Verunfalltes C11: Der Krimi ist noch nicht vorbei!

  • Hallo Fernrohrfreaks,


    ich hatte hier vor einigen Tagen ueber ein C11 berichtet, das ausgebeult werden musste, nachdem ein Schiebedach es plastisch deformiert hatte. Der Bericht schloss damit, dass das C11 ein paar thermische Schlieren zeigte, und erst noch auskuehlen muesse.

    Heute abend hatte ich mir das Geraet nochmal vorgenommen. Erstaunlicherweise wieder diese Signatur, die eigentlich auf einen "Warmluftsee" an der Schmidtplatte hindeutet. Dies liess sich jedoch widerlegen.

    Was sehe ich? Ich habe das mal versucht, an zwei Sternen mit der Kamera einzufangen. Da ich keine Nachfuehrung hatte, mit 6400 ISO und 1s belichtet, ohne Anspruch auf Schoenheit.

    Intrafokal:



    Extrafokal:


    Es zeigen sich intrafokal eine halbkreisfoermige Delle, extrafokal eine Spitze. In beiden Faellen ist diese in der gleichen Richtung verankert, wie sich durch testweises Abschatten verifizieren liess.

    Was ich bislang ausschliessen konnte:

    - Thermische Schlieren durch "Warmluftsee": Die Richtung des Effekts blieb konstant, wenn das Teleskop in alle moeglichen Richtungen geschwenkt wurde. Warme Luft wuerde sich ja umverteilen.

    - Okular und Zenitspiegel: Wurden verdreht, und auch mal ohne Zenitspiegel beobachtet - diese beiden Komponenten sind in Ordnung

    - Verspannte Schmidtplatte: Alle Schrauben, auch die radiale Madenschraube mit der Plastikspitze, wurden testweise gelockert. Keine Effektaenderung.

    - Verspannter Fangspiegel: Hier habe ich ebenfalls die Justierschrauben gleichmaessig gelockert und neu justiert. Der Effekt verschwindet nicht.

    Das intrafokale Bild sieht verdaechtig aus wie die Abschattung, die vor der Reparatur durch den eingebeulten Tubus da war. Allerdings ist diese Stelle um 60 Grad gegenueber der Beulenposition verdreht. Ausserdem - kann sich der Spiegel dergestalt plastisch deformieren?


    Ich hatte mal das Vergnuegen, den Totenschein fuer einen Zehnzoeller auszustellen, der heruntergefallen war. Dabei ist ein sehr grosser Muschelbruch auf der Rueckseite enstanden, wodurch der Spiegel in eine andere, nicht rotationssymmetrische Form gebracht wurde.

    Aber ein Bruch liegt bei dem C11 nicht vor. Auch keine Schrammen, die darauf hinweisen wuerden, dass das Schiebedach den Spiegel an einer bestimmten Stelle extrem gestresst haette. Waere sowas ueberhaupt moeglich?


    Ich denke, ich werde dieser Tage mal einen Foucaulttest am Hauptspiegel versuchen, um zu sehen, ob der Unfall die Form ruinierte.

    Am HImmel ist das Instrument nicht schlecht, hat aber diesen kontrastmindernden "Kometenschweif", der auch im Fokus bei hellen Objekten in Erscheinung tritt.

  • Moin,


    meine Idee wäre noch, eine nicht nur verspannte Schmidtplatte oder Fangspiegel, sondern direkt eine Verkippung eines von beiden. Wenn man auf den Tubus drückt, wie das Schiebedach, ist eventuell ja kein rechter Winkel mehr zwischen Tubus und Schmidtplatte gegeben. Damit wird dann der Strahlengang verändert, so dass dann der Lichtstrahl vom Strahlengang den Objektivtubus erwischt. Es könnte natürlich auch sein, dass der Boden auf dem der Primärspiegel ruht, nicht mehr senkrecht zum Tubus ist. Ich hoffe, Du verstehst was ich meine.


    Übertrieben gesehen, sieht das vielleicht so aus:



    Testen ist etwas schwierig, Du könntest von außen auf den Tubus drücken, dann sollte Bewegung entstehen und Dein Bild sich ändern. Auch das Ein- oder Ausfahren des OAZ sollte dann eine Bewegung im Deinem Bild auslösen und die Delle im Bild größer oder kleiner werden.

    Das bei Druck auf den Tubus die Geometrie verändert wurde, halte ich für am Wahrscheinlichsten. Da würde nur ein neuer Tubus aus der Bastelkiste helfen.


    Gruß Thomas

  • Hi Thomas,


    danke fuer Deine Anregung. Die Schmidtplatte ist allerdings relativ unempfindlich gegen Verkippung, da ihre Brechkraft sehr gering ist. Sie ist ja *fast* planparallel und sehr duenn. Selbst ein Strahlversatz bei starker Verkippung wuerde den ueberdimensionierten Hauptspiegel nicht verfehlen.

    Ich vermute eher, dass der Spiegel sich verzogen hat. Wie oben geschrieben, habe ich das mal bei dem 250er Newtonspiegel erlebt, den ein Freund fallengelassen hatte - typischer Schwalbenschwanzunfall im Dunkeln, Teleskop krachte runter und Spiegel hatte diese riesige Muschel auf der Rueckseite. Das Substrat hatte sich voellig verzogen und der Spiegel war hin. Ich habe fuer seine Hausratversicherung noch ein Gutachten angefertigt, in dem sinngemaess stand, dass es ein Totalschaden war.

    Allerdings sprechen auch Dinge gegen diese These:

    - Die dunkle Delle hat etwa die Ausmasse der Beule, die im Tubus war. Aber sie liegt 60 Grad entfernt vom Tubusschaden. Die Spiegelzelle wurde wieder korrekt angeschraubt, denn die Position war durch die Schwalbenschwanzschrauben eindeutig festgelegt. Allerdings koennte sich der Spiegel gedreht haben - er ist ja auf dem Blendrohr im Prinzip drehbar gelagert, aber normalerweise festgeklemmt.

    - Es gibt keine Schaeden an der Beschichtung. Waere dort etwas so hart an den Spiegel gepresst worden, dass dieser sich plastisch deformieren wuerde, waere doch sicher eine Spur an der Beschichtung erkennbar.

    - Keine Schaeden wie Muschelbrueche oder Haarrisse im Substrat - wobei ich aber auch nicht gezielt danach gesucht hatte. Das waere gegebenenfalls nochmal nachzupruefen.


    Derzeit also ein grosses Raetsel.

  • Kann ja eigentlich nicht passieren, aber sitzt der HS etwas schief ??

  • Hallo allerseits,

    ...vielleicht ein Ansatz auf Michaels u. Tomas' Reaktion...

    Durch das ,,zurück Verformen" mittels Hammer wird das Tubusmaterial an dieser Stelle gestaucht u. längt sich an dieser Stelle.

    Die exakt zylindrische Form u. Rundheit wird auch nicht wieder erreicht, so das durchaus ein Achsversatz bzw. Schiefstellung zwischen (nicht jusierbaren) Hauptspiegel/Blendrohr u. Fangspiegel entstehen kann.

    Bei 2,8m Brennweite sicherlich nicht zu verachten...

  • Hi Thomas,


    das Doppelbild ist lediglich durch Erschuetterungen entstanden. Ich hatte keine Nachfuehrung und habe einfach auf den Ausloeser gedrueckt, Belichtungszeit 1s.


    Visuell war dieses Feature nicht erkennbar.

  • Hallo Juergen,


    Dejustage sieht so nicht aus.

    Bei einem Newtonspigel wuerde ich nach den Spiegelklemmen schauen. Aber die hat ein C11 ja nicht.

    Es sieht sehr nach einer 'Delle' in der Optik aus. Wuerde man es sehen, wuerde ich sagen ein Muschelbruch oder Riss.

    Wir hatten mal einen Spiegel, der auf der Rueckseite durch Sturz einen Riss hatte. Es war nichtmal ein Stueck rausgebrochen. Nur der Riss, der ins Material ging. Und das auch noch an der Rueckseite. Die Materialverspannung konnte man bis zur Vorderseite im Ronchi sehen. Schau nochmal genau die Stelle am Spiegel an , wo sich diese Delle manifestiert.


    Spiegelrueckseite:


    Ronchi:


    Clear Skies,

    Gert

  • Wiederum danke fuer die Antworten. Eine Inspektion der Spiegelrueckseite ist auf der Liste, sobald ich Zeit und Platz finde, das Teil wieder auseinanderzunehmen. Punktuelle Verspannung durch den Unfall ist derzeit meine Vermutung. Nur komisch, dass die "Delle" im Bild 60 Grad entfernt von der Delle im Tubus liegt, und dass die Verspiegelung keine Schaeden aufweist.


    Der Patient muss definitiv nochmal unters Messer.

  • Ja, das Instrument wurde mit Velour ausgekleidet. Allerdings ist hierdurch keine Vignette entstanden. Ohne Okular ist im Fokus der ganze runde Hauptspiegelrand sichtbar, und auch beim Einblick von vorn zeigt sich keine Delle im Velour, die fuer eine passende Abschattung verantwortlich sein koennte.

  • Hallo Jürgen,

    befindet sich der Defekt denn in der Nähe der Hauptspiegelfokussierung, die ja auch sehr weit außen liegt?

    Falls ja, könnte da beim Crash irgendwas beschädigt worden sein, das eventuell Druck auf den Spiegel ausübt.


    Viele Grüße

    Rüdiger

  • Hallo JScmoll,


    mal eine Frage:


    Kannst Du einen Haarriß im HS definitv ausschließen? Denn ein solcher Haarriß würde tatsächlich den HS leicht verformen. Bei einem Celestron Katadioptrer liegt der Fokussierstab ziemlich weit außen am HS, die Spiegelzelle ist m. E. verklebt mit dem HS. Demzufolge könnte es sein, daß so ein Haarriß im HS entstand, als der Tubus gestaucht wurde, und zwar nicht dort, wo er gestaucht wurde sondern an der Stelle, an welchem die Spindel am hinteren Ende des HS ist.


    Liebe Grüße,


    Samuel

  • Hallo Ruediger und Samuel,


    das mit der Spiegelfokussierung koennte hinkommen, ich muss das nochmal nachsehen. Aber ich plane jetzt sowieso, den Patienten nochmal zu oeffnen. Leider habe ich keinen CT. ;)

    Wird ein paar Tage dauern, da ich die Kueche in Beschlag nehmen muss und das muss ich mit meiner "Regierung" klaeren. Die Werkstatt ist zu kalt und schmuddelig fuer sowas. Ein Reinraum waere nett.

  • Hallo JSchmoll,


    brauchst keinen CT, nur einen Freund bei British Airways, denn die Turbinenschaufeln von Jets werden in regelmäßigen Intervallen auf Haarriße geprüft, mittels Röntgen, wenn ich mich richtig erinnere.


    Oder Du hast noch einen Zahnarzt vor Ort mit den alten Röntgengeräten, die man an die Backe preßt wobei die Bestrahlung dann auf einem kleineren Film in der Mundhöhle erfolgt. Vielleicht kann der Zahnarzt mittels dieses alten Aparillos auch den HS röntgen, wer weiß?


    Viel Erfolg,


    Samuel

  • Ich hatte heute endlich Zeit, das Teleskop nochmal zu untersuchen. Hierzu machte ich einen sehr provisorischen Foucaultaufbau mit meinem kuenstlichen Stern und einer alten Wackelklinge. Der richtige Foucaulttester ist derzeit wegen Lichtquellenschadens ausser Betrieb.



    Ich musste einen Aluminiumfolienstreifen ueber die Lichtquelle kleben, in den ich zuvor mit der Stecknadel eine Perforation eingebracht habe. Nach einigem Gewuerge klappte das auch. Mir gelangen sogar Focaultgramme mit einer DSLR ohne Objektiv. So eine Wellenfrontsauerei wie in der Sternwarte beobachtet sollte so herausstehen wie ein wunder Zeh.


    Doch ...



    ... nichts!!! "Glatt wie ein Meitschibei", wie es Hans Rohr ("Ein Fernrohr fuer Jedermann") gesagt haette. Das ist uebrigens ein Gebaeckstueck, Rohr war ja Konditor.


    Empfindlich war der Test. Hier habe ich mal meine Hand ausgestreckt und verdampfen lassen. Ein paar Luftschlieren sind erkennbar. Frueher haette ich das mit Wellensittichen gemacht, aber unsere heutige Katze ist zu gross.



    Auch habe ich das Loch in der Aluminiumfolie mit einem 8mm-Okular beobachtet. Bis auf Astigmatismus, der an der Achsstellung des f/2-Spiegels liegt und bei meinem Aufbau unvermeidbar war, ein rundes Bild ohne Spike.


    Also Befund: Der Spiegel ist okay!



    Das laesst als letztes Glied in der Kette die Schmidtplatte zu. Das muss ich nochmal in der Sternwarte zeigen, indem ich mache, was man eigentlich nicht machen sollte: Die Schmidtplatte verdrehen.


    Ich tippe jetzt auf einen Fertigungsfehler in der Schmidtplatte, der schon immer da war, denn


    (i) haben die Betreiber der Sternwarte mir gesagt, dass dieser Spike schon immer da war und das Teleskop dennoch zufriedenstellte


    (ii) die Schmidtplatte zeigt keine Beschaedigungen wie Spruenge etc, und auch war die Crashseite ja am anderen Ende des Tubus


    (iii) das erklaert dann auch, warum diese Eindellung an einem anderen Rotationswinkel zu finden ist, als der Schaden.


    (iv) ich hatte in meiner Sternwarte saemtliche Schrauben gelockert, die die Platte hielten, um eine Deformation einer zu stramm eingesetzten Platte auszuschliessen.



    Eventuell war die Platte in der Maschine lokal verspannt, waehrend die Schmidtkurve eingebracht wurde. Der letzte Beleg wird noch durch Schmidtplattendrehung nachgereicht.

  • ... indem ich mache, was man eigentlich nicht machen sollte: Die Schmidtplatte verdrehen.

    Drehe die Schmidtplatte mitsamt der Halterung mit den Schrauben auf der Auβenseite des Tubus und nicht mittels der Schrauben auf der Schmidtplatte.

    Hab ich jedenfalls so gemacht.

  • Schmidtplatte gedreht --> Artefakt dreht sich mit. Also die Schmidtplatte. Gerade am kuenstlichen Stern verifiziert. Wahrscheinlich passierte das bei der Herstellung der Schmidtplatte - irgendein Mistknubbel zwischen Platte und Untergrund koennte so etwas erzeugt haben.

  • Hallo Jürgen,


    Schau mal einen stark defokussierten Stern an ( geht auch künstlich). So das der Donut ca 1/3 so groß wie das Blickfeld ist. Wenn es Brechungsindex Inhomogenitäten sind, wirst Du die als Helligkeitsmodulationen sehen. Es kann gut sein das das Glas der Platte nicht homogen ist.


    Good luck,

    Gert

  • Hallo Gert,


    danke dafuer ... aber das ist es nicht. So einen Vogel hatte ich auch schon mal, ein Meade 2080 aus den 1980ern. Da laufen die Streifen quer ueber die Pupille, hier ein Foto des 2080 am echten Stern:



    Hier war die Pupille eher "angebissen". Alles andere perfekt, und damit eine lokale und weder achs- noch rotationssymmetrische Problematik.

  • Hallo JSchmoll,


    schade... Aber die Streuung der Qualität von Celestron´s Schmidtplatten, gerade bei den C11 und C14-Modellen, war früher leider sehr groß. Einige C14 stachen heraus in Sachen Optik, andere weniger. Das kann gut möglich sein, daß bei der Fertigung geschlampt wurde. Traurig, das Ganze.


    Liebe Grüße,


    Samuel

    Paranoia ist ein Zustand, welcher der Realität noch am nächsten ist.


    Aus -Four past midnight- von Stephen King

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!