Zwei Nächte klarer Himmel – Beobachtungsbericht 2. Teil (28./29. Mai 2023)

  • Dettenschwang, 28. Mai 2023. Wenn man schon eine Nacht durchgemacht hat, warum dann nicht gleich noch eine? Der Mond ist natürlich etwas dicker als am Vortrag und geht auch ein bisserl später unter, aber so ist das eben mit unserem Sonnenlichtreflektor da oben am Himmel.


    Nach dem Aufbau des Teleskops (8“ RC f/8) habe ich, als es dunkel genug war, Antares aufgesucht. Der Trennungsversuch war aber leider erfolglos. Das Seeing war am Horizont zu schlecht. Irgendwann aber muss es mal klappen…


    Mein Teleskop habe ich dann erstmal als Fotomaschine verwendet, denn das Mondlicht kann man ja durch Belichtungszeit ausgleichen. Zudem hatte ich am Vorabend leider versehentlich NGC 6229, das OdM Juni 2023, mit 40000 ISO fotografiert. Da ich mit einer DSLR und ohne PC fotografiere, nutze ich kein NINA, sondern platziere die Objekte manuell. Da knipse ich dann kurz mit 40000 ISO, um das Objekt der Begierde mittig ins Bild zu stellen. Danach habe ich noch schnell NGC 7789 in der Cassiopeia fotografiert. Nicht des Sternhaufens wegen, sondern weil WY Cassiopeia im Moment recht hell ist. Es ist ein Mira-Stern direkt südlich von NGC 7789, den ich hier im Forum schonmal ausführlich vorgestellt hatte.


    Nebenbei habe ich mit meinem 20 × 60mm-Fernglas die Tour des Vorabends begonnen. Latyshev 2 ist zu groß, um darin wirklich zu wirken. Der Asterismus des Pilzes, der zu M 101 zeigt, ist da aber bildfüllend und gut zu sehen. Mittlerweile habe ich auch erkannt (glaube), was der Benzinzapfhahn sein soll (inkl. Mizar und Alkor), aber mangels Wissens hatte ich auf diesen Asterismus (der einen Teil des Pilzstiels mit einbezieht) nicht beachtet:


    Bildgrundlage: SDSS (aus Wikisky.org)


    Da ich nach Monduntergang nicht mehr mit dem Fernglas unterwegs war, sondern nur vorher bei grellem Mondlicht, lohnt es sich nicht, einen Vergleich zum Vorabend aufzustellen. NGC 6633 ist natürlich bei 20× schöner, weil füllend, aber sonst verweise ich auf Teil 1.


    Nach dem Beenden der Fotoaktivitäten habe ich also meinen RC auf visuell umgesattelt und los ging’s:


    NGC 6633, ein wunderschöner Offener Sternhaufen im Ophiuchus, den ich in der Nacht davor mit dem Fernglas besucht hatte. Er hört auch auf die Namen Collinder 380 und Melotte 201 und wurde von O’Meara zum Hidden Treasure 92 erhoben. Von ihm kommt der Name Tweedledum Cluster (soviel wie Zwillingshaufen in Bezug auf die Zwillinge in Alice im Wunderland). Trotz Mondlicht erscheint der Sternhaufen sehr hell im Übersichtsokular (43× Vergr.) und ist völlig aufgelöst. Man kann schnell über 30, teils recht helle Sterne zählen, wobei die Abgrenzung zu den umliegenden Feldsternen in einer so sternenreichen Umgebung unklar ist. Der Haufen ist im Umriss deutlich länglich. Bei 81× Vergr. passt der Haufen noch komplett ins Gesichtsfeld und wirkt so noch schöner als bei 43×. O'Meara hat ihn nicht von ungefähr als Hidden Treasure eingestuft, denn er ist sowohl im Fernglas als auch im Teleskop sehr schön anzusehen. Die Assoziation als Geschwisterpaar aus Alice im Wunderland kann ich aber nicht nachvollziehen, denn ich sehe eher eine Einzelperson, wobei HD 170174 der Kopf ist, zwei Arme rechts und links vom Kopf in die Höhe gestreckt werden und die Beine eher Stummel sind – ich sehe daher einen Fußballspieler beim Torjubel, der gerade auf dem Boden kniet, nachdem er sich im vollen Lauf auf die Knie geworfen hat, gerutscht ist, jetzt zum ruhen gekommen ist und die beiden Arme in die Höhe streckt... Das Bundeligafinale ist vermutlich schuld an dieser Assoziation:


    Bildgrundlage: SDSS (aus Wikisky.org)


    O.k., der Kopf ist etwas groß für nur einen Stern, aber dessen Helligkeit ist's eben. ;)


    IC 4756 war natürlich das nächste Ziel. Es liegt in direkter Nähe, gehört aber bereits zu Serpens (Cauda). Er heißt auch Collinder 386 und Melotte 204 (bei Wikipedia noch als Mel 201, was ein Tippfehler ist) und ist auch ein Hiddentreasur (Nr. 93). Der Sternhaufen scheint in einem gleichschenkligen Dreieck zu liegen, welches von den Sternen HD 172046 (6m7), HD 172365 (6m4) und HD 171782 (7m8) gebildet wird, wobei der Haufen vor allem an der Seiten der beiden helleren Sterne liegt, insgesamt aber das ganze Dreieck ausfüllt. Die Dreiecksform wird aber vielleicht auch durch die drei hellen Sterne optisch etwas vorgegeben. Im Haufen selbst sieht man eine Vielzahl von Ketten, Bögen, kleinen Figuren. Sehr spektakulär und zurecht ein Hidden Treasure von O'Meara.


    NGC 6755 – Offener Sternhaufen im Adler, der auch Collinder 397 heißt. Im Adler war ich noch gar nicht auf Sternhaufenjagd. Der Mond störte zwar noch immer, aber er stand schon tief. Es wurde langsam besser. Interessant an NGC 6755 finde ich, dass er zufällig genau auf der Blicklinie zu dem Offenen Sternhaufen Czernik 39 liegt. Bei 80× Vergrößerung erkennt man von NGC 6755 ca. 40 Sterne, die locker verteilt interessante Muster bilden und die später im Jahr bei besseren Bedingungen eine genauere Beobachtung verdienen würden. Es sind Ketten zu erkennen, zwei etwas dichtere Bereiche, viel zu entdecken gibt es hier. Bei 81× ist der Haufen gesichtsfeldfüllend. Czernik 39, der hinter dem Haufen liegt, also optisch in NGC 6755 zu liegen scheint, ist aber nicht auszumachen.


    NGC 6738 – auch im Adler. Er galt erst als Offener Sternhaufen im Adler (= Collinder 396). In Wirklichkeit ist es aber ein Asterismus, und was für ein witziger. Erst dachte ich an einen Pilz (ein gestielter Becherling), aber Parabolantenne trifft es wohl besser, wobei die "Montierung" recht dünn ist, aber doch einen breiteren Fuß hat.


    Hier erstmal klassisch mit Norden = oben (und eingezeichneter Antenne)


    Bildgrundlage: SDSS (aus Wikisky.org)


    Und hier, wie ich's mit meinem Zenitspiegel im Teleskop gesehen habe:



    Ich fand im Okular die Parabolantenne sehr greifbar :P


    NGC 6709 – das „Fliegende Einhorn“ (wieder eine O’Meara-Kreation) aka Collinder 392 (= Hidden Treasure 94). Ein weiterer versteckter Schatz von O’Meara im Adler. Ich sehe hier eher ein Tentakelmonster gekreuzt mit einer Figur von Space Invaders, aber Assoziationen sind manchmal schräg, vor allem bei Zeitdruck wegen der bald beginnenden Morgendämmerung. Unabhängig davon findet man hier einen aufgrund der Sternketten sehr auffälligen Offenen Sternhaufen mit locker verteilten Sternen. Beobachtet wurde er bei 43× und 81×


    Da der Mond mittlerweile weg ist (soweit man das sagen kann, fst war jetzt bei ca. 6m0), habe ich die kurze Zeit bis zur Morgendämmerung jetzt vor allem für Planetarische Nebel verwendet. Und von denen findet man ja mehrere im Adler. Aber erstmal kurz zurück in den Schlangenträger:


    NGC 6572 – zum Einstieg etwas helles, einfaches. Dieser PN ist immerhin 8m1 hell und 0,6 × 0,4 Bogenminuten klein. Auch er ist ein Hidden Treasure (Nr. 90) und wird von O’Meara als Emerald Eye Nebula bezeichnet. Von dem Edelsteinauge war aber wenig zu erkennen (dafür muss man wohl fotografieren). Sowohl im Übersichtsokular (43×) als auch bei 81× Vergrößerung wirkt der kleine PN stellar, ist aber aufgrund seiner türkis wirkenden Färbung (!) sofort als PN identifizierbar! Bei 203× wird aus dem grünen "Sternchen" ein grauer, kleiner Nebelfleck, der etwas länglich erscheint. Für den Farbeindruck ist jetzt die Flächenhelligkeit zu gering. Mein OIII-Filter bringt hier wenig, drückt nur die Sterne etwas weg, was den PN noch klarer zu erkennen gibt (bei kleinerer Vergrößerung), aber es kommen auch bei 203× keine weiteren Details zum Vorschein. Um mehr zu erkennen, benötigt man wohl deutlich mehr Öffnung und Auflösung, da ich vermutlich nur den hellen, zentralen, balkenartigen Beriech gesehen habe, nicht aber die beiden Seitenlappen und auch nicht den Halo rundherum.


    NGC 6572 – Emerald Eye Nebula (Hidden Treasure 90)


    Nun aber in den Adler rüber…


    NGC 6804 – ein 1,1‘ großer PN mit einer Helligkeit von 12m0. Ob das bei den Bedingungen geht? Und ob das geht! Wenn man genau weiß, wo er sich befindet, ist dieser PN auch bei 43× Vergrößerung indirekt zu erkennen, bei 81× ist er deutlicher und für 12mag erstaunlich auffällig. Bei 203× ist im Nebel ein Stern deutlich erkennbar, wobei sich dieser am Rand des Nebels befindet, also nicht der Zentralstern ist. Ansonsten sieht man nur einen diffusen Nebelfleck, der vielleicht im Zentrum etwas schwächer ist, aber der Stern am Nebelrand lenkt das Auge etwas ab. Alles sehr diffus, aber deutlich.


    NGC 6804


    NGC 6803 liegt gleich daneben – 11m4 hell aber nur 10“ im Durchmesser, also fast stellar erscheined, wenn man ihn sucht, dafür aber sehr flächenhell. Mit Hilfe einer Aufsuchkarte ist dieser PN bei 81× leicht zu finden, aber er wirkt rein stellar und nicht nebelig. Bei 203× bleibt der stellare Eindruck, vielleicht etwas diffuser und unschärfer als andere Sterne, aber wüsste man nicht, dass es ein PN ist, wäre er hier nicht oder kaum erkennbar.


    Jetzt habe ich noch schnell einen Kugelsternhaufen aufgesucht: NGC 6760: Der Kugelsternhaufen (9m0, 9,6‘ Durchmesser) zeigt sich schon bei 43× als diffuser Nebelfleck, der bei 81× deutlicher und heller wirkt und eine etwas hellere Mitte zeigt. Bei 203× geht der Fleck eher etwas unter, Einzelsterne am Rand wurden nicht aufgelöst.


    NGC 6751 war das letzte Objekt dieser Nacht. Dieser PN ist 11m9 hell und hat einen Durchmesser von 26 Bogensekunden. Trotz der etwas widrigen Bedingungen (Morgendämmerung setzt ein) ist dieser für einen 8-Zöller doch recht lichtschwache und immerhin 0,5 Bogenminuten durchmessende PN ab 81× sofort als Nebelfleck zu erkennen. Im Übersichtsokular bei 43× hingegen ist Fehlanzeige. Bei 203× ist ein diffuser, schwacher, aber deutlich erkennbarer Nebelfleck auszumachen, der kreisrund erscheint, sonst aber keine Strukturmerkmale zeigt.


    NGC 6751


    Jetzt wurde es immer heller, der Morgen nahte. Also Abbau und ab nach Hause. Was für eine schöne Nacht (trotz Mond).


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Chrispop,


    das sind 3 sehr schöne Berichte, mit interesanten Objekten. Vor alle die Planetarischen Nebel hab ich mir zur Beobachtung notiert. Nicht zu fassen das Du fasst den kompletten Mai nicht beobachten konntest, war doch gerade die zweite Maihälfte hier bei uns meist klar und trocken. Aber schön das es jetzt wieder geklappt hat und es troz Mond Spaß gemacht hat.


    Viele Grüße,

    Bianka

    Teleskope: Newton 130/f5 , VMC 260/f11,5 / Newton 200/f4 , Kameras: ZWO ASI 183MM/183MC aber meistens visuell.

    Montierungen: EQ6-R,Celestron CGX,


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