NGC891 oder: Wie die Galaxie den Astrofotografen in den Wahnsinn treibt ...

  • Hier eine kleine Anekdote aus der Serie "Wie ich lernte, die Astrofotografie zu lieben".


    Letzten Herbst fing das Unheil damit an, dass ich einfach nur ein Bild von NGC891 machen wollte. Gerade vorher waren mir ein paar schoene Bilder gelungen, und ich suchte noch nach einem spontanen "Nachtfueller". Instrument war ein 14" Meade SCT auf Rupp Typ4-Montierung und Autoguider, volle Brennweite auf eine 2x2-gebinnte Altair Astro 26c-CMOS-Kamera.

    Hier nun meine Leidensgeschichte:

    21. Oktober 2023: Nun wollte ich wissen, was meine neue Hypercam so bei 3.5m Brennweite an NGC891 zu leisten imstande ist. 12 x 3min, denn viel Nacht war nicht mehr uebrig. Tags drauf die Datenreduktion. Die Details in den Staubbaendern waren phantastisch, doch was ist das Gebilde links davon?



    Offenbar kann meine Kamera dunkle Materie aufnehmen, und ich habe sie gerade entdeckt. Doch nein, statt Flugtickets nach Kopenhagen zu ordern, stellte ich diese "Entdeckung" doch eher in Frage.


    Nun, die Nacht war extrem feucht und der Sensor gekuehlt. Offenbar war hier das Fenster beschlagen.


    3. November: Fenster abgewischt, Fensterheizung auf Maximum gesetzt. 53x3min draufgehalten.



    Nun, der Murks verschwand nicht. Also ... wenn das Fenster nicht warm bleibt, weil die Nacht doch allzufeucht ist. Was tun? Filter einschrauben! Dann ist die Menge auskondensierbarer Luft vorm Fenster begrenzt. Das sollte gehen.

    Schnell einen 2" CLS-Filter eingedreht, inzwischen einen Optolong L-Pro geordert. Soll ja gut sein, gleich noch ein bisschen den Himmelshintergrund runterdrehen zu koennen.

    5. November 2023: Mit dem CLS gelangen mir 44x3min. Waere doch gelacht ...



    ... wer da lacht, ist hoechstens dieser Schmandfleck am NGC891. Am naechsten Morgen Kamera und Filter grundgereinigt. Ausgefoehnt und noch warm zusammengeschraubt. Da ist keine Feuchte mehr drin.

    Und es ist wieder klar. 6. November 2023, 28xmin:



    Grumpf !!! Am 7. November trudelt das L-Pro-Filter ein. Aber ich habe meine Hoffnung aufgegeben. Mit dem L-Pro gab es natuerlich auch keine Problemloesung.



    Schliesslich kam mir eine Idee: NGC891 ist nicht weit von zwei Sternen entfernt, die ich schon im 9x50-Sucher sehe. Wenn die mich nun foppen, indem sie streifendes Streulicht produzieren ?

    Immerhin ein Loesungsansatz. Mein "Astro Essentials"-2"-Fotoadapter zeigte dann auch ein edles Drehfinish, das trotz Eloxierung stark reflektierte. Auch gab es eine konische Innensektion, auf die Sternlicht wie bei einem Beugungsgitter in alle moeglichen Richtungen gestreut werden konnte.


    Hier nun "davor" und "danach" - ich habe den Adapter mit einem Pinsel und mattschwarzem Lack behandelt, indem ich ihn waehrend der Trockenphase mehrfach neu mit dem Pinsel aufrauhte.


     


    Das war im Oktober. Dann kamen sechs Wochen Wolken - eigentlich ein gutes Zeichen. Ich muss den Drachen geschlachtet haben!


    Schliesslich dann am 14. Januar, fast drei Monate nach dem ersten Versuch, gelang mir dann die gewuenschte Abbildung dieser Galaxie: Nunmehr mit dem L-Pro-Filter (den ich eigentlich gar nicht brauchte), 37x3min, mit erfolgreich "entstoertem" Adapter:




    Resumee: Immer schoen auf Streulicht achten und notfalls Adapter nachschwaerzen! Kleiner Fehler, grosse Wirkung. Aber immerhin ein Grund, einen neuen Filter zu kaufen. ;)

  • Hallo Jürgen, was für eine Geschichte!


    Ähnliches hatte ich auch schon: Eine Hülse deren Innenfläche "schön" glänzend eloxiert wie Speckschwarte glänzte und je nach Laternen, Mond oder hellem Stern in der Nähe mal diffuse, mal sichelförmige, mal fleckige Reflexe wie bei dir erzeugte, natürlich immer irgendwie anders, damit es nicht langweilig wird und man gar zu schnell auf die Lösung kommt :evil1: . Bei mir hatte es oft gleich mehrere Ursachen - wie sagt Kalle so schön: "Man kann Flöhe haben und trotzdem Läuse". Z.B stellte ich fest, dass das Blendrohr des RC8" etwas Licht am Blendrohr vorbei lässt, was man auch an den Flats sehen konnte.


    Hast du alle Versuche mit dem Streulicht verworfen? Wenn nicht, könntest du ja alle Daten zusammen stacken, je mehr Gesamtbelichtung um so besser. Immerhin hast du auch die NGC 891 Hintergrundgalaxien schön eingefangen. Im Abgleich mit Stellarium Web (Gaia Sternhelligkeiten) komme ich in deinem letzten Bild der Bildmitte auf eine Stern Grenzgröße von ca. 20,3 mag.


    Die Flecken könntest du mit Fitswork "Hintergrund ebnen variabel" weg bekommen. Wenn du einen Rohfile Summenstack aller Daten irgendwo hochladen magst, kann ich mich mal daran versuchen.

  • Hallo Stathis,


    danke fuer Deine nette Antwort. Das RC-Problem hatte ich an meinem 10" auch. Geloest habe ich es letztendlich durch einen Plastikring im Blendrohr, auf der Drehbank aus einem Verschluss einer Kartoffelchipsroehre erstellt. Weichplastik - nicht schlimm, wenn es beim Transport mal abfaellt und auf dem Spiegel landet.


    Ich werde die Daten zwar archivieren, aber mit dem "verstrahlten" Zeugs nichts mehr machen. Ich hatte erfolglos versucht, den Hintergrund mit Pixinsight glattzumachen. Es gibt ja diesen Spruch "Better no data than bad data" (besser keine als schlechte Daten), und gegebenenfalls kann ich noch eine Nacht mit guten Daten nachlegen.


    Inzwischen habe ich ja auch einen komakorrigierenden f/6.3-Reducer mit den passenden Abstandshuelsen (gestern erstmal vorsichtshalber nachgeschwaerzt), und dann bekomme ich meine Daten auch schneller und ohne Oversampling.

  • Darf ich mit deinen .jpg Bilder probieren? Hier dein 3. Bild von oben vom 5. November in Fitswork Hintergrund ebnen variabel, die Galaxie ausmaskiert, damit sie voll erhalten bleibt:



    Und hier das Ergebnis - Streulichtartefakt fast weg:



    Das würde mit den unkomprimierten Rohdaten vermutlich noch besser funktionieren.

  • Hi Stathis,


    danke, und ja, ich kann das natuerlich mit einer Maske machen. PixInsight hat auch so eine Funktion. Ich bin da nur noch nicht ganz sattelfest. Sollte ich mal ausprobieren.


    Beim genauen Hinsehen gibt es da immer noch ein paar Streifen (*). Mein Spiegel shiftet ja ein wenig (deshalb die Begrenzung auf 3min), und das Reflexbild bewegt sich anders als die Sterne. Das muss wohl die Streifen verursachen. Das Pointing war reproduzierbar, da ich immer den gleichen Leitstern am Leitrohr hatte. Den X/Y-Schlitten am Leitrohr hatte ich nicht verstellt, zumindest nicht in aufeinanderfolgenden Naechten.



    (*) Edit - die Streifen koennen natuerlich auch Artefakte sein, die vom komprimierten JPEG-Bild herruehren, wie es hochgeladen wurde. Im Original-XISF kann das natuerlich anders ausgehen.

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