PGC 1981854 - 3 Milliarden Lichtjahre entfernt

  • Hallo zusammen,


    für Donnerstag letzte Woche sagte die Wettervorhersage einen klaren Morgenhimmel vorher. Bei der Gelegenheit stand ich ganz früh auf, um einige ferne Galaxien zu beobachten. Eine davon möchte ich hier vorstellen. Endlich war der Himmel nicht mehr von Saharastaub eingetrübt, die Bedingungen waren zumindest überdurchschnittlich.


    Vor einigen Jahren gab es mehrere Threads im Cloudynights-Forum bezüglich sehr weit entfernter Galaxien. Das veranlasste mich damals, ein Beobachtungsprojekt durchzuführen, Schritt für Schritt weiter entfernte Galaxien zu beobachten. Am Donnerstag war die Galaxie PGC 1981854 dran, die hellste Galaxie des Galaxienhaufens Abell 2261 im Sternbild Hercules.


    Doch erst mal ein paar grundlegende Daten:

    Position: RA: 17h22m27s, DE: +32°07'57" (J2000.0), Sternbild: Hercules

    Helligkeit: 17.2 bmag (Cartes du Ciel), 16.9 gmag (SDSS g-Band 380-570 nm), 15.4 rmag (SDSS r-Band 570-740 nm)

    Scheinbare Ausdehnung: 16" x 13"

    Typ: Elliptische Galaxie

    Rotverschiebung: z = 0.22326 => Entfernung: etwa 3 Milliarden Lichtjahre


    Diese Galaxie hatte ich vor 3 Jahren mehrmals versucht, aber es hatte nicht geklappt. Letzte Woche versuchte ich es erneut mit meinem 20" Dobson.

    Die Sterndichte in der Region ist recht gering. Daher versuchte ich, es mit der Vergrößerung nicht zu übertreiben, um einige "Ankersterne" zur Orientierung im Gesichtsfeld zu haben. Ich verwendete 256x Vergrößerung. In der Nähe der erwarteten Position befinden sich zwei Sterne mit etwa 11 bzw. 13 mag, die als Aufsuchhilfe dienten. Außerdem ein 16.3 mag Stern, der einfach zu sehen war, und ein 17.2 mag Stern, der immer wieder aufblitzte und wohl noch nicht ganz an der Sichtbarkeitsgrenze war.Im Laufe der nächsten Minuten sah ich immer wieder mit indirektem Sehen an der erwarteten Stelle einen kleinen Fleck aufblitzen.

    Sehr nah an der Wahrnehmungsgrenze. Um ganz sicherzugehen, schaute ich nach einigen weiteren sternfreien Positionen in der Region. An diesen sah ich jedoch nichts Vergleichbares aufblitzen. Von daher gehe ich davon aus, dass es sich um eine tatsächliche Sichtung handelt. Solche Beobachtungen brauchen Zeit. Mit dem Aufsuchen der Region, der Beobachtung dieser Galaxie und mit den Vergleichsbeobachtungen rundherum verbrachte ich etwa 25 Minuten. Für solch ein unscheinbar wirkendes Objekt. Aber das Besondere ist ja, dass es etwa 3 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist.


    Damit ist es die entfernteste Galaxie abgesehen von Quasaren, die ich bisher beobachtet habe. Aufgrund der Schwierigkeit der Beobachtung gehe ich davon aus, dass es für mein 20“ Teleskop unter den gegebenen guten Landhimmelbedingungen die entfernteste solche Galaxie bleiben dürfte.


    Eine Steigerung wäre noch PGC 2262657 (17.6 bmag, ca. 3.5 Milliarden Lichtjahre entfernt, im Sternbild Jagdhunde). Aber ich denke, dass die zu schwach für meine Optik ist.


    Anbei meine Skizze.


    Clear skies


    Robin




  • Hallo Robin,


    17 mag Galaxien mit dem 20" Dobson, da musstest du ja echt jedes Photon einzeln auswringen, deepest Deep Sky Observing, wow!


    PGC 1981854= A2261-BCG muss ein wahrer Riese sein, um in dieser Entfernung noch sichtbar zu sein.

    In Cloudy Nights habe ich diesen Artikel gefunden: 3 billion light year galaxy club? Interessantes Projekt.

    Das HST Bild von Abell 2261: Monster Galaxy May Have Been Stirred Up By Black-hole Mischief

  • Hallo Robin,


    super, dass du dir die Mühe gemacht hast, einen Bericht über deine Beobachtung dieser extrem weit entfernten Galaxie zu schreiben. :S

    Probier doch mal die Galaxie in den Jagdhunden. Versuch macht kluch!


    Stathis : Cooles Projekt hast du da ausgegraben. Ich hab auch noch ne ganze Liste mit ~70 Superspiralen iwo auf der Platte. Darunter

    sind auch einige mit mehr als 3 Mrd. Lichtjahren.


    CS, Christian

  • Servus Robin,


    danke für den spannenden Bericht. Das animiert in der Tat, sich seöber auch an solche Objekte zu wagen. Als Dobson-Neuling muss ich mich da noch ein Bisserl rantasten. Mir bestätigt es mal wieder, dass jedes Teleskop seinen Himmel hat. Das gleiche Herumgefummel, bis man schwach einen Nebelfleck erkennen kann hat man eben mit jedem Teleskop, unabhängig von der Öffnung. Nur sind dann die Objekte, mit denen man sich herumschlägt eben heller oder weniger hell. Der Anblick ist aber immer ähnlich: eine kleine Aufhellung, ein kleiner Nebelfleck.

    Nur – so empfinde ich es – ist das "Feeling", hier Photonen zu "sehen", die vor 3 Milliarden Jahren ihren Weg zu uns begannen, für mich ein Gänsehautfeeling (wenn ich mir das so vorstelle).


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Ciao Robin,


    ich wollte mir eigentlich erst den CN thread zu dem Thema reinziehen - auf dem Du ja auch gepostet hattest - bevor ich hier etwas antworte, aber ich bin anderweitig too busy, also jetzt gleich erstmal...


    Vor einem Jahr hatte ich nur spasshalber, nebenbei und wenig aufwendig (angesichts von Abell 1318) überschlagen, wie tief man denn wohl visuell sehen könne,hier. Grob sagte ich damals so bis vielleicht z=0.1, konservativ geschätzt. Dann hatte ich auch Belehrungen in CN von den Amerikanern über mich ergehen lassen müssen, dass man ja VIIIEL tiefer sehen könne... ok, die hatten das schon probiert und haben öfter mal 21.8mpsas Himmel, saugute Augen, viel Erfahrung it schwächstem Gedöns... Einer dieser US-Jungs war redbetter (schlauer Bursche!), der Deinen Thread oben eröffnet hat ;-). So schliessen sich die Kreise.


    Jetzt kommst Du daher und amerikanisierst hier unsere schöne, bequeme und deutsch-eingeschlafene Szene ! Herrgottnochmal ! =O || 8| ;) :D


    Also ja, ernsthaft: super Beobachtung mit Hartnäckigkeit und ausgefeilter Technik. Echt hart sowas ! Respekt.


    Ich würde meinen, dass Seeing - im Gegensatz zu sonstigen Verhältnissen beim Galaxien-Beobachten - für die Detektion solcher ferner Galaxien evtl. dann schon von Belang wird. Die PSF verteilt ja das Licht nach aussen um und schwächt die Zentralhelligkeit. Diese hellsten BCD Galaxien in Clustern sind zwar riesig und haben auch riesige Cores, aber in der Entfernung dürfte das seeing dann doch von Belang werden, weil der lineare Massstab halt so klein abgebildet wird. Man kann ja mal ausrechnen, wieviele Kpc unsere kleine arcsec dort sind... (allerdings muss man ab z=0.1 jetzt schon relativistisch rechnen). Und meistens haben wir ja 2..3arcsec Seeing, wenn man nicht super Verhältnisse erwischt zufällig (oder auf Berge hoch geht).


    Dann noch die Effekte der K-correction (Shift des Objekt-Spektrums in Lambda im spektralen Beobachtungsfenster des V-Bands) und das Problem der dann etwas unpassenden spektralen Augenempfindlichkeit des Menschen... Macht alles das Spiel nicht einfacher.


    Schöne Grüsse + keep going ! Excellent stuff !

    Peter











    Gruss, Peter

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank für eure Kommentare!

    Ja bei der Sichtbarkeit solch ferner Galaxien spielen mehrere Aspekte eine Rolle: Zum einen ist ihr scheinbarer Winkeldurchmesser bedingt durch die große Entfernung sehr klein, so dass sie nicht so flächenlichtschwach sind wie Galaxien gleicher scheinbarer Helligkeit aber größeren scheinbaren Winkeldurchmessers. Allerdings ist ihr Spektrum deutlich rotverschoben.


    Eine Abschätzung dazu:


    Um einen Vergleich zu machen gemäß SDSS-Daten: Bei Messier 87 beträgt der Unterschied zwischen der SDSS g- und r-Band Helligkeit g-r = 0.9 mag. Bei PGC 1981854 beträgt g-r = 1.5 mag. Entsprechend dürfte sie gerötet sein. Art der Sternpopulation spielt auch eine Rolle, aber die beiden elliptischen Galaxien sind da vielleicht ähnlich.


    Aber mit ihrer 16" x 13" Ausdehnung kommt sie einer Punktquelle bei schlecht aufgelöstem indirektem Sehen fast schon nahe (im Vergleich zur groß erscheinenden Messier 87).

    g-Band Flächenhelligkeit der 9.1' x 7.9' großen Messier 87 (11.6 gmag): 23.4 mag/Quadratbogensekunde

    g-Band Flächenhelligkeit der 16" x 13" großen PGC 1981854 (16.9 gmag) : 20.9 mag/Quadratbogensekunde

    (mit diesem Tool berechnet: https://astrofotografie.hohman…en/flaechenhelligkeit.php basierend auf Daten von Simbad ).


    Genau genommen müsste man die Statistik der Photonen betrachten, die aus der Galaxie pro Zeiteinheit pro Wellenlängenbereich durchs Teleskop zur Netzhaut gelangen und dort einen Sehreiz auslösen.


    Christian: Mit den Superspiralgalaxien könntest Du die aus dem Ogle Galaxy Catalog meinen:

    VizieR {{catName}}


    Clear skies


    Robin

  • Halli Hallo


    Robin : meine Superspiralen hab ich aus nem anderen Paper, aber nachm überfliegen sind das iwie die gleichen Objekte glaub ich. Zumindest passen die z's.


    Da ich ja ziemlich oft in weit entfernten Galaxienhaufen (über 1 Mrd. Lichtjahre) rumhänge, kann ich mit einiger Sicherheit sagen, dass das Seeing bei so kleinen schwachen Galaxien durchaus eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Wenn das Seeing schlecht ist, lassen sich die winzigen Fleckchen nur schwer erkennen. Deswegen muss eigentlich beides passen: Seeing + Transparenz. :nerd_face: :nerd_face:


    CS, Christian

  • Vorige Woche hatte ich 2 schön transparente Nächte, da ging trotz dickem Mond was und ich habe diese winzige Riesengalaxie PGC 1981854= A2261-BCG vom Stadtbalkon fotografiert, wie immer zur Zeit mit einem 10" f/4 + Astrokamera vom Stadtbalkon und kam in insgesamt 2,5 Stunden auf eine Grenzgröße von ca. 19,6 mag. Hier das volle 1,3°x0,9° Feld:



    Das Objekt ist genau in der Bildmitte, der ganze Haufen scheint sehr reich zu sein, ich sehe einen Mückenschwarm um die zentrale Monstergalaxie. Das ganze Kleinzeug sind keine Sterne sondern Galaxien. Siehe Hubble Bild auf dem einige Hintergrundgalaxien durch den Gravitationslinseneffekt von Abell 2261 zu Bögen verzerrt werden. Hier ein Ausschnitt:



    Links im Bild zum Rand hin ist noch so ein Mückenscharm um die noch schwächere und noch etwas weiter entfernte PGC1977375. Das blaue Sternchen knapp oberhalb davon ist der Weiße Zwerg GALEX J172451.5+320352. Hier ein Ausschnitt davon:



    Im Anhang ist noch eine Version mit Beschriftungen

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