Mit dem Fernglas 10x50 in den Alpen auf DS Jagd

  • Ein langes Wochenende im Montafon oberhalb von Schruns konnte ich dieses Mal nutzen, um am Abend mit dem Fernglas ein wenig auf Deep Sky Jagd zu gehen. Ich wollte sehen, was mit diesem einfachen Mittel bei einem guten Himmel möglich ist. Ich hatte ein Fotostativ und das Lidl/Meade Fernglas 10x50 dabei.


    Der Platz vor dem Haus hat eine ideale Sicht nach Osten und Süden, wobei im Osten das Hochjoch sich etwas breit macht. Der Westen wird durch ein paar Bäume etwas beschnitten, der Nordhorizont bis hinauf zu etwa 30° ist durch Berge verstellt, Andromeda aber gut sichtbar. Lichtquellen gibt es nur wenige, vor denen ich mich durch entsprechende Wahl des Aufstellungsortes ganz gut schützen konnte. Die Lichter von Schruns/Tschagguns sind mehr als 500 m weg, da der Beobachtungsplatz 500 m höher liegt.


    Am 1.9. begann die bürgerliche Dämmerung um 20:39 Uhr. Zu dieser Zeit war die Sicht am Südhorizont noch ziemlich mäßig (2/5), denn der Schütze ließ nur seine hellsten Sterne blicken. Er war aber zur Gänze zu sehen. Ab 30° Höhe wurde die Durchsicht besser, im Zenit herrschte gute Durchsicht. Auch das Seeing im Zenit war recht gut, kein Sternflimmern war zu sehen. Ab 22:00 Uhr war die Milchstraße von NO (Per) bis S (Sgr) sehr gut zu sehen mit viel Struktur. Die Visuelle Grenzhelligkeit war m5.5 in Ursa Minor, unadaptiert.


    Das Fernglas 10x50 war auf einem stabilen Fotostativ montiert. Auf diese Weise habe ich alle Objekte mit geringer oder normaler Höhe beobachtet. Die Objekte in größerer Höhe und im Zenit habe ich so beobachtet: Ich saß zurückgelegt in einem Gartenstuhl mit verstellbarer Rückenlehne und hielt das Fernglas mitsamt Fotostativ, wobei die Stativbeine zwar ausgezogenen, aber nicht gespreizt waren. Es ergab sich so eine Art Einbeinstativ, welches am Boden aufstand und somit für größere Handruhe beim Beobachten sorgte (siehe Signatur).


    Ich hatte meinem Palm Tungsten T5 mit dem Programm "Planetarium" (Shareware) dabei, welches einen Nachtmodus hat, wobei das Display auf Rot geschaltet ist. Wenn man außerdem die geringste Hintergrundhelligkeit wählt, wird man nicht geblendet. Man hat dann aktuelle Informationen über alle Objekte zur Hand und kann außerdem mit der Logbuchfunktion Beobachtungsnotizen machen.


    Um 20:40 Uhr begann ich bereits in der bürgerlichen Dämmerung, weil ich mir Venus und Jupiter zusammen anschauen wollte, welche nur 1.2° auseinander standen. Venus stand unter Jupiter. Venus war sehr hell, die Phase von 61° im FG10x50 nicht erkennbar. Jupiter war um 2 mag dunkler. Seine Monde waren trotz Fotostativ nicht erkennbar, da es noch zu hell war. Kurz über dem Horizont ist er dann in Wolken versunken.


    Mittlerweile war es mitten zwischen der bürgerlichen und der nautischen Dämmerung. Zu hell für Deep Sky, aber ... es gibt ja noch die Doppelsterne. Mal sehen, was ich finden konnte. Von früheren Versuchen z.B. mit Albireo wußte ich, daß mein Fernglas 30" noch gut trennt. Planetarium half hier sehr bei der spontanen Auswahl geeigneter Objekte.


    Zeta1,2 Lyr; 1.9.05; 20:50; Rechter vorderer Stern am Kasten der Leier, von den Kastensternen am nächsten an der Vega. Im FG10x50 gut getrennt. Helligkeiten m4.38/5.75, Distanz 45".


    Delta1,2 Lyr; 1.9.05; 20:54; Linker vorderer Kastenstern. Im FG10x50 sehr leicht zu trennen. Helligkeiten m5.6/4.32, Distanz 10'18".


    Mittlerweile war die nautische Dämmerung fast erreicht, es wurde dunkler und es konnte etwas schwieriger werden.


    Beta Lyr, Sheliak; 1.9.05; 21:03; Rechter hinterer Kastenstern. Im FG10x50 ist die 2. Komponente südlich bei dieser Himmelshelligkeit erst sehr schwach zu sehen. Helligkeiten m3.7/7.2, Distanz 45.7". Der Helligkeitsunterschied ist recht groß.


    Jetzt gings nach Westen zum Bootes:


    Delta Boo, Yale5681; 1.9.05; 21:16; Linker "Schulterstern". Im FG10x50 gut zu trennen, aber 2. Komponente in NNO schwach. Helligkeiten m3.5/7.8, Distanz 1'44.9".


    My1,2 Boo; 1.9.05; 21:21; My1 hat den Namen Alcalurops (Wander- oder Hirtenstab). My2 ist Yale5734. Helligkeiten m4.33/6.5, Distanz 1'48", Richtung SO. My bildet mit Delta und Beta nach Norden hin ein fast rechtwinkliges Dreieck. My1 und My2 sind leichter als Delta Boo zu erkennen, da die Helligkeitsunterschiede nicht so krass sind. My2 ist selbst wieder ein Doppelstern mit Helligkeiten m7.0/7.6, Distanz 2.2", also im Fernglas nicht zu trennen.


    Mittlerweile war die astronomische Dämmerung (22:02 Uhr) fast erreicht. Jetzt wollte ich ein paar Sternhaufen sehen. Zuerst war am Südhorizont der Schütze mit seinen vielen interessanten Objekten dran. Die Objekte kannte ich schon von Zuhause, wo ich sie letztens mit dem 114mm/f8 Newton beobachtet hatte.


    M 22, NGC6656; 1.9.05; 21:47; Ein Kugelsternhaufen mit Durchmesser 24', Helligkeit m6.5 im Schützen. Er ist größer als M13 im Herkules. Im FG10x50 erscheint er als milchiges Scheibchen. Er ist leicht zu finden, 2.4° nordöstlich von Lambda Sgr.


    M 25, IC4725; 1.9.05; 21:47; Ein sehr schöner Offener Sternhaufen mit Durchmesser 40' und Helligkeit m4.9. Er befindet sich von M22 aus 4.7° leicht schräg rechts nach oben. Hauptsächlich sind im FG10x50 die eingelagerten Sterne zu sehen. Die Nebelscheibe war um diese Zeit kaum vom Horizontdunst zu unterscheiden.


    Jetzt ging es mit dem Fernglas sozusagen am linken Rand der Milchstraße (auf der Überholspur) nach oben zum Sternbild Schild, welches aber nur schwach ist. Ich habe mir daher nicht die Mühe gemacht, es zu identifizieren, sondern habe gleich nach einem nebligen Scheibchen gesucht. Dieses war:


    M 11, Wild Duck Cluster, NGC6705; 1.9.05; 21:58; Ein Offener Sternhaufen mit Helligkeit m7.0, und Durchmesser 14'. Er ist gut zu sehen mit einigen Sternen in der nebligen Scheibe.


    Jetzt ging es wieder etwas zurück auf der Milchstraße, etwas mehr in die Mitte, zum obersten Randbereich des Schützen. M16 und M17 bilden zusammen zwei auffällige Flecken im Fernglas, M17 etwas links unterhalb von M16:


    M 17, Omega Neb., NGC6618; 1.9.05; 22:03; Der Nebel hat die Helligkeit m7.0 und einen Durchmesser von 11'. Er stand in einer Höhe von 25° und war gut zu erkennen.


    M 16, Eagle Neb., NGC6611; 1.9.05; 22:04; Ein Nebel mit einem Offenen Sternhaufen darin. Helligkeit 6.5, Durchmesser 7'. Der Nebel stand in einer Höhe von 27° und war gut zu erkennen, ebenso ein paar Sterne darin.


    In nicht ganz halbem Abstand M16 zu M17 steht unterhalb M17 der Offene Haufen M18:


    M 18, NGC6613; 1.9.05; 22:04; Offener Haufen mit Helligkeit m8.0 und Durchmesser 9'. Er war nur als sehr schwacher Fleck zu erkennen.


    Weiter runter geht es zur Spitze des "Teapots", Lambda Sgr im Schützen, auch Kaus Borealis mit Namen. Dort findet man M28. Er steht halbrechts von der Spitze in etwa 52' Abstand:


    M 28, NGC6626; 1.9.05; 22:14; Ein Offener Sternhaufen mit Helligkeit m8.5, Durchmesser 11.2'. Er ist nur sehr schwach im Horizontdunst (Alt 16°) zu erkennen.


    Jetzt noch mal 4.8° rechts rüber zum Lagunennebel und 1.3° fast senkrecht hoch zum Trifidnebel:


    M 8, Lagoon Nebula, NGC65223; 1.9.05; 22:19; Ein Nebel mit Sternhaufen von Helligkeit m5.0, Abmessung 90'x40'. Er ist recht groß. Sterne sind im Nebel eingebettet, welcher trotz etwas noch verbliebenem Horizontdunst (Alt 15.5°) gut zu erkennen war. Ein schöner Anblick. Im Fernglas sieht man ihn normalerweise schön zusammen mit M20 (Trifidnebel, NGC6514. m5.0, Ø 28'). Diesmal waren an dessen Stelle wegen des Horizontdunstes nur wenige schwache Sterne zu sehen, kein Nebelscheibchen war erkennbar.


    Um langsam zum Ende zu kommen, gab es als Abschluß noch ein paar weitere alte Bekannte:


    M 31, Andromeda Galaxie, NGC224; 1.9.05; 22:27; Abmessungen 178x63', Helligkeit m4.5. Lage etwa von SSW nach ONO. Mit bloßem Auge zu ahnen. Im Fernglas wirkt die Galaxie riesig, sie füllt einen großen Teil des Gesichtsfelds. Es waren ein fast gleichmäßig heller Kern mit am Kernrand rasch abnehmender Helligkeit und eine große schwache Scheibe zu sehen, die sich kaum nach außen abgrenzen ließ. Es waren keine Begleitgalaxien zu sehen (m10).


    C 10, NGC663; 1.9.05; 22:29; Ein Kugelsternhaufen mit Helligkeit m7.1, Durchmesser 16'. Er befindet sich in Kassiopeia links am "W" und bildet mit Eps. & Delta Cas ein gleichseitiges Dreieck. Er ist dadurch leicht zu finden.


    Ganz in der Nähe findet sich:


    M103, NGC581; 1.9.05; 22:30; Ein Offener Sternhaufen bei delta Cas links unten am "W" mit Helligkeit m7.0 und Durchmesser 6'. Er ist schwierig zu identifizieren, sicher sah ich im Fernglas nur den Hauptstern im NNO an der Spitze des Dreiecks, den das Objekt bildet, und wenige weitere Sterne. Der Haufen wirkt dadurch sehr dünn und eher wie ein schräges Strichlein mit Nebel rechts am Strich. Man ist nicht sicher, ob man ihn wirklich gesehen hat, wenn man seinen Anblick nicht schon vom Fernrohr kennt. (Habe ich am 4.9. zuhause nochmal überprüft).


    Noch ein "Leckerli":


    C 14, NGC869/884 hχ 1.9.05; 22:30; Beide Offenen Sternhaufen haben eine Helligkeit von m4.3 und einen Durchmesser von 30'. Sie sind leicht zu finden, wenn man von C10 nach unten geht und sind gut zu sehen. "Chi" (der rechte Haufen) sieht kleiner aus, weil seine hellsten Sterne näher beisammen stehen als bei "H".


    Und ganz zum Schluß noch eine Wiederholungsübung, das Aufsuchen des Hantelnebels M27, auch Dumbbell Nebula:


    M 27, Hantelnebel, auch Dumbbell Nebula, NGC6853; 1.9.05; 22:35; Ein Planetarischer Nebel in Vulpecula (Füchschen) mit Helligkeit m7.5 und Umfang 8.0x5.7'. Im Fernglas ist er als nebliger, runder Fleck ohne Struktur zu erkennen. Er ist nicht leicht zu finden. Ich bin vom Sternbild Delphin (eine kleine Raute aus hellen Sternen zwischen Peg & Aqu.) ausgegangen. Dann halbrechts hoch zu Pfeil (Sge). Dieser paßt nicht ganz ins Gesichtsfeld des Fernglases und liegt schon nahe dem Milchstraßensternengewimmel. Vom linken Stern gamma Sge geht man um 3.2° leicht schräg links nach oben, bis ein Nebelscheibchen sichtbar wird. Eventuell kann man auch von gamma Lyr (Kastenstern links unten) zu Albireo um 8.4° gehen und dann exakt in gleicher Richtung nochmal gleich so weit weiter. (Habe ich aber nicht ausprobiert).


    Das war´s an diesem Abend. 18 Objekte fürs Fernglas, manche einfach, manche schwierig, sowohl, was das Auffinden, als auch, was das Sehen betrifft. Langeweile kam jedenfalls keine auf, auch wenn ich nur das Fernglas mit hatte. 50 mm Öffnung sind außerdem gar nicht so schlecht im Vergleich zu einem 114mm/f8 Newton, der nach Abzug der linearen Obstruktion auch nur auf 89 mm Öffnung kommt.


    Alle, die sich bis hierher durchgelesen haben[B)], belohne ich, indem ich ihnen eine klare Nacht wünsche, Michael.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">erstaunlich was du alles gesehen hast, wunderschöner Beobachtungsbericht.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Vielen Dank, Andreas. Und so wunderschön lang. Meine Bewunderung dafür, daß Du den gelesen hast.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">da sieht man wieder einmal mit welch "einfachen" Mitteln man schon so viel vom Himmel haben kann.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ja, und wenn der Himmel gut ist.


    CS, Michael

  • Hallo Michael,


    ein sehr schöner bericht - der mir schon richtig den Mund wässrig macht - am Fr. geht's in die Alpen (Wettersteingebirge - einmal rund um die Zugspitze ;-). Hoffe auch auf so gute Bedindungen - muß mich nur wg. Gewicht noch entscheiden, ob ich nur das 10x50 oder das 20x80 samt Stativ mitnehme (immerhin wollen wir da ja zu Fuß rauf - auf die Zugspitze ;-).


    Gruß,
    René

  • Schöner Bericht! Man sieht: mit einfachsten Mitteln macht das Gucken auch Spaß. Wichtig ist aber auch die "Nachbereitung" der eigenen Beobachtungen, auch darin ist Dein Bericht sehr lehrreich.
    cs Matthias

  • Hallo Matthias,
    danke für das Lob. <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wichtig ist aber auch die "Nachbereitung" der eigenen Beobachtungen,<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Leider macht das doch ganz schön viel Arbeit. Für die nächste Nacht habe ich mir "etwas" weniger vorgenommen: M27 und M57 im 114mm/f8 Newton mit und ohne UHC-S Filter. Mal sehen, was dabei herauskommt. Heute Abend könnten wieder gute Bedingungen sein, und wahrscheinlich bin ich nach Stefan "Nafpie" Seip´s Vortrag im Planetarium Stuttgart auch ganz heiß aufs Spechteln. Wenn da nicht manchmal das Sandmännchen auch zu den großen Jungs käme [:D]....


    Klare Sicht für alle wünscht Michael.

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