Hallo zusammen
Nachdem ich immer wieder von euch ganz tolle Beiträge über eure - geglückten oder leider missglückten - Astro-Nächte gelesen habe und solche Beiträge immer wieder sehr lesenswert finde, möchte ich euch auch an einem meiner Ausflüge teilhaben lassen. Vorab möchte ich noch erwähnen, wie es heute fast schon erwartet wird, dass ich hiermit klarstelle, dass ich in keiner Art und Weise von irgendwem oder irgendwas, was nachfolgend in meinem Bericht vorkommt, gesponsert werde oder andere finanzielle Vorteile geniesse Es soll also wirklich ein - hoffentlich lesenswerter! - Bericht werden, völlig frei von irgendwelchen "versteckten" Interessen. Ich habe alles aus eigener Tasche bezahlt und werde es wieder tun Jetzt aber los!
Planung
Den Ausflug wollte ich zuerst mit einem Freund zusammen bestreiten, dieser war leider aber kurzfristig krank geworden und so zog ich alleine los. Ich hatte vor bei "mir" in der Schweiz, genauer gesagt in den Alpen, einen guten Ort für eine Milchstrassenaufnahme zu finden. Hoch soll der Ort gelegen sein, natürlich auch dunkel und zu Fuss einigermassen gut erreichbar. Ich hatte zwar nur relativ leichtes Gepäck eingeplant, aber wie sich herausstellen sollte, ist "relativ leicht" halt zu Fuss halt eben nur... relativ . Nicht zuletzt wollte ich eine Möglichkeit haben, die Nacht zumindest teilweise im Warmen zu verbringen. Da in den Alpen die rechtliche Frage bezüglich Camping (also das Aufstellen eines Zeltes) in der Wildnis relativ heikel ist, zog ich das Vorhandensein einer Schutzhüte oder sogar Gasthaus, etc., in meine Überlegung mitein. Ich studierte einige Karten, sowohl bezüglich Lichtverschmutzung wie auch geographisch bezüglich Höhe über Meer, Erreichbarkeit und Geländestruktur (vor allem in Sachen Steigung bzw. Gefälle und Ausrichtung nach Süden inkl. Sichtlinien). Nach einiger Planung fiel meine Wahl auf die Melchsee-Frutt bzw. exakt gesagt auf den Bonistock, welcher doch 2'164 m. ü. M. liegt. Netterweise befindet sich direkt auf dem Bonistock ein Berggasthaus, in welchem ich eine Übernachtung buchte (hier nochmal der Hinweis: Nein, es soll keine Werbung sein, ich bekomme keine finanziellen Anreize, etc.). Ich erwähne es, weil es in meinem Bericht ein relevanter Teil meines Erlebnisses war (siehe nachfolgend). Von Vornherein geplant war, dass ich mit dem Auto bis auf die Melchseefrutt (= Bergstation) fahre und dort gebührenpflicht parkiere (alternativ hätte ich auch bei der Talstation die Bergbahn nehmen können, entschied mich zumindest dieses Mal aber dagegen). Teil der Planung war auch ein Fussmarsch von der Melchseefrutt (1901 m. ü. M.) rauf auf den Bonistock (2'164 m. ü. M.). Die Luftdistanz zwischen Start und Ziel betrug gerade einmal 1,7 km, aber es waren doch fast 300 positive Höhenmeter zu bewältigen. Ich schätzte dies als machbar ein und rechneter mit einer Marschzeit von ca. einer Stunde. Alternativ hätte ich auch eine separate Bergbahn nehmen können, welche von der Melchseefrutt ca. 20 Min. zu Fuss entfernt (aber auf flachem Weg erreichbar) auf den Bonistock hinauf führte. Das wollte ich mir aber zumindest für den Hinweg nicht eingestehen
Ausflug
Es war der Sonntag, 11.07.2021, als ich meine Sachen packte. Wie schon erwähnt, wurde das Gepäck schnell mehr und schwerer. Hier eine grobe Packliste:
- Kamera (Nikon D7500)
- 2x Akku für Kamera (davon 1x Ersatz)
- Objektiv Sigma 20mm f 1,4 Art
- Montierung Skywatcher Star Adventurer
- 3x Powerbank (1x für Montierung, 1x für Heizband für Objektiv, 1x Ersatz)
- Heizband für Objektiv
- Reisestativ
- Fernauslöser (kabelgebunden), als Intervalltimer für gewünschte Anzahl Aufnahmen
- Mobiltelefon
- 1l Trinkwasser (für den Fussmarsch, man weiss ja nie)
- Div. Bekleidung, besonders für Kälteschutz in der Nacht (lange Unterhose und eine dünne "Überhose" gegen Wind), Kappe, Schal, Handschuhe, ....)
- Div. Krimskrams wie Kabel, Bargeld, Kreditkarte, Notfallausweise
Es läpperte sich also schon was zusammen. Der Rucksack füllte sich und wog vor Abreise genau 14,4 kg. Deutlich mehr, als ich ursprünglich wollte. Aber eben. Was ich auch nicht wollte, war, dass ich - nach all der Planung und der Zeit, die ich mir auch für den Ausflug nehme - zwei Powerbanks mitnehme, davon zwei Powerbanks benötige und unterwegs aber eine Powerbank aussteigt und ich dann meine Aufnahmen in die Tonne treten kann, weil ich die Objektivheizung nicht betreiben kann... Also nicht meckern sondern brav das Gewicht in Kauf nehmen
Los gings ca. um die Mittagszeit, damit genug Zeit blieb, um anzureisen. Planmässig klappte alles und ich wusste auch bereits, dass man die Strecke von der Talstation zur Bergstation (also auf die Melchseefrutt rauf) nur jede zweite Stunde hochfahren durfte. Dies, weil die Strecke zu schmal ist, dass sich Fahrzeuge kreuzen können. So fährt der Verkehr jede zweite Stunde talwärts bzw. die jeweils anderen Stunden bergwärts. Oben auf dem Parkplatz bei der Melchseefrutt angekommen, war das Wetter gelinde gesagt schrecklich "dunkel":
Es war vom menschlichen Auge her viel dunkler als hier auf dem Handy-Bild, welches die Kamerasoftware bereits stark "aufgehellt" hat.
Jammern bringt nichts und es waren ja noch einige Stunden bis Sonnenuntergang, also los! Um die Anzahl erlaubter Bilder im erlaubten Rahmen zu halten keine Bilder vom Wanderweg. Der Wanderweg war gut beschildert, übersichtlich, schmal aber gut zu gehen und startet bereits oberhalb der Baumgrenze. Nach rund 50 Minuten und somit schneller als geplant (aber schön durchgeschwitzt) kam ich auf dem Bonistock an:
Panorama-Aufnahme vom Bonistock von der Terrasse des Berghotels aus
Das Wetter war leicht besser als noch vom Parkplatz aus. Aber noch viele Wolken. Nur wenig später sah es aber wirklich schon viel besser aus:
Der Blick Richtung Süden versprach, was ich bei der Planung vorher erhofft habe - gute Sicht bzw. einen schönen Vordergrund:
Auch Photopills bestätigte mir nochmals, dass sich bezüglich Sichtlinie bzw. Höhe des Milchstrassenzentrums über dem Horizont alles im grünen Bereich befinden sollte (was von zuhause aus Photopills zwar auch schon behauptete.... aber ich trau' diesen Vorhersagen nicht zu 100%):
Ich nutzte die Zeit, die mir am Nachmittag noch blieb, um beim Berghotel einzuchecken, mich mit der Umgebung vertraut zu machen, dann den Ort der späteren Aufnahme festzulegen (insbesondere ein freier Blick nach Süden aber auch nach Norden auf den Polarstern, damit ich schön einnorden kann). Wichtig war natürlich auch, zu überlegen, wo sich später möglicherweise störende Lichtquellen befinden würden. Ausserdem nutzte ich den "Luxus", nach der Wanderung zu duschen und mich "sauber" und vor allem trocken anzuziehen. Ich nahm gemütlich das Abendessen ein. Als einziger Hotelgast (tja, Sonntag auf Montag steppt nicht gerade der Bär) kam ich auch schnell ins Gespräch mit dem Hotelpersonal (ca. 6 Personen, vom Koch bis zum Servierpersonal) und als ich erzählte, was ich diese Nacht vorhätte, war das Interesse des Personals schnell geweckt Die Zeit verging sehr schnell, so dass ich aufpassen musste, nicht - trotz all der Zeitreserven - doch nocht in Zeitdruck zu geraten. Insbesondere, weil ich die Montierung damals das erste Mal überhaupt in den Einsatz brachte, nachdem mir eine andere Montierung leider kaputt ging.
Also noch kurz den Sonnenuntergang geniessen:
Und dann schonmal einrichten:
Im Bild die o.g. Ausrüstung aufgebaut und nach Süden ausgerichtet bzw. eingenordet.
Netterweise durfte ich vom Berghotel aus direkt von ihrer Terrasse aus fotografieren. Das war schonmal sehr erfreulich! Ich wurde dann sogar noch gefragt, ob man ggf. die Aussenbeleuchtung bzw. relativ starke Innenbeleuchtung der angrenzenden Gaststube dimmen solle (da eh keine Gäste zu bewirten waren)! Das schlug dem Fass - in positiver Weise - den Boden aus!
Für die Aufnahmen plante ich einen scharfen Vordergrund der Bergkette zu haben, den ich bei Dämmerung aufnehme. Meine Wahl fiel auf diesne Bildausschnitt und Moment:
Als es dann richtig dunkel war, schoss ich mal eine Testaufnahme (meiner Erinnerung nach liess ich die Montierung dabei bereits laufen):
Aufnahmeparameter: 1x 13 Sekunden, ISO 800 @ Blende f 2.0
Schon diese erste Testaufnahme überzeugte mich und als ich nach oben sah, überwältigte mich der Anblick von gefühlt tausenden von Sternen, die man von blossem Auge sehen konnte. Es war einfach wunderbar - die Stimmung, die Freiheit und natürlich auch das Gefühl, jetzt, in diesem Moment und bei wohl bester Witterung an diesem tollen Ort zu sein. Einfach herrlich!
Dem Ganzen setzte dann der Wirt (?) des Berghotels noch die Krone auf, als er während der Aufnahmesession mal dazukam und zu mir meinte, ob ich nicht einen Liegestuhl und zwei Wolldecken möchte...? Das sei doch viel bequemer? Diesem Angebot konnte ich nach kurzer Überlegung einfach nicht widerstehen und so lag ich dann kurz darauf auf dem Liegestuhl, neben mir die laufende Kombi aus Kamera und Montierung und meinen Blick senkrecht gegen den Himmel auf die hunderten, ja gefühlt tausenden von Sternen gerichtet - unbezahlbar!