A Great Gig In The Sky

  • 28.03.2006, es ist 5:30 Uhr und mein Handy weckt mich. Müde schalte ich es aus und drehe mich noch einmal um. Da legt auch schon der Muezzin mit seinem Morgengebet los, das von den Lautsprechern auf den Moscheen übertragen wird. Ach ja, ich befinde mich in einem Hotel in Tripolis und heute beginnt unsere Reise in die Sahara. Damit ich auch wirklich nicht verschlafe, werde ich schließlich noch von der Hotelrezeption geweckt.


    Um 6:05 Uhr tauche ich dann beim Frühstück auf. Unsere Reisegruppe aus Deutschland, Schweiz, Österreich und Schweden sitzt recht schweigsam beim Frühstück. Denn wir sind bereits seit Sonntag in Libyen und nach anstrengender Anreise und einem ausgiebigen Besichtigungsprogramm in Tripolis und Leptis Magna ist das heute unser dritter Tag und wir sind alle ein wenig müde. Vielleicht ist es auch eine innere Anspannung, die uns ruhig werden lässt. Schließlich liegt das Aenteuer Wüste vor uns.


    Unsere 2 deutschen Reiseleiter, 2 libyschn Reiseleiter und 2 Sicherheitspolizisten treffen beim Frühstück noch die letzten Absprachen. Ob es wirklich die letzten Absprachen sind, weiß keiner so genau, denn keiner weiß, was uns heute und morgen alles erwartet. Insgesamt besteht unsere Gruppe eigentlich aus 2 Gruppen mit zusammen 40 SoFi-Enthusiasten.


    Wir hatten das große Los gezogen und uns wurde ein Flugzeug zugeordnet, das uns von Tripolis zu einem Flughafen in die Ölfelder nördlich der Oase Jalu bringen soll. Um 7:20 Uhr fahren wir vom Hotel ab, den innserstädtischen Flughafen von Tripolis erreichen wir gegen 7:30 Uhr. Galgenhumor breitet sich in der Wartehalle aus, weil auch die in der EU auf der schwarzen Liste stehende Airline Buraq hier einen Schalter hat. Aber wir fliegen mit der libyschen Staatsgeselslchaft Libyan Airline.


    Unser für 9:00 Uhr geplanter Flug startet dann um 10:10 Uhr, wir fliegen entlang der Küste nach Osten, um dann schließlich nach Süden in die Wüste einzudringen. Unsere Boeing 727-200 macht zwar nicht mehr den jüngsten Eindruck, aber sie bringt unser sicher in die Wüste. Gegen 11:30 landen wir dann schließlich.


    Eine unwirkliche Atmosphäre, ein Flughafen mitten in der Wüste, mitten im nichts. Es weht ein leichter Wind bei angenehmen Temperaturen in der SOnne. Unser Gepäck wird schnell ausgeladen, so dass wir bereits gegen 12:20 Uhr mit unserem Bus abfahren können. Nach wenigen 10er Kilometern fahren wir durch die Oase Jalu, um von dort weiter in die Totalitätszone zu gelangen. Die Straße ist eine gute Asphaltpiste und vor uns voraus fährt ein Polizeiwagen mit Blaulicht, der uns sicher bis ca. 8 km vor dem Camp begleitet.


    Gegen 13:50 Uhr erreichen wir das Camp 8 km abseits der Wüstenstraße. Eine unwirkliche Atmosphäre erwartet uns hier mitten in der Kieswüste der Sahara ca. 110 km südlich der Oase Jalu. Wir befinden uns direkt auf der Zentrallinie der Sonnenfinsternis und die Libyer haben hier ein unglaubliches Zeltlage mit hunderten, wenn nicht sogar tausenden von Zelten aus dem Wüstensand gestampft. Alles ist geordnet, aber es macht auf uns einen irrealen Eindruck. Die Wüste ist eben, glatt, unendlich bis zum Horizont und dann diese unglaubliche Zeltstadt.


    Libyen hat drei solcher Zeltstädte für 15.000 Gäste aus aller Welt in der Wüste gebaut. Sie liegen wohl einige 100 km auseinander immer in akzeptabler Reichweite von Flughäfen zu den Ölfeldern, immer auf der Zentrallinie der Sonnenfinsternis. Es erscheint alles irreal, wir sind alle vollkommen überrascht, damit hatte keiner gerechnet.


    Um 14:15 Uhr haben wir unsere Zelte bezogen. Sogar die Singles wie ich haben große Zelte bekommen, ausgelegt mit Teppich, einer Matratze, einem Laken und einem Kopfkissen.


    Um 15:00 Uhr machen wir uns auf in ein riesengroßes, in weiß-rot geschmücktes Festzelt zum Mittagessen. Wieder ist es nicht zu fassen, was die Libyer hier an logistischer Meisterleitung vollbracht haben. Der Haus-und-Hof-Caterer Von Gaddafi soll für die tolle Bewirtung der Gäste verantwortlich sein.


    Danach machen wir uns in kleinen Gruppen zur Camp-Erkundung auf, beobachten interessiert, was hier so einige an technisches Equipment zur Beobachtung der SoFi hingebracht haben. Und wir begeben uns zu einem großen Rundgang in einem gehörigen Abstand zur Zeltstadt. An diese irreale Atmosphäre können wir uns nicht gewöhnen, Ehrfurcht vor der Wüste erfasst uns, diese unendliche Weite, und dann diese unglaubliche Zeltstadt. Wir sind stolz, dabei sein zu dürfen.


    Vor dem Abendessen erleben wir einen wunderschönen Sonnenuntergang und nach dem Abendessen gehen wir nochmals raus in die Wüste und schauen uns den Nachthimmel an. Um 22:45 Uhr begeben wir uns in die Zelte. Einige sind gleich eingeschlafen. Aber ich konnte nicht so richtig an Schlaf denken. Allein die Eindrücke dieses ersten Tages in der Wüste gehen mir immer wieder durch den Kopf. Und natürlich ist es nicht gerade leise draußen. Die Libyer, ein wirklich freundliches und offenes Volk, feiern dieses Ereignis bis spät in die Nacht.


    Am nächsten Morgen heißt es dann Aufstehen, Frühstücken, Katzenwäsche, noch mal schnell zu den Tuaregs und eine Tuareg-Kopfbedeckung binden lassen (wenn man die einmal gehabt hat, weiß man, warum die Tuaregs in der Wüste diese Kopfbedeckung haben), ein wenig Zeit vertrödeln und um 10:30 Uhr machen wir uns in einer kleinen Gruppe von 10 Leuten mit unserem Equipment, Plaste-Stühlen und Wasserflaschen auf in die Wüste. Die innere Vorfreude auf dieses einmalige Ereignis ist extrem hoch und wir alle lachen, scherzen und haben viel Spaß.


    Auch hier erleben wir wieder eine irreale Atmosphäre. Außerhalb der Zeltstadt haben kleine Grüppchen in einem riesigen Abstand einen Ring um die Zeltstadt gebildet. Wenige gehen bis hinter dem Horizont, um die SoFi ganz für sich alleine zu genießen. Wir lassen und in der Nachbarschaft zu einem älteren japanischen Paar nieder und bauen unser Equipment auf. Fast jeder von uns verwendet eine Spiegelreflexkamera mit einem Objektiv mit größerer Brennweite. Solange die totale Phase noch nicht erreicht ist, kommt natürlich noch eine Sonnenschutzfolie zum Einsatz.


    Gegen 11:10 Uhr beginnt dann das Spektakel mit dem ersten Kontakt. Vereinzelt sind Jubelrufe und Klatschen zu hören. Wir tauschen uns noch aus, bei welchen Empfindlichkeiten welche Blenden und Belichtungszeiten zu wählen sind und wann wir die Folie wegnehmen, um den Beginn der totalen Phase ohne Folie genau abzupassen. Überall klickt es und jeder arbeitet sein individuelles Programm zur fotografischen Dokumentation der partiellen Phase ab.


    Dann ändern sich die Belichtungsverhätltnisse, die Luft wird kühler, klarer, kontrastreicher, ein Licht, nicht zu vergleichen mit einer Dämmerung. Die Spannung steigt, es ist 12:15 Uhr, nur noch wenige Minuten bis zum Beginn der totalen Phase. Wir schauen uns um, auf der einen Seite die Zeltstadt, auf der anderen Seite die unendliche Weite der Wüste, und das ganze getaucht in ein unglaublich kontrastreiches Licht.


    Es wird dunkler, immer klarer, und dann ist plötzlich der Moment da, der letzte Sonnenstrahl bricht weg und am Firmament steht eine schwarze Sonne. Nur vereinzelt bricht Jubel aus, nur vereinzelt wird geklatscht. Wir sind alle von Ehrfurcht erfasst, innerlich gefangen von einer unglaublichen gefühlsmäßigen Atmosphäre, die nicht beschreibbar ist. Leise werden Sätze gemurmelt "Wahnsinnig ... das ist unglaublich ... damit habe ich nicht gerechnet ... unbeschreiblich ... das ist nicht zu fassen ... ".


    Da steht eine schwarze Sonne am Himmel, sie scheint schwarz, sie ist da, ganz real, und doch so unwirklich.


    Und so langsam lösen wir uns von unserer Gefangenheit "Schaut euch mal die Korona an. Ist das nicht wahnsinnig, wie die sich fächerartig zu beiden Seiten der Sonne ausgebreitet hat?" Links und rechts der Sonne haben sich je drei Fächer gebildet, die auf der rechten Seite in Richtung 1-2 Uhr, 3 Uhr und 4-5 Uhr und auf der linken Seite in Richtung 7-8 Uhr, 9 Uhr und 10-11 Uhr aufgetan haben. Sie erreichen Längen von 1,5 bis 2 Sonnendurchmesser, sind milchig weiß und dünnen in den schwarzen Himmel aus. Oben und unten an der schwarzen Sonne, also in Richtung 12 Uhr und 6 Uhr hat sich ein stark heller Kranz mit der Länge eines Viertelkreises gebildet. Die Enden dieses Kranzes gehen in die Fächer über.


    "Und dort steht die Venus!" Sie ist das hellste Gestirn am Himmel. Aber es sind längst nicht so viele Sterne und Planeten erkennbar, wie ich erwartet hatte. Der Himmel ist nicht so nachtschwarz geworden.


    "Dreht euch mal um und schaut euch den Horizont an, wahnsinniges Licht!" Und es wird klar, wieso es nicht so dunkel geworden ist. Entlang des gesamten Horizontes hat sich ein gelbgoldener schwacher Saum gebildet, wie er direkt nach einem Sonnenuntergang im Bereich des Unterganges zu erkennen ist. Im Osten ist es dagegen bei einem Sonnenuntergang ja bereits richtig dunkel. Aber hier strahlt eine schwarze Sonne am Himmel und entlang des gesamten Horizontes wirkt es so, als ob hinter dem Horizont indirektes gelbgoldenes Licht eingeschaltet wurde, welches den Horizont beleuchtet. Wir haben das Gefühl, im Mittelpunkt eines wunderschönen Schauspieles zu stehen, das wohl nur in einer ebenen Wüste in dieser Art beobachtet werden kann.


    Mittlerweile fängt uns wieder die schwarze Sonne ein. Der Mond schiebt sich langsam weiter, und auch wir werden wieder ruhiger, wir spüren, dass ein weiteres unbeschreibliches Ereignis bevorsteht. Auf einer Seite der schwarzen Sonne wird die Korona dunkler, ja verschwindet fast ganz, nur ein hellstrahlender Halbkreis bleibt übrig. Und auf der anderen Seite der schwarzen Sonne wird es heller, es beginnt im Halbkreise zu funkeln, diamantfarben hell.


    Und dann geschieht es, unbeschreiblich, das Licht detoniert, vernichtet in einer Explosion die schwarze Sonne. Vollkommen unerwartet überrascht uns dieser Moment. Vereinzelt wird wieder gejubelt und geklatscht, doch bei uns herrscht ehrfurchtsvolles Schweigen. Unfassbar, die schwarze Sonne ist weg, in einer Detonation des Lichtes einfach veschwunden.


    Nach wenigen Sekunden fangen wir uns. Schnell muss wieder die Sonnenschutzfolie vor den Objektiven befestigt werden, damit die Kameras keinen Schaden nehmen. Diese Aufgabe hilft uns, uns von dem Bann der schwarzen Sonne zu lösen. Und wir brechen in Gesprächen aus. Eine euphorische Stimmung breitet sich aus und jeder berichtet von seinem individuellem Erlebnis. Begeisterung erfasst die gesamte Gruppe.


    Nach einigen Minuten gehen wir dazu über, unser fotografisches Programm der 2. partiellen Phase abzuarbeiten und erzählen uns immer wieder von unseren Eindrücken. Das Licht ist zwar wieder so kontrastreich, aber es beeindruckt uns nicht mehr so stark wie vor der totalen Phase. Bald wird es auch wieder wärmer. Die Zeit bis zum 4. Kontakt, also bis zum Ende der Sonnenfinsternis ist schnell vorbei, wir packen unsere 7 Sachen und ziehen wieder in die Zeltstadt. Nach einem ausgiebigen Mittagessen brechen wir dann gegen 15:30 Uhr mit unserem Bus auf und fahren 6 Stunden durch die Wüste nach Benghazi, unserer nächsten Station in Lybien. Im Bus gehen wir unseren Gedanken nach, erzählen uns wieder von den Erlebnissen und zeigen uns gegenseitig unsere Fotos auf den kleinen Monitoren unserer Digi-Knipsen. Ich habe mir meine Musik auf meinem iPod in die Ohren gelegt und höre von Pink Floyd


    A Great Gig In The Sky


    Um 21:00 Uhr erreichen wir Benghazi, ein unglaubliches Ereignis geht zu Ende.



    Andreas


    PS: Insgesamt habe ich 301 Bilder dieser SoFi geknipst. Ihr müsst euch noch ein wenig gedulden, bis ich davon die besten ausgewählt und aufgearbeitet habe. Mir war es wichtig, nach meiner Rückkehr erst einmal meine Eindrücke festzuhalten.

  • Moin Andreas,


    ein sehr beeindruckender Bericht, es ist Dir wirklich gut gelungen die Stimmung während der Sonnenfinsternis einzufangen.


    Auch die Schilderungen der Begleitumstande Eurer Tour nach Libyen vermittelt einen guten Eindruck Eurer Erlebnisse dort.


    Nun warten wir mal gespannt auf Eure Fotos [:D]


    Viele Gruesse


    Matthias ...
    ... der die Finsternis in Konya/ Türkei erleben durfte.

  • Hallo zusammen,


    Matthias, danke für dein Lob [:)] ja, es war ein wirklich beeindruckendes Ergebnis.


    Und hier kommen drei Bilder aus der Totalitätsphase.


    Für alle Bilder gilt:


    Ort: 28° 13,83' N, 21° 30,4' E


    Nikon D50 mit Objektiv Sigma 70-300 mm D f:4-5,6 DG und Filter hama sky 1A (UV-Filter vergessen abzunehmen, sollte aber nicht tragisch sein); Brennweite 300 mm; Empfindlichkeit ISO 200; Bildqualität JPEG (8 bit) normal, Bildgröße Mittel (2256 x 1496)


    2 Sekunden nach dem 2. Kontakt:



    12:26:32
    Belichtungszeit 1/1000 s bei Blende 8
    Histogramm mit Paint SHop Pro leicht angepasst


    während der 2. Hälfte der Totalität



    12:29:20
    Belichtungszeit 1/320 s bei Blende 8
    Histogramm mit Paint SHop Pro deutlich angepasst


    8 Sekunden vor dem 3. Kontakt



    12:30:26
    Belichtungszeit bei 1/320 s bei Blende 8
    Histogramm mit Paint Shop Pro leicht angepasst


    So, das wäre es erstmal von mir. Ich hoffe es gefällt [:)]


    Andreas

  • Hallo Andreas,


    ein toller Bericht! Er läßt einen die SoFi nocheinmal nacherleben, und man merkt daß Du die SoFi wirklich *gesehen* hast!
    Dank dieses Superprogramms von Fred Brunjes (http://www.moonglow.net) das meine Kamera fernbedient hat kann ich Deine Empfindungen gut nachvollziehen denn dies war meine erste SoFi die ich auch wirklich *gesehen* habe.
    Kein Rumgerödel mit der Technik wo das Ereignis an einem vorbeiläuft, sondern einfach nur geniessen!
    Auch Deine Beschreibung des Libyschen Camps ist toll, vor allem daß man rausdurfte. Und die Wüste fasziniert!


    Viele Gruesse
    Gernot

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