gekauft und wie folgt getestet. Als Vergleich und Referenz hatte ich mein 10x50 CZJ Dekarem sowie ein ur altes 10x50 Revue:
<b>Hersteller Angaben:</b>
- Bresser 10x50 Fernglas mit BaK4 Prismen und LE Okularen
- Voll vergütet, blau
- Sehfeld: 114 m auf 1.000 m
<b>Eigene Messungen:</b>
- Gewicht: 870 g
- Austrittspupille: 4,7 mm (mit Messschieber auf +-0,2 ermittelt), kreisrunde Pupillen. Die rechnerischen 5 mm werden fast erreicht, also keine nennenswerte Vignettierung des Strahlengangs
- Interpupillenabstand Verstellbereich: 57,5-72,5 mm
- Freier Objektivdurchmesser: 50,0 mm
- Durchmesser der Augenlinsen: 22 mm
- Scheinbares Gesichtsfeld der Okulare: 68° (Gemessen mit der "Griechischen Methode")
- Stativgewinde vorhanden
- Drehbare Augenmuscheln (das Meade vom letzten Jahr hatte umstülpbare)
- Fernglasmittelteil aus Alu, Objektivtuben aus Kunststoff
<b>Meine Beurteilung:</b>
++ Preis Leistung: Unglaublich was man für kleines Geld bekommt. Um Lichtjahre besser als die Schrottferngläser die ich sonst bei Discountern gesehen habe. Auch die meisten Ferngläser der 70-100 Euro klasse die man so in Kaufhäusern findet, gefallen mir ehrlich gesagt kein Stück besser.
+ Schärfe und Kontrast auf der Achse. Fällt gegenüber dem Zeiss ab, aber wesentlich schärfer als mein altes Revue.
+ Schärfe außerhalb der Achse: Deutlich mehr Farbsäume im Vergleich zum Dekarem, Farbkorrektur aber besser als das Revue. Feldschärfe unter den Sternen sehr brauchbar.
++ schönes gut überschaubares Weitwinkel Gesichtsfeld, das macht Spaß. Gesichtsfeld am Himmel nur klein wenig (vielleicht 5%-10%) kleiner als das Zeiss Dekarem. Schattenbildung (Kidney Beaming) wenn man mit den Augen zu nahe rangeht, aber mit den Drehmuscheln noch zufriedenstellend einstellbar
+ Augenabstand (eye relief). Ausreichend, um das schöne große Gesichtsfeld mühelos zu überblicken. Ob's für Brillenträger auch reicht, kann ich nicht sagen
+ Parallelität der Strahlengänge. Ich habe im Laden 2 Stück ausgepackt, waren beide in Ordnung
+ Durchlass: Sterngrenzgröße Nachts fast so gut wie beim Zeiss Dekarem (ca. 0,3 mag weniger)
+ Ausreichend stabile Brücke
o Farbreinheit: Deutlich gelbstichig im Vergleich zum Dekarem. Am Himmel erscheinen die Sterne etwas "wärmer", aber noch ok. Wesentlich besser als die Schrottgläser mit sog. "Rotvergütung".
o Mitteltrieb: Etwas grob übersetzt, ich komme aber damit zurecht
o Gehäusestabilität: Nicht so stabil wie hochwertigere Gläser, fällt aber auch nicht gleich auseinander. Für den Preis kann man hier wohl nicht mehr erwarten
- Reflexe: Glänzende Objektivtuben, recht uneffektive Vergütung. Stark aufgehellte Umgebung der Austrittspupille, beim Blick von hinten gegen eine helle Wand. Deutlich mehr Reflexe (Geisterbilder) um Straßenlaternen als beide Vergleichsgläser.
- Dioptrieneinstellung: schwergängig, recht billig gelöst, aber nicht sooo schlimm, das verstellt man ja nicht dauernd.
- Interpupillenabstand: Zu geringer Verstellbereich. Ich musste per Dremmel das Scharnier auffräsen, jetzt geht es ab 55 mm, ich selbst habe 56 mm Pupillenabstand
- - Gummiarmierung: Penetranter Gestank des Gummis am gesamten Körper und Augenmuscheln. Dies wurde in Lidl 10x 50 Fernglas stinkt bereits diskutiert. Nach Gebrauch musste ich mir die Hände waschen, pfui!
Beobachtung gestern Abend bei stark aufgehelltem Stadthimmel (Grenzgröße ca. 4,8 mag, Laternen): Auf einem Stativ geschraubt konnte ich Jupiter als kleines Scheibchen mit 3 Monden erkennen. Ab ca. 1:00 Uhr MESZ gesellte sich auch der 4. Mond (Jo) hinzu. Er war ganz nahe am Jupiter auszumachen. Das Zeiss Dekarem zeigte den Jupiter deutlich weißer, etwas schärfer und den Mond einfacher. Im Revue war Jupiter fast 3x so groß aufgeblasen, keine Chance darin Jo auszumachen. Die Grenzgröße bei schwachen Sternen war fast so gut wie im Zeiss, vielleicht 0,3 mag weniger. Das Revue zeigt aber wegen der schlechteren Schärfe noch weniger schwache Sterne. Das Gesichtsfeld des Lidl erfrischend groß und gut überblickbar, das macht richtig spaß. Vor allem beim Wandern durch den Stenhimmel schätze ich das sehr, ich mag kein Tunnelblick. Die Randunschärfe ist nur etwas größer als beim Dekarem, aber bei Freihandbeobachtung meiner Meinung nach nicht störend, da man ja sowieso das Objekt immer zentriert. Ein schöner Anblick war Saturn (nur als Stern) neben M44. Aber auch M13, M92, M81/82 waren leicht als flächenhafte Objekte auszumachen. Sogar den Ringnebel M57 konnte ich als blasses Sternchen auffinden (bei der Vergrößerung nicht von den Sternen zu unterscheiden, man muss also wissen, welcher es ist). Bei M65/66, M51 oder M101 hatte ich im Stadthimmel aber keine Chance. Außer M101 gingen diese erst im 105 mm Newton Finder. Was mir nicht gefiel, waren die vielen Reflexe durch die Laternen. Das sollte aber unter besseren Beobachtungsbedingungen kein so großes Thema sein.
Fazit: Für Einsteiger, Gelegenheitsgucker, oder Leute, die gerne so was immer dabei haben wollen, um sich am Himmel zu orientieren, über die Milchstraße zu fahren, sehr zu empfehlen, wenn man den Gestank erträgt (der ja vielleicht nach einiger Zeit auch nachlässt? – so hoffe ich jedenfalls). Wenn ich bedenke, dass bereits eins meiner Okulare das 15 bis 20-fache kostet[8)].
Mich würden weitere Einschätzungen interessieren. Ihr habt doch bestimmt in Scharen den Discounter gestürmt.
Weitere Berichte siehe auch:
- Lidl 10x 50 Fernglas stinkt
- Mal wieder Lidl - Fernglas und Kompass