Das Weltall im Nadelöhr

  • Eines meiner ersten Astronomiebücher war "Blick durchs Fernrohr" von Robert Henseling. Faszinierend die Aufnahmen darin! Besonders der Galaxienhaufen auf der letzten Seite. Wenn man eine Stopfnadel mit ausgestreckter Hand vors Auge hält, hat dieser Galaxienhaufen darin Platz! Welch bessere Demonstration über die Größenverhältnisse im Universum könnte es geben? Deshalb wurde der Galaxienhaufen „Das Weltall im Nadelöhr“ getauft.


    Jahre später hatte ich das 45 cm Teleskop gebaut, um Galaxienhaufen visuell zu beobachten. Da gab es als spezielle Herausforderung den Herkules Galaxienhaufen mit der atemberaubenden edge-on und den beiden head-ons, die wie zwei zusammenhängende Eier aussahen. Von dem extrem schwachen Corona Borealis Galaxienhaufen konnten wir in einer sehr klaren Nacht in den Bergen gerade 3 Galaxien erkennen. Und vom Per Gal Cl um NGC 1275 konnten wir 8 Galaxien im Gesichtsfeld des 8mm Okulars bei 250x sehr schön und leicht sehen. Weitere Galaxienhaufen wurden in Leo, And, Cet, Psc, und natürlich auch Coma und Vir, aufgesucht. Aber vom Weltall im Nadelöhr war nichts zu sehen, während wir die 2 Komponenten des Doppelquasars (Q0957+561 A+B) in der Nähe leidlich gut sehen konnten.


    Die Aufnahme vom Weltall im Nadelöhr stammt vom Bergedorfer Schmidtspiegel und wurde in einer Zeit gemacht, als der Himmel dort noch dunkel war. Ich vermute, dass man für eine visuelle Sichtung vielleicht sogar einen 1 m Spiegel braucht. Aber vielleicht könnt ihr Fotografen mit der heutigen Technik den Haufen erreichen? Eine Herausforderung ist der helle Stern in seiner Nähe.


    Da ich es wohl in meinem Leben nicht mehr schaffe, ihn zu sehen, hätte ich doch gerne eine Aufnahme. Meint ihr, ihr könntet es mal versuchen?


    In der AAVSO-Karte ist er mit einem schwarzen Kreis eingezeichnet. Die Koordinaten sind für 1950.0. Es folgt noch das Foto von Bergedorf und die Skizze von seiner Lage. Ich hoffe, die Angaben reichen, ich habe von ihm keine Abell-Nummer.


    Noch ein kleines Hindernis: Ich kann die PDFs leider nicht drehen…



    AAVSO.pdf


    Henseling_1.pdf


    Henseling_2.pdf

  • Hallo Helmut,


    wo hast du dieses Fossil ausgegraben? 1934 und in Sütterlin Schrift!

    Auf dem Bild sehe ich fast mehr Druckkleckse als Sterne und Galaxien, aber mithilfe der AAVSO Karte lässt sich so etwas heutzutage gut finden.

    Der helle Stern ist HD 102328 = SAO 28142 mit 5,3 mag und oranger Farbe (K2-Stern).

    Der Galaxienhaufen ist der Ursa Major I = Abell 1377 bei R.A.(2000): 11h47m21.3s und Dek.: +55°43'49", er ist sogar in der Uranometria eingetragen. Die hellste Galaxie davon ist die MCG+09-19-182 = PGC 36774 laut SkySafari mit 14,3 mag laut Simbad 14,8 mag(g). Ähnlich hell ist die MCG+09-19-190 = PGC 36805. Die sollten beide mit einem 45 cm Teleskop kein Problem sein, einige weitere bis ca. 16 mag könnten je nach Himmel auch gehen. Uwe Glahn hat mit 27 Zoll Dobson die hellsten Haufenmitglieder gezeichnet. In der Gegend tummeln sich auch einige etwas hellere NGC- Galaxien.


    Fotografisch kann ich ihn leider nicht erreichen, da müsste ich die Balkone über mir wegflexen. Da muss jemand anders ran. Hier ein schickes Bild auf Astrobin.

  • Hallo Stathis,


    ich bin begeistert! Vielen herzlichen Dank für die tolle Recherche mit den vielen Links!

    Ja, das ist der Haufen. Das Foto in dem Buch zeigt die Galaxien und ihre Anordnung, so wie sie auch auf dem neuen Foto zu sehen sind.

    Bleibt die Frage, warum wir sie damals nicht gesehen haben - vielleicht am falschen Stern.


    Das KOSMOS-Büchlein hatte der Astro-Freund, mit dem ich mit der Feldstecherbeobachtung angefangen habe. Vor ein paar Jahren habe ich es in ebay entdeckt und für ein paar Euros ersteigert, ich glaube, ich war da auch der einzige Bieter.


    Für mich hat sich jetzt ein Kreis geschlossen. Danke für dein Engagement!


    Mit astronomischen Grüßen von Helmut

  • Hallo Helmut, hallo Stathis


    ich habe es gerade von der Terasse aus mit dem 20iger versucht die PGC 36774 zu entdecken. Ein Sternchen mit 13.96m konnte ich noch recht gut sehen. Die diffuse Galaxie hingegen blieb hier in der hellen Vorstadt verborgen. Die Galaxie sollte aber bei dunklerem Himmel auf dem Land gehen.


    Beste Grüße

    Ralph

  • Hallo Stathis, Ralph und Forum, ich konnte gestern bereits einen ersten Versuch mit Martins 28 cm Refraktor in der Sternwarte Eberfing machen:


    Durch den Versuch von Ralph angetrieben, haben Martin und ich gestern bei Bedingungen mit Cirren einen Versuch gestartet, die NGCs, die den Haufen umranken, zu sehen.


    Zunächst einmal unsere Beobachtungen, an denen man sieht, welche Bedingungen wir hatten.


    Es ging los mit dem Flammennebel NGC 2024, eigentlich ging's aber los mit dem Untergang der Mondsichel auf der Autobahn (Helmut, schau auf'd Straß!) mit Venus und Jupiter, was einen klaren Himmel erhoffen ließ. Im Süden und im Nordwesten waren jedoch Cirren. Der Flammennebel war mit tollen Strukturen zu sehen, aber der Himmelshintergrund war hell. Den Pferdekopfnebel (natürlich mit Hbeta-Filter) habe ich nicht gesehen, das helle Band IC 434 aber schon.

    Abell 21 war hell (natürlich mit OIII-Filter) und strukturiert, also doch ganz guter Himmel? Abell 13 war nicht zu erkennen.

    Dafür der Hantelnebel in Gem, NGC 2371-2 mit einfachem Zentralstern und seinen asymmetrischen strukturierten Lappen. Beim Eskimonebel hat's uns dann umgehauen.

    Sirius B ging nicht wegen hochfrequentem Seeing. Was solls, den habe ich ja einmal so gut gesehen!

    Und NGC 2022 zeigte sich als Ringnebel mit einem Stern im Nebel.


    Das Weltall im Nadelöhr ist jetzt ziemlich hoch gestiegen. Martin stellt ein und sieht im Großfeldokular sofort NGC 3898 und 3888 ! Sie heben sich auffällig vor dem hellen Himmelshintergrund ab. Wir verifizieren die Sternumgebung anhand von Atlanten und meiner Skizze, die ich vom Foto von Stathis' Link angefertigt hatte. Paßt alles, aber NGC 3850, 3846 und 3889 sind nicht zu sehen. Hier dazwischen ist also Abell 1377... Es hat für heute wohl keinen Sinn hier weiter zu machen.


    Stattdessen stellt Martin zur Erholung M82 ein. Und es stellt sich heraus, dass dies das Objekt der Nacht ist !!! Bei hoher Vergrößerung sehen wir viele scharf umgrenzte Wolken! Und natürlich auch die dunklen Einbuchtungen, die die Galaxie so zerrissen aussehen läßt! Diese Schärfe ist sagenhaft, das kann nur dieser Refraktor. Ich habe M82 wohl noch nie so gut gesehen.


    Bei M51 sehen wir natürlich gesichtsfeldfüllend die Spiralen, die sich aber kaum vor dem hellen Himmelshintergrund abheben. Es sind einfach Cirren unterwegs. Die Cirren bilden sogar Konkurrenz-Milchstraßen.


    Danke Martin, für die tollen Beobachtungen und die Unterstützung bei den exotischen Objekten!


    Wieder daheim in München ist es deutlich mit Cirren bewölkt.

  • Hallo Helmut,


    da habt ihr doch einige tolle Eindrücke mitnehmen können - große Refraktoren haben schon was :).


    Meine legendärste Erinnerung an einen genial in verschiedene Teile "zerfetzten" M82 ist immer noch die vom Januar 1992 bei 400x in Ralph's altem 16er. Das war schon gegen Morgen, da hatten wir am Sudelfeld die ganze Nacht durchgemacht, und auch einen tollen Fisch NGC 4631 und M51 mit drin.


    Wenn ich mich recht erinnere warst es du, der uns NGC 2022 - schön als Ringnebel - schon anno Tobak in den 80ern in deinem 17,5" er gezeigt hast.


    Servus

    Ben

  • Hallo Helmut,

    mit grossem Vergnügen habe ich deinen Bericht über Abell 1377 gelesen. Als stark bibliophiler interessierter Mensch( manche sagen auch Buchverrückter) freuen mich solche Schätze wie deinen Schatz aus den dreissiger Jahren von Robert Henseling ganz besonders!

    Ralph Muth hatte mir vor ein paar Wochen über dein Anliegen und seine negative Beobachtung des Abell Haufens unter Vorstadtbedingungen erzählt. Darauf hab ich mal in meinen Unterlagen nachgesehen und eine mäßige Beobachtung des Haufens mit meinem 20 Zöller aus den 90ern gefunden.

    Aus diesem Grund hab ich mich vorletzte Woche mal am SF unter ganz guten -aber nicht Top- Bedingungen, diesmal mit dem 36 Zöller, wieder an die Beobachtung des Haufens gemacht!

    Im Aufsuch-Okular bei 170 facher Vergrösserung war der Bereich N des Sterns HD102328 trotz dessen Helligkeit schon gut gemottelt. Einige Galaxien konnten bei dieser Vergrösserung schon gut rausgelöst werden (PGC 36773, PGC 36805, PGC 36774, PGC 36839). Dann ging's an die Detailbeobachtung bei knapp 600x Vergrösserung und ganz passablem Seeing. Dabei konnten gut 30 bis 35 Galaxien mit Helligkeiten von knapp 16 mag bis deutlich unter 17mag herausgelöst und bestimmt werden.

    Vielleicht gehen unter Top-Bedingungen noch einige mehr...

    Hat Spass gemacht!

    schöne Grüsse in die Runde,

    Frank


  • Dabei konnten gut 30 bis 35 Galaxien mit Helligkeiten von knapp 16 mag bis deutlich unter 17mag herausgelöst und bestimmt werden.

    Hallo Frank,


    der Wahnsinn !!!

    Kann ich da vielleicht auch mal durchguggen?

    Also Galaxien mit 17m ist schon der Hammer. Du hast schon ziemlich viele gezeichnet, die auf dem historischem Foto zu sehen sind.


    Mit Dank und Astro-Grüßen,

    Helmut

  • Hallo Frank,


    Deine Zeichnung ist ja der Wahnsinn. So viele Galaxien und das visuell. Ihr müsst wirklich fantastische Bedingungen gehabt haben.


    Hast Du Lust die Zeichnung auch nochmal in die Galerie hochzuladen? Hier im Thread verschwindet sie irgendwann unten im Forum, aber in der Galerie kann man sie über die Zeichnungs-Kategorie immer wieder finden.


    Das wäre toll.

    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hast Du Lust die Zeichnung auch nochmal in die Galerie hochzuladen? Hier im Thread verschwindet sie irgendwann unten im Forum, aber in der Galerie kann man sie über die Zeichnungs-Kategorie immer wieder finden.


    Das wäre toll.

    Marcus

    Hallo Marcus,

    danke für dein Feedback! :)

    Hab's gerade noch in die Galerie gestellt...

    schöne Grüsse,

    Frank

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