Ihr Lieben,
Im OdM-November-Beitrag hatte ich es schon angekündigt … ein Bericht! Ein neuer Schwärm-Astroverliebtseins-Bericht von meinem letzten Besuch auf der Alb am Sonntagabend! Fragt mich nicht, was mich dazu bewegt hat, bei Mondsichel am frühen Abend und der Aussicht auf 50 % mittlere Wolken und 40 % Zirren die 50 km lange Fahrt auf mich zu nehmen … Das Auto war aber von der ersten Fahrt zu meinem Kurzurlaubsort wenige Tage zuvor gepackt, also brauchte ich tatsächlich etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang nur meine warmen Kleider ins Auto zu werfen, alles andere lag ja noch im Kofferraum bereit. Ja, und meine süße Astrobegleithündin habe ich mitgenommen!
Inzwischen habe ich auch zum ersten Mal einen ganz echten Erdschatten gesehen! Davon hatte ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal bewusst gelesen und mich dann gefragt, wie das denn so wirklich aussieht. Ja, klar wie Kloßbrühe, nachdem ich es mir erklären lassen habe. Ein schöner, mehrere Finger breiter, graublauer Streifen, über dem wie als Abschluss ein pastellfarbener, ganz schmaler Streifen lag, der fast wie eine Dunstschicht wirkte. Ein ganz tolles Phänomen, nach dem ich seither abends Ausschau halte, wenn ich spontan zu einem goldenen Sonnenuntergang nach draußen in die Felder hechte.
Zurück nach Römerstein, wo ich mich nun am Feldrand postiere. Schon kurz nach der Dämmerung kommt die Milchstraße hervor, ich warte dennoch lieber im warmen Auto, bis es richtig dunkel wird. Aber … ja … wo sind denn eigentlich die ganzen Wolken? Seltsam. Keine einzige weit und breit zu sehen. Keine Zirren. Wirklich seltsam. Aber durch die Scheibe sieht es mir dann doch immer wieder dunstig und feucht aus. Klar, wie immer auf der Alb. Na, irgendwann raffe ich mich doch mal auf, öffne die Autotür, lasse kühle Luft herein, die erstaunlich gut tut und dann … der Blick nach oben. BOAH!! Sternenklar, eine funkelnde, satte und üppig leuchtende Milchstraße, damit habe ich ja gar nicht gerechnet! Hochmotiviert springe ich zu meinem Teleskop, meine Begleithündin mache ich an der langen Leine an einem Kofferraumhaken fest, damit sie die Gegend erkunden kann. Atlas auf den Schoß, Lampe an die Stirn, Okulartasche in Griffweite, Attacke!
Station 1: Bird’s Nest (Cygnus)
Dieses faszinierend filigrane Fleckchen Weltall hat so viele Anläufe gebraucht, heute kommt aber die Offenbarung! Je länger ich beobachte, desto deutlicher wird es: Das Vogelnest schält sich nach und nach als ovale, leicht schimmernde Fläche heraus, die im Nordwesten von zwei helleren Sternen markiert wird, im Süden von einer ovalen Umrandung schwächerer Sterne. Insgesamt funkeln nur der NW und der Süden mit einer Hintergrundaufhellung, ein schmaler Bereich dazwischen zeigt nur schwache Sternpünktlein. Weiter im Süden zeigt ein Dreieck aus zwei hellen und einem schwächeren Stern das Ende des Nestes an. Bei deutlich längerer Betrachtung erscheinen im SW und Norden/NO zwei längliche Aufhellungen mit Sternpünktchen am Nordrand, die die Abgrenzung zum Dunkelschlauch angeben. Eingerahmt wird das Nest weiter außen von drei längeren Sternketten. Es wird immer und immer schöner, je länger ich es anschaue!
Stationen 2 und 3: Barnard 353 und 352
Barnard 353 ist als dunklerer Bereich angrenzend an Bird’s Nest auszumachen, er ist - wie so oft bei Dunkelnebeln - nicht als solcher zu erkennen, nur anhand der angrenzenden Aufhellungen. Die dunkle Fläche ist schon sehr subtil, aber da!
Barnard 352 ist beim Weiterschwenken von Bird’s Nest aus als dreieckiger, sternenloser Bereich zu erkennen, an dessen Rand im WSW und NO einige etwas hellere Sterne zum Abgrenzen dienen. Diese sternenlose Gegend ist erstaunlich groß, toll!
Station 4: Christophs OdM Juli - IC 5076 und NGC 6991-2
Den Oktopus (NGC 6991-2) will ich nun endlich zeichnen, nachdem ich ihn mehrfach besucht und jedes Mal für zu sternenreich befunden habe. Tags darauf habe ich mich dann jedes Mal darüber geärgert
Der Reflexionsnebel: Hat DAS lange gedauert und so viele Anläufe gebraucht! Ich kann irgendwann ein Dreieck westlich von HD 199478 ausmachen, das aus zwei sehr schwachen Sternlein nördlich und zwei östlich (einer davon ebenso schwach, der östlichste deutlich heller) sowie einem recht hellen Stern an der westlichen Spitze geformt wird. An der von Norden nach Westen laufenden Dreiecksseite erscheint nach langem, konzentriertem, indirektem Sehen dann doch endlich ein heller Streifen, immer wieder. Zwischendurch zeigt sich auch zwischen den beiden helleren Sternen von Westen nach Osten ein etwas schwächerer, aber dennoch erkennbarer, heller Streifen. Ganz selten ploppt gleichzeitig ein schwaches „V“ auf.
Meine Astrobegleithündin Feli knurrt. Nanu, was hört sie denn? Aha. Einen Rehbock, der ganz schön garstig brüllt aus der Ferne. Ich bin Wildtiergeräusche in der freien Natur nicht wirklich gewohnt, aber habe dennoch das Vertrauen, dass mir kein Großtier nahe kommen wird, schon gar nicht mit so einem meilenweit riechenden und hörbaren Hundetier an meiner Seite. Von dem sich vielleicht auch der Rehbock irgendwo am Ende der Wiese gestört gefühlt haben könnte. Ein Glück lässt sich mein Hund dann aber auch beruhigen. Sie widmet sich wieder intensiven Schnuffelarbeiten zwischen dem Herbstlaub und hüpft immer wieder zum Dösen in den offenen Kofferraum zu ihren kuscheligen Decken.
Station 5: King 1
Auch dieser Kandidat hat schon viele Anläufe gebraucht, eine so harte Nuss! Bei 265x werde ich endlich für meine Hartnäckigkeit belohnt, denn zwischen den beiden hellen Sternen tauchen einzelne, schüchterne Sternpunkte auf!! Da sind STERNE!! Wie ein ganz feines, weit entferntes Funkelfeuerwerk erscheinen sie an unterschiedlichen Stellen, ganz schwach, ganz subtil, ganz faszinierend. Es sind ungefähr 15-30 Sternpünktchen der allerfeinsten Art, die hier vor dem schwarzen Hintergrund tanzen. Juhuu!
Station 6 (ideal für die botanisch vorbelastete, sternhaufenliebende Hobbyastronomin): NGC 7789
Bei 42x ist der OS noch fein, klein und halbwegs unscheinbar. Da geht natürlich noch mehr! Bei 96x prangt mir dann ein riesengroßer Puderzuckerhaufen entgegen, der vollständig aus haarfeinen Funkelsternchen besteht. Zum ersten Mal erkenne ich, warum er „Caroline’s Rose“ heißt: Ich erkenne hier und da leicht dunklere Bereiche, sodass der große, zarte Funkelhaufen tatsächlich an eine Rosenblüte erinnert! Nördlich schmiegt sich mit etwas Abstand eine Kette heller Sterne an, das wäre mir ohne Hinweis gar nicht aufgefallen, es ist aber richtig schön! Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, diesen Sternhaufen in seiner Schönheit würdigen zu können. Endlich!
Station 7: NGC 1528
Diesen Sternhaufen habe ich schon mehrfach besucht, an diesem Abend noch einmal inspiriert durch Renes Beobachtungsbericht. Inzwischen ist auch hier eine Zeichnung entstanden, mit 4 Zoll aus meinem Garten heraus allerdings, aber macht ja nichts:
Station 8: Mein eigenes OdM November - NGC 750 und NGC 751
Da stelle ich ein Objekt des Monats vor, das genaugenommen aus zwei Objekten besteht, und ich habe es selbst noch nicht getrennt gesehen! Wenn heute Abend schon einmal 265x funktioniert haben, dann bestimmt auch bei den beiden interagierenden Galaxien. Wie soll es auch anders sein, das süße Glück ist mir an diesem Abend stundenlang treu und mir gelingt endlich die blickweise getrennte Sichtung der beiden hellen Kondensationen! Es ist zwar knapp an der Grenze, aber die sonst längliche Aufhellung wird immer wieder doppelt und knubbelig sichtbar, juhuuu!
Station 9: Entspannungspause mit dem 8x30
Warum ist eigentlich meine ganze Ausrüstung trocken? Warum beschlägt heute nichts? Es macht sich mal wieder überraschende Verwirrung in mir breit, bis mir klar wird: Heute ist es nicht feucht, auch nicht diesig, auch nicht nass. Und wolkig immer noch nicht. Mir dämmert, was für eine geniale Ausnahmenacht ich hier gerade erlebe! Also dann mal etwas Pause von der „Arbeit“
Jedenfalls ist ja M 31 mit freiem Auge sehr schön zu sehen, also mal das kleine Fernglas draufgehalten. Die Galaxie ist sehr ausgedehnt und wieder sehr schön, das macht richtig Freude!! M 110 erkenne ich auch sehr schwach, aber doch deutlich, sogar M 32 sehe ich als ganz kleinen, hellen Plops. Nicht weit weg, also noch da rüber: M 33 prangt mir auch eindeutig und groß entgegen. Ich gebe zu, alles nicht so hell und flashig wie in Dänemark, aber so deutlich, einfach und hell sehe ich diese mir so geliebten Paradeobjekte selten. Hach, ist das schön!
Station 10: M 81 und M 82 – völlig zur falschen Jahreszeit, aber was soll‘s
Die beiden Galaxien sind bei 42x sofort als sehr deutliche Aufhellungen auffällig. M 81 zeigt direkt ein helles, rundes Zentrum und eine nach außen hin schwächer werdende, ovale Form. Sie erinnert mich an das Zentrum von M 31, das ich bei Bortle 5 vom Garten aus so sehe M 82 ist im selben Gesichtsfeld als langes, nicht allzu schmales Reiskorn zu sehen, sie ist nur minimal weniger hell als M 81. Der Großteil der Galaxie hat dieselbe Helligkeit, eine etwas schwächere Umrandung ist dennoch auszumachen. Bei 96x verstärken sich beide Eindrücke, die Unterschiedlichkeit der beiden Galaxien ist enorm reizvoll. Die Begleitgalaxie NGC 3077 ist etwas entfernt zunächst indirekt, dann auch beinahe direkt und einfach auszumachen. Sie zeigt sich schwacher, rund wirkender Tuff -> Bei 42x, so notiere ich mir, ist das Duo absolut zeichenwürdig!
Jetzt habe ich kein Papier mehr zum Zeichnen, bin auch schon ordentlich müde, ich war ja so viel länger hier draußen gesessen, als ich am Nachmittag noch gedacht hatte. Aber ihr werdet mir zustimmen, so einen Abend nutzt man weiter, weiter, weiter. Da macht alles einfach nur große Freude, jedes Objekt begleitet von „Aaaaaah“ und „Ooooooh“ und „boaaaah, schööön!“ Absolut glücklich und beseelt packe ich meine Siebensachen zusammen, murmele mich ins warme Auto und trete die entspannte Heimreise an.
Fröhliche Grüße, eure
Sarah