Zeta Puppis ist auf Kiel gelegt

  • Hallo zusammen,


    gut Ding will Weile haben, perfekte Dinge brauchen etwas länger :P


    Nach vielen erfolglosen Konstruktionsversuchen glaube ich nun, eine für mich gute Lösung für meinen 6" Spiegel gefunden zu haben.

    Da es sich um einen 6" f6 Teil handelt, und das "Rohr" eine wilde Konstruktion aus einem Alu-Vierkantrohr werden soll, habe ich es Zeta Puppis genannt. Zeta (ζ), weil dies der sechste Buchstabe des griechischen Alphabets ist, das Sternzeichen Puppis, weil die Aufbauten (Hauptspiegel, Fangspiegel/Okular) wie Schiffsaufbauten (lat. Puppis für Achterdeck) erscheinen.


    Nun, der Anfang ist gemacht. Aus den überlebenden Resten vieler Versuche hat sich nun eine Konstruktion herauskristallisiert, die ohne feinmechanische Ausbildung baubar ist. Ich werde zwar die nächste Zeit das Glück haben, eine Einführung in die Kunst der Metallbearbeitung inkl. Drehen zu erhalten, kann also gut sein, dass das eine oder andere Drehteil noch reinrutscht. In erster Linie wollte ich aber eine Konstruktion, die mit "erweiterten Hausmitteln" (ok, da zählen Einige auch eine Drehbank dazu) baubar ist.


    Wie dem auch sei, ich werde Konstruktion und Bau hier vorstellen. Vielleicht kommt ja Feedback, was man besser machen könnte oder vielleicht kann der eine oder andere einiges davon brauchen. Konstruktive Details werde ich in den etwas eingeschlafenen Thread Keine Angst vor dem Einsatz von CAD-Software im Selbstbau! auslagern. Ich habe in der Zwischenzeit einige interessante Konstruktionsmethoden und Details mit Freecad erarbeitet, die sicher auch für andere interessant sind.


    Meine Konstruktion hat (u.a.) folgende Anforderungen zu erfüllen:

    • zerlegbar. Transportkiste nicht länger als 50cm
    • Leicht: weniger als 3kg (ohne Transportkiste)
    • Bauteile und -gruppen von der Stange oder entweder von mir herstellbar oder kostengünstig produzierbar
    • offene Konstruktion, kein geschlossenes Rohr
    • leichte Kollimation, Fangspiegel ideralerweise nur einmal zu justieren
    • Hauptspiegel leicht zu entfernen für Reinigung

    Es gibt sicher noch mehr Punkte, das waren aber erst mal die wichtigsten, die mir eingefallen sind.


    Wie sich der eine oder andere vielleicht noch erinnern kann, habe ich in diesem Thread über die Stabilität von Einbäumen sinniert:

    Wie stark darf ein OTA schwingen

    Messungen mit dem Alu-Vierkantrohr stehen noch aus, inzwischen gehe ich aber davon aus, dass das bei 60x60mm bombenfest ist und da nichts schwingt und wackelt.

    Ausserdem habe ich einige Untersuchungen zu Fangspiegelhalterungen und ihre Auswirkungen auf das Beugungsbild gemacht:

    Simulation Einfluss Fangspiegel/Spinne/etc auf Beugungsbild


    Nun geht es also los. Als komplexeste Baugruppe hat sich wenig überraschend der "Hut" mit Fangspiegel und Focuser samt Gefolge herausgestellt. Ich habe mich zuerst darauf gestürzt. Das Resultat sieht folgendermassen aus:


    Diese wilde Konstruktion (Schrauben und anderes Gedöns hab ich noch weggelassen, das kommt später noch) besteht in erster Linie aus drei Teilen aus PETG aus dem 3D-Drucker, einer Platte aus 6mm Dibond, ev. einer zweiten aus 3mm Dibond, zwei Alugriffen (Standardprodukt von Mentor) und Schrauben, Muttern und Scheiben.

    Der Focuser ist ein HC-1.

    In einem Druckteil sind M3-Inlets vorgesehen. Das ganze wird schätzungsweise 400-500g schwer, dazu kommt noch das Okular.


    Hier noch eine weiter Ansicht:



    Das elegante an 3D-Druckteilen ist, dass nach Herzenslust kompexe Formen konstruiert werden können, die eine optimale Funktion bei gleichzeitig guter Form ermöglichen. Man muss natürlich einige Details beachten (Druckrichtung, Brücken, etc., meist lässt sich aber eine brauchbare Lösung finden.

    • 3D-Teil 1 ist der Focuser Block. Er hält den Focuser und ist gleichzeitig Anschlussstück für das obere Alurohr (Geduld, Details kommen ein anderes Mal). Dieses Teil wird von hinten durch die Dibondplatte durch Schrauben gehalten. Nicht direkt, das wäre bei Kunststoff schlecht, sondern über den HC-1 Focuser und die Montageschrauben für das Alurohr. Die grosse Kontaktfläche zur Dibondplatte stellt eine kraftschlüssige Verbindung sicher.
    • 3D-Teil 2 ist die "Spinne" (Halszäpfchen anybody :P ?). Dieses Teil dient als Fangspiegelhalter und ist nur gerade 83g leicht. Auf dieses Teil kommt noch eine weisse 3mm Dibondplatte mit der gleichen Form. Allerdings muss ich erst noch entweder jemanden finden, der das fräsen kann oder es muss eben eine Portalfräse her (zum Glück liest mein bessere Hälfte hier nicht mit...). Dieses Teil wird einerseits über die Schrauben der Alugriffe gehalten, anderseits aber auch noch über vier M3 Schrauben im zentralen Bereich.
    • 3D-Teil 3 ist der eigentliche Fangspiegelhalter, an dem der Fangspiegel direkt mit drei Silikonblobs befestigt wird. Dieses Teil wird über eine zentrale Schraube und vier Justierschrauben gehalten resp. ausgerichtet. Ich werde diesen Schnapperatismus als nächstes detailliert vorstellen. Das folgende Bild zeigt dieses Teil im Detail:



      Man kann die Bohrungen an Teil 2 erahnen, da werden die M3-Inlets mit dem Lötkolben heiss eingepresst. Da Teil 3 und Fangspiegel kaum was wiegen und ausserdem nur sehr kleine Hebel auftreten, gibt das eine sehr stabile justierbare Verbindung. Die Justierschrauben werden mit Inbusschlüssel von vorne gedreht.

    Wozu nun diese Griffe? Damit kann das Teleskop einfach bewegt werden, ohne dass man am Okular rumfummeln muss.


    Als letztes noch etwas zu Dibond. Dieses Verbundmaterial hat einige für Teleskopbau positive Eigenschaften. Es ist leicht (vergleichbar mit gleich dickem Sperrholz), aber etwa 7x verwindungssteifer. D.h. eine 6mm Dibondplatte ist in etwas so steif wie eine 40mm Sperrholzplatte. Ausserdem lässt es sich einfach fräsen, bohren, bedrucken und (mit Hilfe von V-förmigen Fräsnuten) biegen. Zusätzlich ist das Material witterungsbeständig, was auch erklärt, wieso es im Fassadenbau sehr beliebt ist.


    So, das war mal ein Anfang. Das nächste Mal erzählt euch Opa, wie Teil 2 und drei zusammenhalten ^^



    Herzliche Grüsse Robert

    Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig. (Albert Einstein)

  • Hallo Robert,


    wird gut! Die Griffe finde ich klasse, wollte ich bei meinem Teleskop auch schon lange hinschrauben...


    Die Einlötmuttern finde ich nur mäßig elegant, ich würde normale Muttern von hinten her in ein Sechskantloch werfen oder von der Seite in einer Nut versenken. Vielleicht kann ich's mir aber auch nur nicht vorstellen.


    Und 4 Justageschrauben am Fangspiegel sind 2 zu viel :) - vor allem wenn Du den Spiegel damit nicht durch axiale Verstellung auf den OAZ ausrichtest.


    Viele Grüße und frohes Basteln, Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Hallo zusammen,


    hier also noch die Ergänzung für die Verbindung von 3D Druck-Teilen 2 und 3.


    Bei den Einpressmuttern muss ich Holger widersprechen. Die Lösung mit den eingelegten Muttern ist zwar auch ok und, inbesondere wenn das zusätzliche Sechskantloch optisch nicht stört, eine recht einfache Lösung. Aber: im allgemeinen sollte man vermeiden, auf Kunststoff abzustützen und wenn, dann mit einer möglichst grossen planen Fläche. Eine Sechskantmutter ist weit entfernt davon, die effektive Auflagefläche ist ziemlich klein. Mit der Zeit wird sich die Mutter also ins Material eindrücken.

    Die kraftschlüssige Fläche von Einpressmuttern hingegen ist vergleichsweise gross und so halten diese i.A. besser. Bei Spritzgussteilen ist das Stand der Technik, die bastlertaugliche Variante mit dem heiss Einpressen ist nicht schlechter, wenn man sauber arbeitet.


    So, nun zu meiner Lösung. Hier sehen wir, wie das ganze von aussen aussehen wird. Es ist nur eine Schraube mit Scheibe zu sehen:



    Die Schraube ragt übrigens nicht über den Fangspiegel hinaus, da ist noch einiges an Luft dazwischen.


    Von der Seite sieht man schon etwas mehr:



    Die mittige Schraube drückt den Spiegelhalter (3D Teil 3) Richtung Teil 2. Vier kürzere Schrauben drücken dagegen.


    Her ein Einschub: Stathis hat bei seinen 17cm Zwillingen ebenfalls vier Justierschrauben verwendet, bei den Fünflingen wurde das ebenfalls so umgesetzt. Scheint also nicht grundsätzlich falsch zu sein.

    Und, wenns nicht geht, dann konstruiere ich eben ein neues Teil und schmeiss es auf den Drucker ;) .

    Nun das Ganze noch von vorne:



    Hier sieht man schön, wofür die vier Löcher an Teil 3 sind. Da passt genau ein Inbusschlüssel durch, mit dem man die Justierschrauben drehen kann.


    Die Schrauben werden von insgesamt fünf M3 Inlets gehalten:



    Wie schon oben beshrieben hält das besser, als man gemeinhin denkt. Ausserdem, die Kräfte sind nicht im Bereich zwischen an und ab angesiedelt, das ist gar nicht nötig. Ich hatte Anfangs tatsächlich mit Holgers Idee gespielt, dies dann aber zugunsten der Inlets verworfen.


    So, nun zaubern wir mal den Kunststoff weg, dann sieht man folgendes:



    Die lange Schraube drückt über zwei von Scheiben eingeklemmten Tellerfedern Teil 3 Richtung Teil 2. Die kurzen Schrauben drücken auf je eine Scheibe, die eine flächige Kraft auf Teil 3 ausübt.

    Von hinten sieht das dann so aus:



    So, das wars schon. Insgesamt sind dies zwei 3D Druckteile und ein paar Standardteile.


    Morgen gehts weiter mit der Unterseite von Teil 3, der Verbindung mit dem Fangspiegel.

    Und dann erklär ich im anderen Thread, wie ich die Teile konstruiert habe.


    Schönen Abend und herzliche Grüsse Robert

    Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig. (Albert Einstein)

  • Hallo Robert,


    ja, lass mal sehen mit den Einpressmuttern, wie das dann aussieht, vielleicht möchte ich das dann auch nutzen in Zukunft!

    Stathis hat bei seinen 17cm Zwillingen ebenfalls vier Justierschrauben verwendet, bei den Fünflingen wurde das ebenfalls so umgesetzt. Scheint also nicht grundsätzlich falsch zu sein.

    Hmm... Descartes und Newton haben als Autoritäten, auf die man sich beruft, erfolgreich die Entwicklung des Achromaten behindert ;)

    Und, wenns nicht geht, dann konstruiere ich eben ein neues Teil und schmeiss es auf den Drucker ;) .

    Genau, das ist die richtige Einstellung. Einfach machen. Bei allem ist das ein Projekt sehr nach meinem Geschmack, bitte sieh das als kritische Würdigung, nicht als Rummäkeln. Ansonsten gib Bescheid, dann verhalte ich mich ruhig und erfreue mich nur am Fortschritt.


    Viel Spaß weiterhin


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Hallo zusammen,


    hier nun die Fortsetzung des Fangspiegelhalters. Ausgangspunkt war die folgende Diskussion auf Cloudynights:


    Secondary mirror attachment methods - ATM, Optics and DIY Forum - Cloudy Nights
    Page 1 of 2 - Secondary mirror attachment methods - posted in ATM, Optics and DIY Forum: Im torn between going with a commercial mount, one with a small metal…
    www.cloudynights.com


    Dort wird schön aufgedröselt, wie der Fangspiegel idealweise gehalten wird, damit die auftretenden Kräfte ideal verteilt und damit die Momente minimal.

    Ich habe versucht, mich ansatzweise daran zu halten. Ganz ist mir das nicht gelungen, da der 35mm Fangspiegel aber sehr leicht ist, sind die doch noch auftretenden Momente zu klein, um Ärger zu machen.


    So, so sieht also die Unterseite des Fangspiegelhalters aus:



    In die drei 0.5mm tiefen Flächen kommen Silikonblobs, auf die dann der Spiegel zu liegen kommt. I.A. ist eine Klebeverbindung mit Kunststoff nicht unkritisch, da aufgrund der Druckrichtung aber die Oberfläche der Kreisflächen rauh ist, wird das Silikon genug Oberfläche und "Löcher" vorfinden, damit das gut hält.


    Nun zu den Kräften:



    Ich habe eine Skizze erstellt, beschränkt (vermasst) und anschliessend alle Beschränkungen wieder gelöscht, damit das ganze übersichtlicher wird.

    Die Silikonblobs sind hier grün eingefärbt, der Abstand Spiegel - Halter beträgt 2mm (eine Eisstiel-Dicke, drei Stück liegen schon bereit 8o ). Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Skizze in CN ist nicht zu übersehen.


    Entscheidend ist, dass die Schwereline des Spiegels so liegt, dass sich keine Momente bilden:



    Die Blobs sind (ziemlich genau) so platziert, dass die gelbe 45° Linie ihren Mittelpunkt bildet.

    Die vertikale Linie ist die Schwerelinie des Spiegel. Sie liegt nicht optimal, was den Randbedingungen der Druckbarkeit geschuldet ist. Bei einem grösseren Spiegel lässt sich das optimal designen, da ist mehr Platz hinter dem Spiegelschatten. Da aber wie gesagt die involvierten Massen sehr klein sind, passt das so.


    Aufgrund des Schnittbildes sieht man übrigens, dass die Bohrungen für die Inlets länger sind als notwendig. Damit ist sichergestellt, dass die Schrauben nicht durch die Bohrungtiefe beschränkt sind. Es könnten also bei Bedarf auch etwas längere Schrauben verwendet werden.


    Gedruckt wird das Teil übrigens in dieser Lage:



    Gesliced sieht es dann so aus:



    Die Schichtung ist dann so, dass die Zug- und Druckkräfte der Schrauben und die Kräfte des Spiegels in Vorzugsrichtung wirken.


    Cleo : ich mach es wie die Chinesen. Ich kla^^kopiere einfach ein bewährtes Design und nenne es statt klauen "die Ahnen ehren" 8o .


    So, genug für heute.



    Herzliche Grüsse Robert

    Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig. (Albert Einstein)

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