Hallo Michael und Birki,
da hab ich Euren Diskurs entdeckt und mit Spannung gelesen. Nun komm ich aber doch nicht herum, meine Meinung kund zu tun. Ich denke, das hier einige Sachen missverständlich und im Sinne des optischen Verständnis korrigiert werden müssen.
Gehen wir mal von einem idealen (fehlerfreien) Teleskop im Weltraum aus:
Das Fokalbild befindet sich für Objekte im Unendlichen (Sterne) im Abstand der Brennweite der Linse bzw. Spiegels. In der Näherung der geometrischen Strahlenoptik kann nach der allg. bekannten Linsengleichung die Bildgröße in der Brennebene berechnet werden. Da die Linse nicht einen unendlich großen Durchmesser hat, müssen die Welleneigenschaften des Sternenlichtes in die Überlegung einfliessen. Die physikalische Optik verwendet dazu den Begriff der Beugung und heraus kommt das Beugungsmuster in Form einer Airyfunktion - wer hätte es gedacht. Mathematisch wird hier die Fouriertransformation (plus Vorfaktor für die Energieerhaltung) von der Eintrittswelle in der Ebene der Linse (entspricht hier der begrenzenden Apertur) durchgeführt. Hierbei geht die Feldstärke (Wurzel(Intensität)) und die Phase (OPD) der Welle ein. Das Fokalbild liefert daher direkt, durch welche Polynomzerlegung auch immer, keine Informationen über die Phase (OPD, Wellenfront W)am Ort der Linse. Ausnahme: Aus der Verlagerung des Schwerpunktes des Fokalbildes kann die Verkippung (Tip/Tilt) bestimmt werden.
Um die Phase einer Welle zu ermitteln benötigt man einen Wellenfrontsensor (Prinzip: Shack-Hartmann, Curvature, Shearinterferometer, ...), der die nicht messbaren Phaseninformation in eine Intensitätsinformationen transformiert, die dann wiederum mit Kameras aufgenommen werden können. Die Auswertung dieser Bilder ergeben nur Informationen über die Phase! Selbst bei einer mit dem Wellenfrontsensor gemessenen sphärischen Welle (bzw. deren Speziallfall einer ebenen Welle) können nicht alle Teleskopfehler so bestimmt werden. Zu diesen mit dieser Methode nicht bestimmbaren Fehlern zählen die Bildfeldwölbung, Verzeichnungen und Vignettierungen.
Doch zurück zum Fokalbild (hier: Point Spread Function (PSF)): Wie hoffentlich erläutert, macht es wenig Sinn die (Zernike) Polynomzerlegung auf dieses Intensitätsbild anzuwenden, um Informationen über die Phase am Ort der Linse zu erhalten.
Auch die Zurückrechnung auf die Zernikepolynome in der Linsenebene ist leider nicht möglich, da die Phaseninformationen am Ort des Fokalbildes nicht vorhanden sind. Eine Lichtwelle besteht nun mal aus Phase und Feldstärke (bzw. Intensität). Damit fehlt im Fokalbild ein Parameter. Das bedeutet: verschiedene Linsenfehler (Wellenfrontaberrationen), ausgedrückt durch unterschiedliche Zernikepolynome, können das gleiche Fokalbild erzeugen. Jedoch unterscheiden sich diese Wellen in der Ebene des Fokalbildes durch die nicht gemessene Phase. Die Bestimmung der Phase der Airyfunktion ist aufgrund der Airydimension aussichtslos.
Es gibt jedoch eine Möglichkeit zumindest die quadratisch gemittelten Wellenfrontaberration RMS[W] (RMS[W]: SQRT[AVG[W²]-AVG[W]²]) der Linse aus dem Fokalbild zu berechnen. Dazu bedient man sich des Strehlverhältnises. Das Stehlverhältnis gibt das Verhältnis von dem Maximum des realen Punktbildes (PSF) zu dem Maximum der Airyfunktion eines idealen Teleskop an. Das Strehlverhältnis (S) ist damit immer kleiner als 1. Ab Strehlverhältnis >0.8 spricht man vom beugungsbegrenzten Teleskop. Im Optikbuch von Born & Wolf findet man dazu auch eine einprägsame Formel, die für Wellenfrontfehlern <lambda/2Pi gültig ist: S=1-(2Pi/lambda)²*RMS[W]². Bzw: S=1-4Pi²*Summe[cz*RMS[Z]]. Hierbei ist cz der Zernikekoeffizient zum Zernikepolynom Z. In die Formel geht nur der RMS Wert des jeweiligen Zernikepolynoms ein. Die Möglichkeit der einfachen Addition der RMS Werte der Zernikepolynome ergibt sich aus der Orthogonalitätseigenschaft dieser Polynome. Aufgrund der Summenbildung, ist eine Aufschlüsselung der Zusammensetzung der einzelnen Zernikepolynome nachträglich nicht mehr möglich. Man erkennt auch ganz gut, dass sich der RMS Wellenfrontfehler quadratisch auf die PSF auswirkt.
Ausnahme von der vorherigen Betrachtung: Bei vorausgesetzt reinen Aberrationen (Defokus, Asphäre, Koma, Astigmatismus,...)in der Linsenebene entstehen charakteristische Fokalbilder (PSF). Die könnten über eine Bilderkennung verwertet werden. Aber auch hier gilt: Das Intensitätsmuster in der Fokalenbene, verursacht durch ein einzelnes Zernikepolynom (z.B. Koma), verändert sich in Anhängigkeit von der Stärke des Zernikepolynoms.
Die CCDInspector Software von Paul Kanevsky scannt nach meinem Verständnis die gesamte Fokalebene nach dem besten (schärfsten) Punktbild eines (künstlichen) Sternes ab. Da man das nicht nur entlang der optischen Achse durchführt, erhält man Informationen zu der jeweiligen Defokusierung über die gesamte Bildebene. Daraus kann man natürlich die Bildfeldwölbung berechnen. Auch eine Bestimmung der Verkippung ist möglich, wenn man die Differenz der Defokussierung an den gegenüberliegenden Bildkanten bildet. Bzw. man schaut sich die Verlagerung des Schwerpunktes des Fokalbildes an (siehe oben). Mehr ist leider nicht möglich.
So, hoffentlich hab ich es nicht zu kompliziert erklärt. Bin schon auf Eure Antworten gespannt.
Viele Grüße
Ivo