Schon mehrere Abende liege ich auf der Lauer: Wird es klar? Bin ich fit genug für eine Spätbeobachtung inclusive Heimfahrt?
Heute habe ich einen Mittagsschlaf hinter mir, es wird klar, und mein Astro-Freund Martin ruft an. Ich ziehe meine fast Winterklamotten an und steige freudig in mein Auto.
Die Kuppel ist schon offen und der Mond bereits eingestellt, als ich um 22:30 Uhr eintreffe. Und es ist klar, ohne Dunst!
Wir beobachten Ruoes Cauchy, Langrenus, Petavius und Messier. Messier zeigt helle Auswurfspuren auf dem dunklen Mareboden. Hier ist offenbar ein Meteorit streifend eingeschlagen. Dass man das sieht! Ich werde noch zum Mondbeobachter!
Nachdem wir uns satt gesehen haben, stellen wir epsilon Bootis ein: Er ist ein schöner Doppelstern mit gelber Hauptkomponente und grünlich-bläulichem Begleiter. Die Beugungsringe sind durch Luftunruhe gestört, aber es gibt sogar längere Momente ruhiger Luft, wo der Begleiter wie eine Eins dasteht. Ist er nun grün oder blau? Wir können uns nicht entscheiden, nur so viel ist sicher, dass er eine ungewöhnliche Farbe hat. Ich werde noch zum Doppelsternbeobachter!
Weiter geht es mit M13, der Mond steht tief, ist aber noch nicht untergegangen. Wir schauen ihn mit einem 13 er Ethos und einem 10 er Delos an: Im Zentrum stehen die Sterne dicht an dicht, unglaublich sternreich – ein Juwel. Voller Begeisterung wechsle ich zwischen linkem und rechtem Auge. Im rechten Auge sehe ich die Sterne heller, aber nicht so scharf wie mit dem linken Auge, wo die Sterne punktförmig sind. Grandios!
Nun stellt Martin NGC 6210 mit dem Großfeldokular ins Gesichtsfeld ein: Bei niedriger Vergrößerung ist da links unten ein intensiv grün-blauer Stern. Also diesen in die Mitte eingestellt und mit dem 10 er Delos hoch vergrößert. NGC 6210 zeigt sich als diffuser Halo um einen viel helleren inneren Halo, kein Zentralstern. Der äußere Halo hat den doppelten, vielleicht sogar dreifachen Durchmesser als der innere Halo. Kosmische Einblicke.
Der Mond scheint inzwischen untergegangen zu sein, der Himmel ist erstaunlich schwarz.
Jetzt kommt der klassische Ringnebel dran, den ich einstelle. Nach ein bischen Suchen mit hoher Vergrößerung habe ich ihn auch erwischt. Farbe außen rot und die Ringfläche grünlich! Strukturen im Ring! Und Strukturen im Inneren des Rings, streifenförmig? Einbildung? Was aber sicher keine Fantasie ist: Mit dem 6 er Delos sehen wir blickweise und nadelscharf den Zentralstern! Der Zentralstern ist auch längere Zeit zu halten, die Luft steht manchmal still.
Albireo ist jetzt eine willkommene Erholung! Ich habe ihn lange nicht mehr mit Teleskop gesehen. Man vergisst leicht die Standardobjekte und bringt sich dadurch um Beobachtungsgenuss.
Nun geht es weiter mit dem klassischen Hantelnebel. Auszug aus Martins Beobachtungsnotizen: „Mit 13mm Ethos der Wahnsinn! Zentralstern und viele helle Sterne im Gesichtsfeld.“ Die Nebelmassen sind extrem strukturiert, die „Ohren“ außen sind deutlichst zu sehen. Ein denkwürdiger Anblick!
Eigentlich hatte ich 6 NGC Planetarische Nebel mit guten Leitsternen für diese Nacht herausgesucht – aber wir bleiben bei Standardobjekten.
M11 ist als Haufen im 21 er am schönsten, aber die „Matratze“ im Zentrum, die fast wie ein Sternhaufen im Sternhaufen, mit Sternen in gleichen Abständen, aussieht, ist im 13 er Delos voll aufgelöst. Was erwartet man sich mehr an kosmischer Horizonterweiterung? Und dem Bewusstsein, als Seele einen Körper zu haben und im Kosmos zu leben.
Schluss der schlauen Sprüche, jetzt geht es weiter – und zwar mit M17, dem Omeganebel. Er macht seinem Namen alle Ehre, der Nebel ist so strukturiert wie der Hantelnebel. Dass ich ihn so gut gesehen habe, muss schon eine Zeit her sein. Im 17 er Ethos sind auch die äußeren Nebelstrukturen sichtbar. Das alles mit einem wahnsinnigen Kontrast! Martin schreibt: „Mit 13 er Ethos viele fulminante Strukturen, vergleichbar mit 24 Zoll Cassegrain“. Martin hatte auf dieser Montierung vor dem Refraktor einen Cassegrain.
Damit uns die Objekte nicht untergehen, schwenken wir jetzt zum Lagunen- und Trifidnebel. Mit einem 70 mm Okular haben wir eine tolle Übersicht, wenn auch der Himmelshintergrund nicht mehr dunkel ist. Und der Trifid zeigt mit dem 17 er Ethos glasklar die Dunkelstrukturen.
Jetzt gehen wir wieder hoch und zu M16. Wir sind so verwöhnt, dunkle Strukturen zu sehen, dass wir mal sehen wollen, ob wir die Säulen sehen, aber wir wissen nicht genau, wo sie sind und außerdem wird uns schnell klar, dass sie zu klein sind, um sie so einfach zu sehen.
Ich wünsche mir noch M4. Lange nicht mehr gesehen: Die Sternkette, die durch den Kugelhaufen geht. Das Zentrum ist mit dem 10 mm Okular total aufgelöst, Stern an Stern! Die ausfahrbare Taukappe des Refraktors liegt fast auf dem Rand der Kuppel auf. Es ist jetzt 2 Uhr.
Die Beobachtungsnacht zeigte mir, dass man auch mit Standardobjekten voll das Astroerlebnis haben kann. Gerade, wenn die Beobachtungszeit knapp bemessen ist.
Aber es ist noch nicht vorbei. Als ich Martin sage, dass ich einen 7x50 Feldstecher im Auto habe und damit die Milchstraße sehen wollte, gibt er mir den Tipp, auf das Hochplateau zu fahren. Dort zeigt sich mir die Schützenwolke als hellste Stelle der Milchstrasse! Heller als die Scutumwolke! So, wie es sein soll! In der Schützenwolke sind im Feldstecher viele Dunkelnebel zu sehen, viele dunkle Striche. Und darunter, über den Bäumen, die unten im Tal stehen, sehe ich M6 und M7!
Die Dämmerung muss schon begonnen haben, als ich um 2:30 Uhr meine Genußspechtelei beende. Von der Dämmerung ist gar nicht so viel zu sehen, die Dunkelnebel leiden aber schon. Offenbar kann man auch in der nautischen Dämmerung gut beobachten, wenn es klar ist.
Ich bin um 3:30 Uhr daheim und gehe um 4:00 Uhr ins Bett, wo ich kaum einschlafen kann! Um 15:00 Uhr bin ich in der Firma und halte eine Schulung ab. Danach bin ich aber restlos ko.