Planetary NGC 1514 im Taurus - der Schweizer Käse

  • Schon letztes Jahr wollte ich ihn, doch die vielen Wolken wollten nicht weichen. Daher habe ich dieses Jahr schon früh in der "Stiersaison" begonnen, den planetarischen Nebel NGC 1514 im Stier zu fotografieren. Es gab ausgedehnte Schönwetterphasen und das Objekt lümmelt mit seiner gut +30° Deklination lange vor meinem Stadtbalkon herum und so konnte ich reichlich Photonen davon sammeln. Hinzu kam, dass ich die ASI2600MM Monokamera + O3 Filter vom Kumpel geliehen bekam (tausend Dank an dieser Stelle), um ausgiebig damit zu spielen und mit den Farbkameras + Dualbandfilter zu vergleichen. Es kamen insgesamt 16,3 Stunden Belichtungszeit zusammen:



    Es hat mich gefreut zu sehen, wie mit jeder Belichtungssession das Rauschen geringer wurde und dieser einmalig schöne Planetary immer besser hervortrat. Ich sehe Null H-Alpha, alles ausschließlich O-III Emission. Hier die knapp 5 Stunden des reinen O-III Kanals mit der Mono Kamera, die den größten Beitrag leisten:



    Ich finde weder den Namen "Christal Ball" noch "Taunebel" besonders passend, mich erinnert die löchrig netzartige Struktur eher an Schweizer Käse.


    William Herschel erkannte in NGC 1514 die nichtstellare Natur des Nebels und sprach von einem "most singular phenomenon" und beschrieb diesen Stern als "surrounded with a faintly luminous atmosphere". Das stand im Widerspruch zu der damaligen Meinung, dass alle Nebel Sternhaufen jenseits der Auflösungsgrenze seien. Herrschel folgerte, dass diese Vorstellung eventuell revidiert werden müsse (siehe Wikipedia). Eine sehr bemerkenswerte Beobachtung, finde ich.


    Bereits 1968 hat L. Kohoutek erforscht, dass der Stern HD 281679 im Zentrum des Nebels mit 9,5 mag und Spektralklasse A0III nicht der echte Zentrastern sein könne, da er viel zu hell sei und die Spektralklasse nicht passe. Er postulierte, dass es sich bei dem sichtbaren Stern um ein die hellere Komponente eines Doppelsternsystems handeln muss und der echte Zentrastern 60.000 K heiß sein muss (Original Quelle The binary- star hypothesis for the nucleus of NGC 1514).

    Untersuchungen von 2016 zeigen wiederum, dass sich die Radialgeschwindigkeit der beiden Komponenten binnen 500 Tage nicht änderte und sie schlussfolgerten, dass der 9,5 helle A0III Stern nichts mit dem echten Zentralstern und Planetary zu tun haben kann (Original Quelle The two central stars of NGC 1514: can they actually be related?).

    Gerade 1 Jahr später fand man heraus, dass es doch ein Doppelstern ist, jedoch mit einer sehr langen Umlaufzeit von 9 Jahren und einer hoch exzentrischen Bahn (Original Quelle The long-period binary central stars of the planetary nebulae NGC 1514 and LoTr 5). Ob die Doppelsterndynamik diese schönen Schweizer Käse Löcher erzeugt? Auf jeden Fall finde ich das ein schönes Beispiel, wie die Astrophysik immer genauere Ergebnisse liefert, Modelle verfeinert bzw. auch mal revidiert.


    Meine visuellen Beobachtungen:

    Bei Vorstadtbedingungen (fst = 5,6 mag, Milchstraße nur im Ansatz sichtbar) sah ich im 6 Zoll Reisedobson bei 36- fach + UHC Filter einen "Zentralstern mit eindeutigem Halo". Bei 67- fach notierte ich:

    "Sehr großer schöner Planetary. Mittelhelle Scheibe, nach außen zunächst langsam, dann schneller schwächer werdend".


    Im 17,5 Zoll Dobson unter besseren Voralpenbedingungen (fst = 6,3 mag), aber mäßigem Seeing schrieb ich:

    "Heller Zentralstern(*), an den sich eine große Scheibe anschließt, die nach außen immer schwächer wird. Außenrand sehr diffus auslaufend. Nach WNW stärker abfallend, daher leicht ovale Gesamtansicht".


    Ganz aktuell hat ihn Christoph mit seinem 22 Zoll Dobson beobachtet


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    Aufnahmedetails:

    Teleskop: GSO RC 200/1600 + 0,67 Reducer ==> f= 1.140 mm.

    Montierung: Losmandy G11

    Guiding: ZWO 30/120 mm mini Guidescope + ASI 120MM mini Guidecam, PHD2

    Bedingungen: Klarer, meist mondloser Stadthimmel, Laternen, Bortle 7-8, fst 4,5 mag, Objekt meist schön hoch am Himmel.

    Belichtungen Total 16h18m:

    25.09.2023: 54x2 min mit ASI294MC + UV/IR_Cut Filter RGB Gain 122 @ -10°C RGB Sterne

    26.09.2023: 108x2 min mit ASI294MC Optolong L-Enhance Filter Gain 122 @ -10°C

    27.09. +11.10.2023: 146x2 min mit ASI2600MM Monokamera + Optolong 7 nm O-III Filter Gain 100 @ -10°C

    10.10.2023: 47x2 min mit TS2600CP + Antlia ALP-T Gain 100 @ -10°C

    15.10.2023: 264x1min mit TS2600CP RGB ohne Filter Gain 100 @ -10°C

    Lights mit Sharpcap, Darks, Himmelsflats mit Bias während der Dämmerung mit Sharpcap.

    Bearbeitung: Stacking mit Siril, Hintergrundabzug + Rauschreduzierung+ Asinh+ GHS+ Hystogrammstrecken mit Siril. Sternfarbe mit Siril GHS Sättigungsstreckung. Die Filteraufnahmen mit Starnet++ die Sterne entfernt und die sternlose Version stärker gestreckt. In Gimp alle Ebenen übereinander gelegt und ausgerichtet.

  • Hi Stathis


    Eine wunderschöne Aufnahme dieses tollen PN! Der visuelle Eindruck habe ich noch sehr präsent. Einer meiner ersten PN die ich gezeichnet habe, ich glaube den muss ich wieder besuchen.


    Danke fürs teilen!


    CS, Seraphin

  • Hallo Seraphin,


    danke für die Blumen. Der Zentralbereich ist halt vergleichsweise hell und kommt sogar ungefiltert trotz Stadtlichtglocke recht kräftig heraus. Der Halo kommt jedoch erst richtig gut mit Schmalbandfilter. Visuell beschreibt Uwe Glahn mit 27 Zoll unter Hochgebirgshimmel den Halo als "very faint Glow" (--> Link PN Halos).

    Hier noch eine schöne Zeichnung von HanRolo mit 16 Zoll. Hast du deine Zeichnung irgendwo online?

  • Hi Stathis


    Ja, der Zentralbereich ist wirklich ziemlich hell.


    Klar, die ist hier:

    NGC1514


    Eine der ersten Gelegenheiten mit dem 12 Zöller bei wirklich guten Bedingungen, an diese Nacht erinnere ich mich immer wieder gerne!


    CS, Seraphin

  • Serus Stathis,


    ich finde NGC 1514 auch faszininierend und "besuche" ihn regelmäßig. Ein starkes Foto! So lange zu belichten bei so einem hellen Objekt – der Wahnsinn! Dafür komt der schwache Halo sehr deutlich hervor.


    Ich hatte ihn auch mal an einem 16-Zöller gezeichnet:



    Das Objekt lohnt sich m.E. visuell auch schon mit kleinerem Besteck. Mit meinem 8-Zöller habe ich z.B. am 9.2.2023 notiert: "schon im Übersichtsokular bei 43× als leichter Hof um einen auffallend hellen Stern erkennbar. Bei 80× ist der Hof sehr deutlich und groß. Im OIII-Filter ist der Nebel sehr auffällig, groß und hell und eindeutig inhomogen: zur Mitte hin dunkler, aber nicht überall gleich dunkel erscheinend; insgesamt erkenne ich drei Teilbereiche, die etwas dunkler erscheinen. Bei 200× ist der Nebel nur diffuser, nicht mehr so hell, dafür aber klarer zur Mitte hin dunkler. Man kann indirekt erahnen, dass es drei dunklere Bereiche gibt bzw. es dazwischen etwas heller, aber nicht so kontrastreich wie bei 80×. Der Zentralstern (bzw. der helle Doppelsternpartner des Zentralsterns) ist extrem auffällig, nicht zu einem PN passend."


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

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