Hallo zusammen,
in ihrem Artikel „Der tiefste Winter: im Sternbild Achterdeck“ in der Ausgabe 39 (Januar-Februar 2024) von „Astronomie – das Magazin“, Seiten 62-66 erwähnte die Autorin Anne Keller den offenen Sternhaufen Ruprecht 37, der nah am 5.1 mag hellen Stern 6 Puppis liege und von dem es noch keine zugänglichen Beschreibungen gebe.
Den musste ich unbedingt versuchen zu beobachten. Im Vorfeld hatte ich eine Literaturrecherche durchgeführt und die Daten der Sterne in der Region im Gaia Data Release 2 (Gaia DR2) untersucht. Gestern (05.02.2024) hatte ich endlich mal wieder abends zu passender Uhrzeit klaren Himmel, um den Sternhaufen zu beobachten.
Allgemeine Informationen über den Sternhaufen:
Position: RA: 07h49m49s, DE: -17°14‘56“ (ICRS J2000.0)
Scheinbarer Durchmesser: 3.1‘
Quelle: Simbad
Warum ist dieser Sternhaufen schwierig zu beobachten?
An meinem Standort auf etwa 48° nördlicher Breite kulminiert der Sternhaufen nur etwa 25° über dem Horizont. Der 5.1 mag helle Vordergrundstern 6 Puppis befindet sich in nur etwa 2 Bogenminuten Abstand vom Sternhaufen und stört daher bei der Beobachtung. Die meisten Mitgliedssterne dieses offenen Sternhaufens sind sehr lichtschwach, so dass höchstens an eine Beobachtung weniger einzelner Sterne zu denken war.
Welche Sterne in der Region gehören zu dem Sternhaufen?
Um das zu beantworten, sind die Daten des Gaia DR2 hilfreich. In Cartes du Ciel geladen, sind zu jedem Stern Distanzen und Eigenbewegungsvektoren angegeben. Aber wie präzise sind diese Daten? Laut [1] hängt die Genauigkeit der Entfernungsangabe von der G-Helligkeit ab: 5% für 14 mag oder heller, 12% für Sterne zwischen 14 und 16 mag.
Die Autoren von [2] geben für den Sternhaufen eine Entfernung von 14755 Lichtjahren an, ohne eine Genauigkeit dieser Angabe zu nennen.
Passende angegebene Entfernungen der Einzelsterne, die wahrscheinlich zum Sternhaufen gehören, sollten damit 14000 - 15500 Lichtjahre für Sterne heller als 14 Gmag sein und 13000 – 16500 Lichtjahre für Sterne zwischen 14 und 16 Gmag.
Die Genauigkeit der Angabe der Eigenbewegung on Gaia DR2 beträgt +/- 0.1 Millibogensekunden pro Jahr laut [3].
Mit diesen Angaben lässt sich zumindest eingrenzen, welche Sterne wahrscheinlich zu dem Sternhaufen gehören.
Der Carbonstern C*908 (10.3 Gmag) ist ein mögliches Mitglied dieses Sternhaufens laut [2].
Interessanterweise gibt es einen 15.5 G mag Feldstern ungefähr 50“ südöstlich von 6 Puppis, der nahezu die gleiche Entfernung und Eigenbewegung hat wie dieser. Somit handelt es sich wohl um einen echten Doppelstern. Habe ich zufällig in Cartes du Ciel gefunden. Was man dank Gaia alles herausfinden kann.
Beschreibung meiner visuellen Beobachtung:
Die Beobachtung führte ich mit meinem 20“ Dobson-Teleskop bei 729x Vergrößerung durch. Damit hatte ich ein Gesichtsfeld mit etwa 8 Bogenminuten Durchmesser, was nicht reichte, um den hellen Vordergrundstern außerhalb des Gesichtsfelds zu positionieren, wenn man den Sternhaufen ungefähr in der Mitte des Gesichtsfelds haben wollte. Immer wieder mal bewegte ich den hellen Stern aus dem Gesichtsfeld heraus und den Sternhaufen an den unteren Rand des Gesichtsfelds, um es auszuprobieren. Auf jeden Fall half die hohe Vergrößerung, um einzelne Sterne voneinander zu unterscheiden. Für die Beobachtung benötigte ich etwa 45 Minuten Zeit am Okular und war dabei äußerst konzentriert. Nur gelegentlich schaute ich auf meine ausgedruckte Sternkarte und auf meine Skizze. So war ich auch ziemlich gut dunkeladaptiert. Aufgrund der oben beschriebenen Bedingungen kam ich nur auf etwa 16.0 mag Grenzgröße in der Region. Zum Vergleich, im Zenit komme ich mit diesem Gerät etwa auf 17 mag oder noch etwas tiefer.
Im Zielgebiet angekommen fiel mir etwa 2‘ südöstlich von 6 Puppis zunächst ein markantes nach Nordosten zeigendes spitzes Dreieck von etwa 11-13 mag Sternen auf. Dieses nutze ich zur Orientierung. Der westliche und hellste Stern dieses Dreiecks ist der oben genannte Carbonstern, der wahrscheinlich zum Sternhaufen gehört. Alle anderen Sterne sind viel schwächer. Während der langen Beobachtungsdauer konnte ich nach und nach einige weitere Sterne sehen, die wahrscheinlich zum Sternhaufen gehören. Insgesamt sah ich 5 oder 6 Sterne, die gemäß Angaben aus Gaia DR2 (Entfernung und Eigenbewegung) wahrscheinlich zum Sternhaufen gehören. Diese Sterne habe ich in der Zeichnung nummeriert. Stern Nr. 6 bewegt sich schneller und in eine andere Richtung, vielleicht wurde er ja aus dem Sternhaufen herausgeschleudert? Bei Stern 4 gibt es laut Sternkarte zwei Komponenten, deren hellere von den Daten her zum Sternhaufen gehören sollte. Die Daten aus Gaia DR 2 habe ich in die Tabelle auf der Zeichnung eingetragen.
Mit etwas Anstrengung und durch Platzieren des hellen Vordergrundsterns außerhalb des Gesichtsfelds sah ich auch dessen 15.5 G mag hellen Begleiter ab und zu bei indirektem Sehen aufblitzen.
Die Frage der Autorin des Artikels, ob dieser Sternhaufen beobachtbar sei, lässt sich damit mit „ja“ beantworten, auch wenn man selbst mit 20“ Öffnung nur wenige einzelne Sterne erkennen kann. Insgesamt war das eine wirklich sehr anspruchsvolle Beobachtung. Noch mehr Öffnung und/oder ein weiter südlich gelegener Standort sollten für die Beobachtung hilfreich sein.
Anbei meine Zeichnung:
Clear skies
Robin
Literatur:
[1]: F. Anders et al., A&A 628, A94 (2019)
[2]: P. Marigo et al, Astrophys. J. Suppl. Series 258:43 (2022)
[3]: X. Luri et al. A&A 616, A9 (2018)