Projekt HD3r: Eine Montierung deutschen Typs mit 75mm-Achsen

  • Hallo allerseits,


    wie im "Was hast Du heute ausgepackt"-Thread vor einigen Tagen schon mal erwaehnt, baue ich gerade an einer groesseren deutschen Montierung.


    Hier moechte ich nach und nach meinen Fortschritt dokumentieren.


    Meine ersten zwei Posts sind jedoch eher als Folklore einzustufen. Fuer Leser, die nur an dem Montierungsbau interessiert sind, koennen diese Passagen uebersprungen werden. Andere moegen sie recht unterhaltsam finden, zeigen sie doch die Historie dieses Projekts, die immerhin 35 Jahre zurueckliegt und eine ziemlich verworrene Geschichte darstellt.


    Folklore1: Jugendsuenden


    Folklore2: Der Nervenzusammenbruch


    Danach geht es dann mit dem Montierungsbau los - versprochen!

  • Folklore1: Jugendsuenden


    Wir schreiben das Jahr 1987. Ich war damals 17, kam gerade von der Hauptschule, aber plante das Abitur zu machen und vielleicht sogar Physiker und Astronom zu werden. Gleichzeitig war ich aktiver Hobbyastronom, zusammen mit einigen wirklich guten Freunden. Zum gemeinsam Erlebten gehoerte auch das staendige Wehklagen ueber die Wacklizitaet unserer "Kaufhausmontierungen" (heute "EQ2"). Wir sassen vor Katalogen von Lichtenknecker, Wachter, Witte&Nehls, Vixen etc, jedoch: "Wenn ich einmal reich waer ...". So beschlossen wir wieder mal, selber Montierungen zu bauen. Dieses Projekt sollte sich als Erfolg herausstellen. Doch das ist eine andere Geschichte.


    Zeitgleich fiel mir auf, dass die wirklich grossen Profiteleskope wie diese fetten Meade-Newtons ebenfalls etwas untermontiert wirkten. Klar, die Welt hat auf mich gewartet!


    Irgendwann Ende Juni 1987 flatterte ein dicker Umschlag in die Posteingangsstelle der Meade Instruments Corporation in Costa Mesa, Kalifornien. Ein deutscher Sternfreund schrieb im hanebuechenen Englisch ueber seine profunden Erkenntnisse im Montierungsbau. Und er empfahl, fuer diese dicken Eimer wie das Meade DS16 (ein 16" f/4.5-Newton) anstelle dieser Typ2-Montierung doch eine Montierung mit Dreizollachsen heranzunehmen. Konstruktionszeichnungen lagen bei.

    Enjoy!




    (Ja, ich habe das ganze Zeug noch im Aktenordner)


    Hier meine Erguesse:




    Man beachte: "Steel founding" haette "Steel casting" heissen sollen, und das "rear" fuer die Saeule sollte die Uebersetzung von "Rohr" sein. Also "tube" oder "pipe".

    Auch waren diese Art von Rollenlagern nutzlos, da die axiale Lage der Achse nicht kontrollierbar war!


    Immerhin zum Schluss ein paar richtig schoene "Serviervorschlaege":



    Ich bekam einen Umschlag zurueck, in dem sich neben den angefragten Katalogen auch ein knapper Brief befand: "Entschuldigung fuer unsere langsame Antwort. Wir haben Ihre Vorschlaege an unser Ingenieursteam weitergeleitet." Gezeichnet von einer gewissen Pamela Diebel. Muss wohl eine Sekretaerin gewesen sein ... erst Jahre spaeter lernte ich, dass das immerhin die Frau vom Chef war! Nun, gebaut wurde die HD3 trotzdem nicht. Vielleicht, weil Meade zu der Zeit ganz andere Probleme hatte als stabilere Montierungen.


    Ich stelle mir heute vor, wie diese Skizzen am schwarzen Brett zur allgemeinen Erheiterung der Ingenieure gedient haben koennten.

  • Folklore2: Der Nervenzusammenbruch


    Zeitsprung: Wir schreiben das Jahr 2022. Inzwischen bin ich Astronom, aber in die Instrumentierungsschiene abgedriftet und als "Ingenieur" an der Uni Durham in England taetig. Immer noch bin ich der Amateurastronomie treu, baue fleissig neue Sternwarten im Garten etc. - dann fange ich diesen etwas speziellen Fisch hier:


    Immerhin ein 200mm-Refraktor, f/25 und gottseidank gefaltet. Eine Volkssternwarte in der Naehe von Manchester wollte das Teil abgeben, da sie keine Verwendung dafuer hatte. Gegen eine Spende kaufe ich die Katze im Sack. Es stellte sich schnell heraus, dass nach einigen Modifikationen ein sehr brauchbares Instrument vorlag. Nur ... diese Montierung!



    Ja, die Polhoehe ist wirkilch durch eine einzige Schraube geloest, die durch beide Gussteile gesteckt wird. "How not to build a mount". Wird diese Verbindung geloest, wird der Beobachter von seinem Teleskop erschlagen. Die Klemmungen sind Rutschkupplungen, allerdings eine 1/4"-Schraube mit Plastikspitze, die auf die 38.1mm-Achse drueckt (das sind anderthalb Zoll). Erstmal abgeaendert, auf der Fraese richtige Klemmungen daraus gemacht, die rund um die Achse angreifen. Das Gehaeuse versteift, eine Zweiachssteuerung angebracht - aus einer EQ5-Steuerung, und das funktioniert sogar!


    Hier das Ergebnis meiner Bemuehungen:



    Die Polhoehenfeineinstellung basiert auf Halterungen fuer Gartentore.


    Nadenn, seitdem erfeut sich der Refraktor vor allem am Planeten und Mond grosser Beliebtheit.


    Vor ein paar Wochen habe ich mal wieder Jupiter per ZWO ASI 120mc aufgenommen. Es war windig. Der Planet war mal hier, mal dort ... und immer, wenn es mal windstlll war und ich die einminuetige Aufnahme startete, hoerte ich prompt in den Baeumen der Umgebung wieder dieses Rauschen, und der Planet verliess wieder ruckartig die "region of interest".


    Ich war nervlich am Ende. Und sagte mir mal wieder: Ich brauche ne anstaendige Montierung!


    Schliesslich platzte mir der Kragen, und ich bestellte spontan auf Ebay vier Kegelrollenlager mit 75mm Innendurchmesser. So' ne HD3 waere doch was!


    Ich nenne sie jedoch nun HD3r, das "r" fuer realistisch, da ich doch bei der Konzeption von 1987 einige Boecke geschossen hatte.


    Was sich nicht geaendert hat, sind meine profunden CAD-Kenntnisse:



    Irgendwie so soll sie aussehen. In meinem Kopf hat sie bereits Formen angenommen, und ich kritzele weiter auf Karopapier wie damals in 1987.

    Immerhin, ich kenne genug Leute, die ein perfektes CAD-Rendering hinlegen, aber das Teil nie anfangen zu bauen. Waehrend die Grafik eine Schwaeche ist, habe ich inzwischen immerhin eine Metallwerkstatt aufzuweisen, die es ermoeglicht, nun "handgreiflich" zu werden und die HD3 endlich mal umzusetzen!

  • Ende November 2022: Metall, und erste Schritte!


    Nach dem Erwerb der preisguenstigen No-Name-Kegelrollenlager gab es erstmal Ernuechterung: Die dickwandigen Stahlrohre, die ich wollte, sollten ein Vermoegen kosten, da sie nur in 6m-Laengen verfuegbar waren. Immerhin fand ich recht bald 150mm-Vierkantrohr. Die Aluminiumbloecke fuer die Lagersitze dann wieder ... zum Glueck fand ich einen Arbeitskolllegen, der mir einen "Eisenmenschen" kundtat, der unweit von hier eine grosse und kostenguenstige Auswahl bereit haelt. Ein paar Emails und eine Autofahrt spaeter ...



    Die Achsen sind drei Zoll (76.2mm) und sie werden auf 75mm runtergedreht. Die Wandstaerke ist 6.35mm (1/4"). Der "Polblock" in den am Boden zusaemmengelegten Teilen ist nur stilisiert, er ist noch nicht auskonstruiert.

  • Als erstes mussten die Achsen auf 75mm abgedreht werden. Vorsichtig, um die Lager moeglichst spielfrei aufschieben zu koennen. Auch wurde ein M75x2-Gewinde geschnitten, fuer das ich auf Ebay passende Muttern fand. Hiermit werden die Kegelrollenlager vorgespannt.


    Zunaechst jedoch: Einfaches Stahlrohr, das eiert gut. Wichtig ist die Parallellitaet der beiden Lagersitze.



    Hier das Abdrehen. "Power feed", also automatische Zustellung, ist Gold wert.



    Nach einigen Iterationen: Passt!



    Hier die Deklinationsachse mit M75-Gewinde und Muttern, beide Lager installiert. Allerdings habe ich gepfuscht: Das obere Lager ist falsch herum, sonst wuerde der obere Ring abfallen. Spaeter wird er im Lagersitz gehalten.



    Und dann beide Achsen. Die Kartoffelchipsroehre dazwischen dient der Skalierung.


  • Nun die Lagersitze.


    Als Erstes Anzeichnen der Innenmasse des 150mm-Vierkantrohres (Wandstaerke 6mm) am Aluminium.


    Dann Einspannen in die Fraesmaschine.


    Und nach drei Passagen. Laeuft gut.




    Dies muss an allen 4 Seiten passieren. Dann noch die Ecken abrunden und eine Extrakerbe am Rohrfalz einbringen.


    Ich werde darueber baldmoeglichst berichten.

  • Zu den Getrieben: Es war geplant, die Getriebe der Originalmontierung zu uebernehmen, Immerhin 20cm Durchmesser (360 Zaehne) und 28cm Durchmesser (480 Zaehne). Herausgearbeitet aus Aluminium, sicher keine Hochpraezisionsschneckenraeder, aber gut genug fuer ein Planeteninstrument.


    Wie ich mich mit einem Astrokumpel unterhielt, offerierte dieser mir exakt die gleichen Getriebe, sogar noch mit Schrittmotoren dran, fuer einen unschlagbaren Preis - geschenkt! Was will ich mehr?




    Schwein gehabt!


    Uebrigens wieder diese Naben mit den 1/4"-Schrauben mit Plastikspitzen als Rutschkupplung. Da fraese ich wieder was Besseres raus, wie bei der originalen Montierung:


  • Moin Jürgen,


    klasse - ganz großes Kino! Einiges hat mich gerade vor Lachen in die Tischkante beissen lassen (Serviervorschläge..., "How not to build a mount"). :rolling_on_the_floor_laughing:

    Was die bei Meade wohl damals über Deinen Brief gedacht haben... ^^


    Bin gespannt wie es weiter geht!


    CS, Jochen


    PS: Du hattest Deinen Werdegang in einem früheren Post schonmal beschrieben. Dein Weg vom Hauptschüler zum Studium und sogar zur Promotion war sicher kein leichter -

    das nötigt mir den allergrößten Respekt ab! Da zeigt sich mal wieder, dass man eigentlich alles erreichen kann, wenn man für eine Sache "brennt" und ein bisschen Mumm in den Knochen hat! :thumbup:


    PPS: das mit dem Selbstbauwunsch "mangels Kohle" kenne ich gut. Ich habe mir seinerzeit - als Satellitenantennen noch quasi "Bundespost-Monopol" waren - zusammen mit einem Kollegen einen 1,8m

    Parabolspiegel aus Alustreben selbst gebogen (Schablone auf Millimeterpapier, Biegemaschine von einem Bekannten vom "Fernmeldezeugamt" geliehen) und mit VA-Mesh bespannt. Hat wunderbar funktioniert, wir konnten damals (Anfang/Mitte der 80er ?) die ersten analogen TV-Signale via Eutelsat damit empfangen: MusicBox, Teleclub...

  • Hallo Jürgen,


    klasse - ganz großes Kino! Einiges hat mich gerade vor Lachen in die Tischkante beissen lassen (Serviervorschläge..., "How not to build a mount"). :rolling_on_the_floor_laughing:

    Was die bei Meade wohl damals über Deinen Brief gedacht haben... ^^

    hier möchte ich mich gerne Jochen anschließen :thumbup: Meine Brille ist immer noch vor lauter Lachen beschlagen.


    Tja, die EierlegendeWollmilchSau in Bezug auf Stabilität einer Montierung ... als unser Spetzl die Achsen, Lager usw. für unsere Montierung drehte, fragte er (und er ist kein Astronom!) :


    "Wollt Ihr da ´nen Ochsen dranhängen?"


    ... Oh weh! Daran hatten Norbert und ich nicht gedacht. Somit waren die Zweifel schon wieder da!


    Ich bin schon sehr auf weitere Berichte von Dir gespannt.


    Danke für´s Teilen.


    viele Grüße

    René

  • Hallo Rene und Jochen,


    danke fuer Eure nette Rueckmeldung! Als ich gestern diese Skizzen nach Jahrzehnten aus dem Archiv holte, hatte ich eigentlich Schlimmeres in Erinnerung. Das Teil ist nach den alten Skizzen schon irgendwie baubar. Die gezeigten Skizzen waren nicht alle, ich hatte noch welche fuer jedes Einzelteil. Allerdings, Vollachsen und ein duenner Korpus drumherum, der wohl aus dem Vollen gefraest werden musste. Ungeeigneter Lagertyp - von Kegelrollenlagern hatte ich noch nicht gehoert. Dann beispielsweise dieser "onto axis polar finder", wie ich ihn nannte. Wie sollte der mit der Achse parallel justiert werden? Die Celestron CI700 hatte ja sowas, aber das wusste ich damals noch nicht. Die Teleskopentwicklungen kamen ja damals immer erst mit Verzoegerung ueber den grossen Teich nach "West Germany", wie das damals hiess.


    Das andere Montierungsprojekt, das ich mit meinen Freuden durchzog, klappte eigentlich nur, weil wir mit "Jugend forscht" einen Tueroeffner zu einer Maschinenfabrik hatten, in deren Ausbildungswerkstaette die Teile entstanden. Alles, was wir nicht konnten (Schneiden grosser Platten, Schweissen, Drehen) erfolgte dort zum Leidwesen eines gestressten Lehrmeisters, der sich den Weisungen des Chefs fuegen musste. Jedoch gab es auch hier ein kategorisches "Nein", als ich einen Aluminiumtubus mit 25cm Durchmesser und zwei Flanschen aus dem Vollen gedreht haben wollte. Prinzip: "Ihr seid eine Fabrik, Ihr koennt alles". Es war eine lehrreiche Zeit, die mir beibrachte, Teile nicht nur in funktioneller Hinsicht zu entwerfen, sondern auch auf eine wirtschaftliche Herstellbarkeit zu achten.


    Zur Ochsenfrage - ich haette geantwortet: "Ja, und zwar schwingungsfrei!". ;)

  • Jedoch gab es auch hier ein kategorisches "Nein", als ich einen Aluminiumtubus mit 25cm Durchmesser und zwei Flanschen aus dem Vollen gedreht haben wollte.

    :rolling_on_the_floor_laughing: :rolling_on_the_floor_laughing: :rolling_on_the_floor_laughing:

  • Heute abend passte ich die erste der 30mm starken Aluminiumplatten in das 150er Vierkantrohr ein. Diese Platten werden spaeter die Lagersitze eingedreht bekommen.


    Hierzu mussten die Platten auf 138mm Kantenlaenge gefraest und die Ecken abgerundet werden. Ich war ein ziemliches Spanferkel, nach jedem Arbeitsgang wurde erstmal alles abgesaugt.


     


    Ein iterativer Prozess, aber zuletzt liess sich die Platte mit dem Holzhammer eintreiben. Hier kurz vorm Wiederaustreiben, weil sie noch nicht 100% passte. Das Stueck Besenstiel hinter dem Vierkantrohr wurde hierzu eingesetzt, waehrend zwei der andere Aluplatten als Abstandshalter dienten.


    Schliesslich passte es dann.



    Das wird spaeter nateurlich verschraubt. Aber ein strammer Sitz stellt sicher, dass spaeter nichts klappert.


    Jetzt bin ich erstmal eine Woche in Frankreich auf Dienstreise. Solange ist es in der Werkstatt wieder still.

  • Nur ein kurzes Update: Das Projekt lebt noch. Es waren nur auf Arbeit ein paar Projekte "explodiert", und alles musste noch vor Weihnachten gemacht werden. Dann in den Weihnachtsferien wurde ich unfreiwilligerweise zum Krankenpfleger fuer meine bessere Haelfte. So, wie immer, weniger Fortschritt in den Ferien als erhofft.


    Ich habe gerade mit Platte Nummer vier angefangen. Zwei wichtige Sachen:

    (i) Nach dem Eintreiben der Platte muss diese von der anderen Seite per "Besenstiel" wieder ausgetrieben werden. Niemals die Platten auf beiden Seiten gleichzeitig einschlagen, denn dann gibt es keine Chance, sie wieder herauszubekommen. Das war mir allerdings schon klar, ich habe diesen Fehler nicht gemacht.


    (ii) Keine Gewalt! Ich habe eine Platte nur allzu enthusiastisch eingehaemmert, und beim Austreiben musste ich ein Stahlprofil als "Besenstiel" nehmen, und einen eisernen Vorschlaghammer. Das Werkstueck sieht dementsprechend ramponiert aus. Also wie beim Spiegelschleifen: Geduld siegt ueber Gewalt!

    Wenn alle vier Platten gut sitzen, so dass sie gut passend eingesteckt bzw. mit LEICHTEN Holzhammerschlaegen eingebracht werden koennen, werden sie auf dem Vierbackenfutter der Drehbank ihre Lagersitze erhalten. Dann gibt es auch wieder interessante Fotos. Ich habe darauf verzichtet, nach Platte 1 (oben im Post) die anderen Platten zu dokumentieren, da es sich um Wiederholungen handelt.

  • Nach einer gefuehlten Ewigkeit gehts hier bald weiter. Die Lagersitze sind fertig, und ich habe die Herstellung dokumentiert. War eine steile Lernkurve und ich werde ueber die Fertigung detaillierter berichten. Hier erstmal die Lagersitze, wie sie heute aussehen:



    Sieht irgendwo ein bisschen so aus wie meine Zeichnung von 1987:

  • Die Polhoehenfeineinstellung basiert auf Halterungen fuer Gartentore.

    Hier musste ich noch einmal ganz genau hinsehen und habe es dann erst beim zweiten Mal gecheckt. Das sieht aber schon ziemlich cool aus mit dieser Feinverstellung. Und sehr stabil! Mein technisches Wissen hält sich stark in Grenzen und ich habe oftmals Probleme, nur anhand von Text eine Vorstellung von diesen Dingen zu bekommen (damit du mein Level der Erfahrung verstehst, ich wusste bis eben nicht mal, wie ein "Lagersitz" aussieht und was das ist). Deswegen ist es viel besser, wenn man wie hier ausreichend viele Bilder zum Angucken dazu geschmissen bekommt. Das macht dann einfach richtig Spaß.


    Begeistert bin ich von deinen gefühlt unendlichen Fähigkeiten der Handwerkskunst, auch wenn ich deine anderen Beiträge so lese. Ich hab nen Kumpel, den ich ebenso als "Allzweckwaffe" bezeichne. "Kaputt? Lass mal schauen. Hmm. Ja das Ding ist gebrochen, das dreh ich schnell neu. Und das da hinten is aus Plastik, das dreh ich auch eben neu, is doch besser so. Die Kabel leg ich jez schnell ordentlicher und nen neuen Stecker hab ich auch dran gelötet. Ach, weißt du was, gib mir das Ding mal mit, in ner Woche hast dus wieder." Deine Fähigkeit, von Grob auf Fein nahtlos zu adaptieren, find ich einfach bewundernswert. An einem Tag ein SC mit Samthandschuhen reparieren und am anderen Tag mit dem Sledgehammer Eisen bearbeiten.


    Ist wirklich kein Geschleime, sondern meine aufrichtige, ehrliche Meinung und Ausdruck der Anerkennung.

  • Hallo Drehn,


    Improvisation ist halt alles. Ich sah zufaellig beim lokalen Hardware-Store so ein Teil auf dem Tresen liegen, und ich dachte, das sei exakt, was ich brauche. Aber trotz der Nachbesserungen ist die Originalmontierung mit dem 200/5000er Schaerrefraktor voellig ueberladen.

    Zu den Faehigkeiten, mal zur Mikrometerschraube und mal zum Hammer zu greifen: Das machte mir schon immer Spass, und waehrend ich sowas an der Uni nie lernte, kam es mir in meinem Job als "Instrument Scientist" gelegen. Teils war es aber auch eine Notwendigkeit, da groessere Amateurteleskope beispielsweise in den 1980ern unerschwinglich waren. Da lohnte sich selbst der Selbstschliff eines Sechszoellers noch - heute kostet ja schon ein Schleifsatz plus Aluminisierung und Fangspiegel mehr als ein komplett montiertes Geraet aus China. Allerdings mache ich vieles unorthodox, und ich kenne teils die deutschen Fachbegriffe nicht so: "Was - Bullennase? Das ist ein kugelgelagerter Zentrierkegel !", beispielsweise (war hier im Astrotreff). Im Englischen heisst der "live centre", und bei grossen konischen Durchmessern eben "Bull Nose". Und da ich mir das Drehen und Fraesen aus englischen Buechern beibrachte, verhaue ich mich manchmal mit den Fachbegriffen ... und auch mein Tun mag unter den Augen von echten Fachkraeften manchmal skurril anmuten. Ist halt wie ein Schweizer Taschenmesser: Kann irgendwie alles, aber nicht unbedingt richtig und gut.

    Sobald ich Zeit finde, geht es mit der Fotodokumentation der Lagersitze (oder Lagerfeld ... oder wie wuerde man sie nennen?) weiter.

  • So, nach all dieser Folklore jetzt aber wieder zur Sache!


    Ich habe erst experimentiert, und Blut+Schweiss+Traenen (+ein Werkzeug) lassen muessen, um den Prototypen herzustellen. Wieder viel gelernt. Nach einem holprigen 2. Teil kam die Routine, und am 3. Lagersitz (von 4) habe ich meinen finalen Arbeitsfluss dokumentieren koennen.


    Am Anfang ... steht eine dieser Platten, deren Aussendurchmesser ich soweit abgefraest und gefeilt hatte, dass er mit etwas Haemmerei in das Vierkantrohr getrieben werden konnte, das den Montierungskorpus bildet: Ein 150x150mm^2-Vierkantrohr mit 6mm Wandstaerke. Nach dieser Aktion (weiter oben beschrieben), brachte ich mit Messschieber und "bestem Wissen und Gewissen" die Zentralmarkierung an, die per Koerner eingehaemmert wurde.



    Damit ging ich dann zur Tina (meine Drehmaschine, 300mm Maximaldurchmesser, 750mm maximale Spitzenweite, eine GH 1230 von Warco (aber soviel wie dort aufgerufen hatte ich nicht bezahlt). Wegen der Aussenform wurde ein Vierbackenfutter eingesetzt, das unabhaengige Backen hatte: Vorteil ist, dass sich alles einstellen laesst. Nachteil ist, dass es keine Selbstzentrierung gibt. Das muss mit viel Geduld und Messuhr stattfinden. Hier mit Reitstockkonus zur Zentrierung auf das Koernerloch.


    Nach dieser Einstellung wurde mit einem Zentrierbohrer ein kleines Vorloch gebohrt. Die Zentrierbohrer sind konisch, um sich nicht durchzubiegen und ein praezises, aber nicht sehr tiefes Loch zu erschaffen, das dann durch einen normalen Metallbohrer erweitert wird.



    Hier nun der 10mm-Bohrer, der in diesem Arbeitsgang eine Hauptrolle spielt:


    (i) Er bohrt durch die gesamte Platte.

    (ii) Er dient zum Erhalt der Zentrierung, wenn ich auf halbem Weg das Werkstueck umdrehen muss, da mein Schneidwerkzeug zu kurz ist, alles in einem Gang zu machen.

    (iii) Er dient nach dem Ausbohren als Sicherung des Zentralteils, sodass dieses nicht unkontrolliert in die Maschine faellt.


    Es sei angemerkt, dass diese Methode aus Resorcengruenden gewaehlt wurde: ich mache auch so schon Spaene, die in der Muelltonne landen. Normalerweise wuerde einfach bis zu einem grossen Durchmesser gebohrt und dann weiter ausgedreht. Ich dachte aber, dass das schade ist, denn so ein nicht zerspanter Bohrkern ist ein schoener Rohling fuer andere Astroteile.



    Das Loch ist durch, und der Bohrer bleibt wo er ist. Dazu wird nun ein Schneidwerkzeug eingesetzt, auf einem willkuerlich festgelegten Durchmesser von 85mm: Groesser als der Achsdurchmesser (75mm), aber viel kleiner als der Lagerdurchmesser (130mm).



    Nun wird das "parting tool" eingebracht, ein Trennwerkzeug. Die ersten paar Millimeter sind okay. Dann macht die vertikale Ausdehnung des Werkzeugs Probleme, da dieses Werkzeug eigentlch fuer Radialschnitte von aussen (zum Abschneiden von zylindrischen Werkstuecken) vorgesehen ist.



    Hier hatte ich mein erstes Werkzeug zerbrochen. Jetzt weiss ich: Einfach radial rausfahren und einen Ring drehen, der eine Werkzeugbreite groesser ist. Dann zwischen beiden Radien alternieren: So gibt es genug Platz fuer den Werkzeughalter, und genug Raum fuer "Swarf evacuation", also Raum fuer die Spaene, das Werkstueck zu verlassen.



    Schliesslich ist die Maximaltiefe von ca. 20mm erreicht. Aber das Werkstueck ist 30mm dick! Also umgedreht und Bohrer wieder rein. Der wabbelt zunaechst, da die Zentrierung der Einspannung futsch ist. Also eine Messuhr auf den Bohrer legen und jetzt die vier Backen so verstellen, bis der Ausschlag beim manuellen (!) Drehen des Spannfutters minimal wird. Ein iterativer Prozess, ein bisschen wie beim "Scheinern" einer Montierung (fuer die, die noch ohne Polsucher oder Platesolving aufgewachsen sind).



    Jetzt passt es. Nun wird wieder ein 85mm-Ring gedreht, dann auf 90mm erweitert und das in die Tiefe getrieben.



    Schliesslich macht es "klonk" und der Innenteil beschliesst, sich nicht mehr mitzudrehen. Mit einem bisschen Hilfe eines grossen Schraubendrehers und manueller Rotation wird dieser Innenteil ausgetrieben. Dieses Teil hat eine scharfe "Klinge" und koennte zu einem Pizzaschneider weiterverarbeitet werden. Oder halt entgraten und fuer Astrosachen weiter verwenden.



    Nun wird bei gleicher Aufspannung (!) ein moeglichst glatter Innenzylinder gedreht.



    Dieser wird dann umgedreht und per Messuhr zentriert. Hier lernte ich wieder was: Es sollte bei der manuellen Drehung des Futters EIN Minimum und EIN Maximum entstehen, das dann durch entweder Festschrauben der einen Backe oder Loesen der gegenueberliegenden Backe reduziert werden kann. Ich bekam aber ZWEI Minima und Maxima pro Umdrehung. Dies ist der Elastizitaet des komprimerten Werkstuecks geschuldet, da die Wandstarke, wo die Backen greifen, ein Minimum angenommen hat. Wird das Teil zu fest eingespannt, werden die gegenueberliegenden Seiten nach innen deformiert.


    Was tun?


    Zeigen sich zwei gegenueberliegende Maxima, muessen beide Backen langsam geloest werden, bis ein Maximum verschwindet. Dann wird von der gegenueberliegenden Seite SACHTE nachgepresst. So laesst sich mit Geduld, Geduld und abermals Geduld ein Minimalpunkt erreichen, wo die Messuhr beim manuellen Drehen des Spannfutters nur wenig Ausschlag zeigt.



    Ist das erreicht, wird das Loch auf der Aussenseite mit einem Innendrehwerkzeug (im Englischen "Boring Bar") bis auf 12mm Tiefe erweitert. Hier sitzt spaeter das Kegelrollenlager auf. Wichtig ist, im Durchmesser nicht ueber das Ziel hinaus zu schiessen, um ein "Klappern" der Lager zu vermeiden.



    Um das sicherzustellen, wird mit dem Messschieber das Loch vorsichtig gemessen und die Digitalanzeige der entsprechenden Achse entsprechend geeicht - 128.2mm im Bild.



    Schliesslich wird bis 1-2mm zum Nenndurchmesser ausgebohrt und sich dann LANGSAM vorgetastet. Die Geduld eines Spiegelschleifers lohnt sich hier. Dann wird die Aussenschale des Kegelrollenlagers benutzt, um sicherzustellen, dass dieses so gerade und spielfrei reinpasst.



    Hier ist der Lagersitz fertig - jedoch aendert sich der Realdurchmesser noch: Das Werkstueck ist warm (besser mit einem Lappen anfassen, oder Handschuhe nehmen - diese aber beim Drehen wieder ausziehen wegen Arbeitssicherheit). Beim Abkuehlen zieht der Lagersitz sich zusammen. Gerade Aluminum hat eine signifikant groessere Waermeausdehung als Stahl. Es kann also passieren, dass die Lagerschale stecken bleibt und dann wieder per Schraubendreher etc. herausgetrieben werden muss - immer gegenueberliegende Seiten nehmen wegen Verkantung.


    Andererseits spielt auch die Einspannung eine Rolle - einmal der Maschine entnommen, lockert sich alles ein wenig weil der Kreis sich an den duennsten Stellen des Werkstuecks, wo die Backen von aussen angreifen, nicht mehr elastisch nach innen deformiert.


    Und weil das alles soviel Spass gemacht hat, mache wir das nochmal. Und nochmal. Und nochmal ... denn insgesamt sind vier Lagersitze notwendig, um die beiden Achsen zu defnieren:



    Zu Toleranzen: Ich fand, dass ich den Rundlauf nie auf 0 herunterzentrieren konnte. Es waren immer 10-20 Mikrometer Restfehler. Gemessen an dem eingetriebenen Zentrallloch ist das sogar noch wenig.


    Sind die gegenueberliegenden Kegelrollenlager nicht 100% parallel, kann ein Rundlauffehler entstehen. Um das zu vermeiden, werde ich die beiden Lager mit der Achse einpressen, bis die Lager kein Spiel mehr haben. Erst dann werden die Punkte markiert, an denen Gewindebohrungen eingebracht werden, um die Lagersitze mit dem Montierungskorpus (also den 150mm-Vierkantrohren, die das Aussengehaeuse bilden) zu verbinden.


    Was bleibt, ist der Orthogonalitaetsfehler der Achsen zueinander: Die Achsen stehen nicht exakt rechtwinklig zueinander. Dies verursacht den "cone error", also Konusfehler, und erzeugt einen blinden Fleck um den Himmelspol, der nicht angefahren werden kann. Deshalb haben die Schwalbenschwanzprofilschienen von Sky-Watcher beispielsweise die vier M4-Schrauben, die einen Gegenwinkel erzeugen koennen, um den "cone error" zu vermeiden.


    Zur Fehlerrechung: 0.25mm Zentralmarkierung, und vielleicht 0.1mm fuer die drei Aufspannungen nebst Neuzentierung. Also 0.35mm beim geringster Distanz zwischen den Lagern von 300mm (Deklinationsblock) machen 0.35mm ueber 300mm oder 4 Bogenminuten. Das sollte in der Praxis genug sein, oder es muss an der Teleskopaufnahme durch eine Neigung kompensiert werden.




    Soweit, so gut.


    Naechster Arbeitsschritt ist die Integration der Lagersitze in den Montierungskorpus. Vorher muessen die beiden Vierkantrohre aber noch an einigen Stellen versteift werden.

  • Ein bisschen Spass muss sein. Ich koennte mir die Bezeichnung "Spanferkel" jedenfalls als Lehrmeister gegenueber einem Lehrling vorstellen, der seinen Arbeitsplatz nicht sauber hinterlaesst.


    Uebrigens: Hart hinter den Kulissen meiner Bilder arbeitet ein beutelloser Bosch-Staubsauger, der sich als beste Moeglichkeit erwies, der ganzen Spaene Herr zu werden. Nach dem Fraesen frisst er alle Spaene, nach dem Drehen bildet sich vorn an der Saugspitze, die ich benutze, ein "Gewoelle", das ich manuell abziehen und der Muelltonne zufuehren kann. Das Aufraeumen nach dem Dreh- und Fraes-Spass ist der Teil eines Werkstattabends, bei dem die Haende am dreckigsten werden.

  • Mal wieder ein Update im HD3-Projekt:


    Die Gehaeuse fuer RA und Dek sind Vierkantrohre mit 150mm Seitenlaenge und 6mm Wandstaerke. Da am Deklinationsblock die Flanschplatte der Rektaszensionsachse anmontiert werden muss, und der Rektaszensionsblock in einer Polhoehengabel montiert wird, sind 6mm ein bisschen klein fuer Gewinde. So machte ich ein paar Stahlplatten, die an den passenden Stellen eingeschweisst wurden.


    Zugeschnitten wurden sie per Winkelschleifer auf einem Schlitten, der erlaubt, die Maschine geradlinig zu verfahren.


     


    Dann wurden die Teile nach Beschichtung mit einer Zinkfarbe, die schweissbar ist, im Innern der Rohre verschweisst.


       


    Nicht der schoenste "Schwiss", aber es hat auch nicht viel zu halten, da ja spaeter die Schrauben dort durch gehen.


    Schliesslich, nach Saeuberung von den Schweisspopeln, noch eine Schicht Galvanikfarbe.



    Inzwischen bin ich dabei, die Zylinder zu designen, die die Hohlachsen mit den Flanschen verbinden, auf denen dann der Deklinationsblock bzw. die Fernrohrwiege montiert werden.

  • Es ist mal wieder Zeit fuer ein Update!


    Die letzten Wochen sahen viele Bohrungen und ein erstes Zusammenfuegen von Teilen, aber auch die Korrektur eines ziemlich dummen Fehlers, der mich dazu zwang, zwei Montierungsscheiben abzuschneiden. Doch alles der Reihe nach!


    Zunaechst hatte ich eine Ladung Schrauben bestellt. M10-Senkkopfschrauben aus rostfreiem Edelstahl in verschiedenen Laengen. Die kurzen, M10x20, sind zum Fixieren der Lagerboecke in den Vierkantrohren vorgesehen, die den Montierungskorpus bilden. Mit einer aus einem alten Metallprofil erstellten Schablone wurden die Loecher angekoernt.

     


    Schliesslich wurde gebohrt: 6mm, 10mm, dann 20mm-Senkbohrungen. Schliesslich entgraten und testen, dass die Schraube komplett im Gehaeuse eintaucht.


     

    Zeitgleich wurde eine Flanschplatte erstellt, die die Verbindung zwischen Rektaszensions- und Deklinationsblock darstellen wird. Zufaellig hatte ich mal ein halbes Dutzend Reststuecke gekauft, die schon halbwegs die richtigen Abmessungen hatten. Eigentlich fuer Saeulenadapter auf Halde gelegt, dienen zwei davon jetzt fuer die HD3r - eine fuer den Deklinationsblock, eine fuer die Fernrohrwiege. In die Platte wurde eine Vertiefung eingedreht, die passgenau auf das Rohrachsenende aufgesteckt werden kann, das durch das Kegelrollenlager ein paar Millimeter hinaussteht. Mit der Achse befestigt wird das dann durch einen Zylinder, der passgenau in das Rohr getrieben werden kann. Dieser Zylinder hat zwei Kerben eingedreht, in die von der Hohlachse aus zweimal drei M8-Madenschrauben im 120-Grad-Winkel eingreifen. So wird der Zylinder in der Achse fixiert, bevor mit drei M10-Senkschrauben die Adapterplatte zum Deklinationsblock aufgeschraubt wird, die sich dabei ihrerseits auf die Aussenseite der Hohlachse aufpresst.


    Schliesslich eine erste Montage mit Vorspannung der Welle.




    Das lief schon ganz gut, aber der Skandal flog auch auf: Die Achsen waren zu kurz bzw. die Montierungskoerper zu lang! Ein Lager lag nicht auf der Zylinderflaeche auf, sondern auf dem Gewinde, das zum Vorspannen der Lager dienen sollte! Wo ich mich da auch immer vermessen habe .... zunaechst habe ich die Lagersitze ein paar Millimeter weiter eingetrieben, sodass unschoene Vertiefungen enstanden. Pfusch! Das waere mit einer CAD-Simulation nicht passiert ...



    Also erfolgte der Biss in den sauren Apfel: 42mm des Montierungskorpus mussten weg. Mangels einer Bandsaege machte ich das mit einem 6mm-Fraeser nach genauem Einrichten des Werkstueckes. Einen ganzen Sonntag lang machte ich Spaene. Und da das soviel Spass machte, machte ich das alles nochmal. Denn beim Deklinationsblock gab es den gleichen Fehler.

     


    Natuerlich lief der Fraeser zum Schluss doch nochmal aus, sodass nochmal 3mm abgeplant werden mussten, wozu ein 16mm-Fraeser zum Einsatz kam.


    Natuerlich mussten dann die Loecher neu rein.



    Womit ich die unbezahlte Mehrarbeit beenden konnte!

  • Nachdem ich nun die Wunden meiner eigenen Dummheit geleckt hatte, konnte ich wieder nach vorne schauen. Die Digitalanzeige meiner Fraese hat einen Modus, mit dem ich sehr genaue Bohrungsraster auch in Polarkoordinaten erstellen konnte. Das habe ich hiermit das erste Mal probiert, und das laeuft sehr gut.


      


    Das Hexagon habe ich dann aber durch ein Rechteckraster ersetzt: Vier M10-Schrauben und zwei 10mm-Stahlpins, die mit strammer Passung eingetrieben werden. Mit dieser Fuehrung kann der Deklinationsblock im Bedarfsfall durch Loesen der vier M10-Schrauben entfernt werden.


    Hier der Zylinder fuer das Innere der Hohlachse, mit den zwei Vertiefungen fuer die Madenschrauben. Der Durchmesser des Zylinders ist 2.5 Zoll oder 63.5mm.



    Die Rektaszensionsachse wurde in die Drehbank gespannt, um in Abstaenden von 50mm und 90mm vom Ende zwei Ringe einzumarkieren. Dann wurde per Wasserwaage auf einer Spannbacke des Drehfutters dieses horizontal gedreht (von Hand, die Maschine ist dabei aus) und es wird eine kleine Schramme durch die Ringmarkierung gemacht. So lassen sich drei Markierungen im 120-Grad-Winkel erstellen, die dann per Hammer und Koerner jeweils einen Krater bekommen.




      


    Spaeter wurden dort 6.8mm-Loecher gebohrt und M8-Gewinde geschnitten.



    Gestern habe ich dann die Adapterplatte nach Markieren auf der Fraese (mit dem Digitalsystem) gebohrt und alle Teile zusammegesetzt.


     



    Schliesslich musste ich nun die M75-Spannmutter etwas modifizieren, da sie so gerade nicht in der Lage war, die Lager vorzuspannen. Also das andere Extrem, auch dadurch bedingt, dass ich die Gehaeuse nach dem Abschneiden planfraesen musste. Also nochmal die Tina angeworfen, meine Drehbank ...



    Schliesslich hatte ich das erste Mal eine spielfreie Rektaszensionsachse am drehen. Auch wenn die Lagersitze noch verschraubt werden muessen ... dieser Teil der Montierung, drehbare Rektaszensionsachse im Korpus, wiegt bereits 23 kg.


  • Heute dann die Verheiratung mit dem Deklinationsblock!


    Auch hier hatte ich eine schlaflose Nacht: Wie kann ich den Deklinationsblock montieren oder demontieren, ohne die ganze Montierung zerlegen zu muessen? Eine sinnvolle Sequenz der Montage und Demontage sicherzustellen, macht eine gute Montierung aus.


    Schliesslich kam ich auf die Idee, statt Inbusschrauben Maschinenschrauben mit Aussensechskant einzusetzen.


    So hier meine Bastelei heute abend:


    Einbringen des Bohrungsrasters in den Deklinationsblock. Nach Finden der "Mitte" (etwas exzentrisch, da der Block in Gegengewichtsrichtung etwas laenger ist) und Nullen der Anzeige waren die Loecher fuer die vier M10-Schrauben auf (55/35, 55/-35, -55/-35, -55/35) Millimeter, und dazu zwei Loecher fuer die Registrierpins (10mm gehaerteter Stahl) auf (-65/0) und (65/0) mm.


    Schliesslich Gewinde geschnitten. Die Registrierpins haben 6mm-Loecher und eine kleine 10mm-Vertiefungsbohrung, da sie von der anderen Seite mit M6-Schrauben befestigt wurden. Gewindeschneiden war eine Qual ... nach zwei Sternwarten mit Stahlbau scheine ich keinen scharfen Gewindeschneider mehr in M10 zu haben. Nachschub ist bestellt.


     


    Schliesslich, nach einigen Iterationen mit drei verschiedenen aber allersamt stumpfen Gewindeschneidern, passte alles. Der Flansch wurde aussen heruntergedreht, sodass genug Platz fuer die M10-Schrauben und 17er-Schraubenschluessel vorhanden ist. Zum Montage wird die Flanschplatte, die rueckseitig die M10-Schrauben traegt (die mit der Flanschplatte montiert sind und nicht herausfallen koennen), von oben mit dem Deklinationsblock bestueckt. Die 10mm-Stahlpins bilden die Fuehrung, und die vier Schrauben werden Stueck fuer Stueck nacheinander von Hand eingedreht und schliesslich mit dem Schraubenschluessel festgezogen.


    Hier die Montierungsseite, die mit dem in der Achse eingelassenen Zylinder verschraubt wird.



    Die richtigen Schrauben kommen noch, aber ich habe das mal mit lediglich zwei M10-Schrauben provisorisch montiert. Yeah - ich habe ein Achsenkreuz !!! ;)



    Da liegt es nun, vorsichtshalber am Boden, sodass es nicht umfallen kann.



    Naechster Schritt ist, endlich die Loecher in die Seiten der Lagersitze zu bohren, um diese an den Korpus zu schrauben. Neue und hoffentlich scharfe M10-Gewindebohrer sind bestellt.

  • Heute nochmal ein paar Bilder:

    - Die Lagerbloecke sind inzwischen alle mit den Montierungskoerpern verschraubt.


    - Die Deklinationslagerung laeuft auch, die Aufnahmeplatte fuer die Fernrohrwiege ist installiert. Die Architektur ist die gleiche wie in Rektaszension: Ein Zylinder wird passgenau ins Rohr geschoben und dort mit sechs radialen M8-Madenschrauben verschraubt. Der Zylinder bekam dafuer zwei 1mm tiefe Rillen eingedreht. Darauf wird die 150mm grosse Flanschplatte angeschraubt, die gleichzeitig den Aussendurchmesser der 75mm-Achse auf einigen Millimetern umgreift.

    Hier nun die abermals verschraubte Montierung, erstmals ein funktionierendes Achsenkreuz und die Kegelrollenlager erstmals mit einem Allwettergleitmittel fuer Fahrraeder eingesprueht, da sie bislang trocken liefen. Spaeter kommt da ein Fett zum Einsatz, wahrscheinlich lithiumbasiert.


    Hier nun die Bilder von dem Klotz, mittlerweise 41kg schwer: 23kg fuer den Rektaszensionsblock, 17kg fuer Deklination.


       


    Als naechstens kommen die Zylinder in die anderen Seiten der Hohlwellen, die auch die Schneckenraeder halten. Hier muss ich sicherstellen, dass der Zapfen zum Schneckenrad rotationssymmetrisch ist und nicht eiert. Auch muss in Deklination das M30-Gewinde eingebracht werden, wo eine rostfreie M30-Gewindestange eingeschraubt wird. 30mm ist schoen steif, und es passen handelsuebliche Hantelnebelscheiben.


    Und dann braucht die Montierung ja auch noch einen Polblock ... also wahrscheinlich etwa Halbzeit in meinem Montierungsbauvorhaben.

  • Mal wieder Zeit fuer ein Update: Die Getriebe sind dran, die Gegengewichtsachse ist einschraubbar und die Klemmungen modifiziert. Doch der Reihe nach.


    Das Ausgangsproblem war, die 76mm-Achsen auf existierende Schneckenraeder zu adaptieren, die 38.1mm (1.5 Zoll) Innendurchmesser haben. Bei einer Vollwelle ware hier einfach eine Stufe eingedreht worden, aber ich habe Hohlwellen: Die haben nominell 63.5mm Innendurchmesser, da es Dreizollrohre mit viertelzoelliger Wandstaerke sind. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um gezogene Rohre handelt, deren Konzentrizitaet unbekannt ist. Ich musste nun zwei "Stoepsel" drehen, die sich in die 63.5mm einschieben lassen, und ihrerseits ein Stueck mit 38.1mm Aussendurchmesser enthalten, wo die Getriebe aufgeschoben werden. Ausserdem mussten noch Gewinde rein - in Deklination M30 fuer die Gegengewichtsstange, in Rektaszension M12 fuer eine Schraube mit Endkappe, damit das Getriebe gesichert ist.


    So weit, so gut. Ich hatte ein paar Aluminiumzylinder auf Ebay ergattert, aber sie einfach herunterzudrehen war keine gute Idee: Die Klemmbloecke an den Schneckenraedern sind auf Aluminum, und Alu auf Alu hat eine hohe Reibung und das Risiko, sich spaeter "festzufressen". Eine monolithische Loesung aus Messing oder Edelstahl scheiterte an den hohen Kosten. Sodann entschloss ich mich zum Wagnis einer Hybridloesung, fand ich doch noch eine schoene anderthalbzoellige Edelstahlwurst in meinem Fundus, die ich kurzerhand in zwei etwa 15cm lange Haelften teilte. Natuerlich ergibt sich ein weiterer Rundlauffehler, wenn diese Wellen in den Innenraum des ausgedrehten Aluzylinders getrieben werden, der seinerseits in die Achse geschoben wird. Aber vielleicht laesst sich ja durch passendes Verdrehen aller drei Komponenten eine Position finden, wo der Rundlauffehler minimal ist.


    Schaun wir mal ... als erstes wurden die 38.1mm-Edelstahlzylinder ausgebohrt und das Gewinde geschnitten. HIer offenbarte sich ein Problem: Meine Drehmaschine kann zwar Gewinde mit 3.5mm Steigung schneiden, aber der Drehstahl fuer das Innengewinde war nur bis zu 3mm Steigung ausgelegt, da die Spitze zu kurz war. Hier entschloss ich mich, einen guenstig erhaeltlichen M30x3.5-Gewindebohrer von Ebay zu kaufen, um das Gewinde in voller Tiefe vervollstaendigen zu koennen. HIer das Biest, verglichen mit einem M12-Gewindebohrer (golden) und ja, das grosse Windeisen war immer noch zu klein. Ein Rat im "Was hast Du heute ausgepackt?"-Thread hier im Astrotreff brachte mich aber weiter.


    Aber erstmal ausbohren. Bohrer hatte ich bis 26mm, dann wurde mit dem Innendrehmeissel auf 26.5mm erweitert:


      


    Jetzt sollte ich eigentlich mit dem Gewindebohrer weitermachen koennen. Aber: Was mit M12 geht, geht nicht mit M30 und ich beschloss, doch erstmal mit dem Gewindeschneid-Drehmeissel das Gewinde vorzuformen. Fuer 3.5mm Steigung musste ich erst noch zwei Zahnraeder im Getriebe der Drehbank tauschen. Hierdurch wird der untere Teil der Tabelle erreichbar. "E2 MI" macht dann den richtigen Vortrieb.

      


    Hier der Vorgewindeschnitt:


    Nach etlichen Durchgaengen konnte ich den Drehmeissel mit viel Gewuerge eindrehen. Ich setzte hierbei den Vorschlag von TecMar aus dem "Ausgepackt"-Thread um, nochmal Danke, das funktionierte! Ich musste dann aber doch einen "Englaender nehmen", und ein vollgeschwitztes T-Shirt spaeter war das Gewinde dann drin. Die Huelse liess sich auf die Gewindestange (=Gegengewichtsachse) aufschrauben. Puh!


         


    Das hat alles so viel Spass gemacht, dass ich es nochmal machte. Aber mit M12 fuer die Fallschutzschraube fuers Rektaszensionsgetriebe war das vergleichsweise trivial.

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