Hallo zusammen,
Newtonteleskope gehören zweifellos zu den beliebtesten ATM Projekten. Relativ einfach herzustellen, bewährte Konstruktion.
Mindestens ein Problem aber haben sie, insbesondere bei schneller Optik: Coma.
Um diesen Fehler zu korrigieren kann man sog. Coma-Korrektoren verwenden. Damit wird das reine Spiegelsystem (vom Okular einmal abgesehen) zu einem katadioptrischen System mit Spiegeln und Linsen.
Ich werde in diesem Thread nicht tief in Theorie und Praxis der verschiedenen Designs abtauchen. Wer sich vertieft damit beschäftigen möchte, dem empfehle ich Vladimir Slaceks Seite https://www.telescope-optics.net/.
Der Ausgangspunkt für meine Recherchen zum Thema war eine Diskussion mit den zwei Schleiferkollegen im Verein. Dabei kam die Sprache auf den MPCC von Baader. Mein Interesse war geweckt.
Da es sich dabei um ein 2" System handelt und mir das zu gross und schwer erschien habe ich Tante Google nach 1" Korrektoren befragt und ein paar Hinweise bekommen.
Da war zum einen mal ein Korrektor, der von David Shafer (ja, *dem* Shafer) gerechnet und in "Telescope Making", Ausgabe 45 veröffentlicht worden ist. Die Ausgaben kann man online kaufen, der Preis ist soweit ok.
Shafer hat einen Zweilinsenkorrektor (Ross Type) gerechnet mit Standardlinsen von Melles Griot mit samt der Definitionen.
Und zum anderen hat unter https://stargazerslounge.com/t…8-diy-125-coma-corrector/ jemand eine leicht angepasste Version gerechnet und Linsen von EKSMA (https://eksmaoptics.com/) verwendet. Soweit so gut.
Das ganze habe ich nun in OSLO (https://lambdares.com/oslo) reingehämmert und mir mal angesehen, was dabei raus kommt.
- Erkenntnis Nr. 1: der Comakorrektor liegt *vor* dem Okular (Kamera), die eintreffenden Strahlenbündel decken damit schnell mal einen Kreis von mehr als 1" Durchmesser ab. Damit dürfte auch klar sein, weshalb es keine 1" (1.25") Korrektoren (mehr) gibt (es gab mal einen von Televue, die in freier Wildbahn anzutreffenden Exemplare kosten ein Vermögen).
- Erkenntnis Nr. 2: das Resultat ist für visuellen Einsatz ok, ein Feld von 0.5° dürfte unter normalem Seeing genügend korrigiert sein. Für fotografischen Einsatz aber hat die Entwicklung gnadenlos zugeschlagen. Die Annahmen, die Shafer getroffen hatte gelten für die damals verfügbaren Filme (für die jüngeren unter euch, das sind optische Sensoren für den Einmalgebrauch, die mit komplexen chemischen Verfahren dazu gebracht werden können, von ihnen eingesammelte Photonen mehr oder weniger sichtbar zu machen (SCNR)). Hier zeigt sich einmal mehr, mit welch bahnbrechenden Entwicklungen auch wir als Amateure gesegnet sind. Was Ende 80er, Anfang 90er Jahre noch das höchste der Gefühle für Amateure war kriegt man heute mit jeder Smartphonekamera hin. Die Ansprüche sind aber auch dementsprechend gestiegen.
Ich habe dann noch ein bisschen rumgerechnet und geschraubt, aber mit Standardlinsen ist da Ende der Fahnenstange. Der Design ist ausgereizt. Ausserdem: für den Preis zweier solcher Linsen, vergütet, gefasst in Optosigmakomponenten, kriegt man einen Baader MPCC Mk III. War ein netter Zeitvertreib über die Weihnachtsferien in Südfrankreich und eine gute Möglichkeit, mich ernsthaft mit OSLO zu beschäftigen.
Also zurück zu 2" Designs. Für die Televue Korrektoren (Vierlinser, bestehend aus zwei Achromaten) gibt es keine genauen optischen Daten. Der Hersteller legt hier offenbar grossen Wert darauf, dass dies sein Betriebsgeheimis bleibt. Dank der vier optischen Elemente kann dieser Korrektor mehr Fehler korrigieren, als ein Zweilinsersystem (Ross Type) wie der MPCC (siehe Slacek). Entsprechend gilt er, neben Wynnie-Korrektoren, als Goldstandard. Und entsprechend teuer, gross und schwer ist er auch.
Anders sieht es beim MPCC Mk III von Baader aus. Auf Cloudynights hat Ed Jones (ja, *der* Ed) seinen MPCC reverse engineered (m.a.W. professionell vermessen) und die Daten veröffentlicht: https://www.cloudynights.com/t…th-baader-coma-corrector/ . Ob Baader das sehr erfreut ist, weiss ich nicht. Ich denke aber, bei dem Preis wird kaum jemand auf die Idee kommen, die nachzubauen.
Die Diskussion ist interessant, es fällt unter anderem die Bemerkung, "the Baader is known to be soft". Und nun wird es erst richtig interessant. Ed hat den Design knackscharf hingekriegt, indem er den Hauptspiegel hyperbolisch (CC<-1) gemacht hat. Diese Erkenntnis ist auch nicht ganz neu, es ist schon lange bekannt, dass man die konische Konstante des Hauptspiegels als weitere Variable für die Korrektur von optischen Fehlern verwenden kann.
Und damit möchte ich euch auf eine Reise mitnehmen, die vielleicht auch für den ein oder anderen ATMler interessant sein könnte. Wer bereit ist, seinen Hauptspiegel hyperbolisch zu polieren (ein Zustand, der im allgemeinen als Vorhof der Schleiferhölle betrachtet wird) wird ein Teleskop erhalten, das über fast 1° Bildwinkel, bei etwas relaxteren Anforderungen (Deep Space, weniger als optimales Seeing sogar über mehr als 2° beugungsbegrenzt ist.
Ready? Dann mal los. (Nicht drängeln, die weiteren Beiträge entstehen nun nach und nach).
Herzliche Grüsse Robert