25 Jahre 10“ Tetra-Schiefspiegler
Guten Abend,
Die diesjährige Marsopposition hat mir wieder einmal die Vorzüge dieses Fernrohrs vor Augen geführt und ist folglich der Anlass für eine kurze Reminiszenz.
Der Tetra-Schiefspiegler wurde in den 90er Jahren von Michael Brunn entworfen. Er hat den Vorteil, dass auch grössere Optiken bis zu 1m auf relativ einfache Weise präzise realisierbar sind.Er wurde vor allem in Amerika gemacht, hier in Europa existieren nur wenige Exemplare.
Nach einer gewissen Unzufriedenheit mit dem 20cm Kutter (dauernde Turbulenzen im offenen Strahlengang) entschloss ich mich einen 25cm f:12 Planeten-Newton zu machen. Die Herstellung des Hauptspiegels gelang problemlos, aber immer mehr kamen Zweifel auf wegen der Rohrlänge, möchte ich tatsächlich so einen Saurier haben wollen… Wie eine Bombe schlug dann der Artikel in Sterne und Weltraum 8-9 +11/ 1993 ein, wo Brunn den Tetra-Schiefspiegler der Oeffentlichkeit erstmals vorstellte. Ich kontaktierte ihn sofort, ob man aus dem fertig gestellten Hauptspiegel einen Tetra-Schiefspiegler machen könne. Fast postwendend präsentierte er mir 2 Designs, die er mit einem selbst entwickelten Programm gerechnet hatte: Eine f14 Variante mit 4 aktiven Spiegeln und eine f15.7 Variante mit 3 aktiven Optiken und einem Planspiegel. Ich entschlosss mich für die letztere Variante.
Die Herstellung der Optik
Ich konnte günstig Zerodur-Rohlinge ergattern. Das hatte den Nachteil, dass das Auspolieren mühsamer war. Mit obendrein noch ziemlich stumpfem Poliermittel dauerte das eine Ewigkeit. Dem gewölbten Spiegel verpasste ich eine konkave Rückseite und konnte so die gewölbte Seite mit dem Foucault vermessen. (Ob das mit Borofloat auch geht?!) . Spiegel 3, ein Winzling und einfachster Kugelspiegel machte die meisten Probleme. Es nervte besonders, nachdem die gelungene grössere Optik mir vortäuschte, ich hätte das Spiegelschleifen im Griff. Den Planspiegel prüfte ich über den Hauptspiegel. Ich erreichte einen Radius im Kilometerbereich. Bei einer der letzten Retouche erwischte ich einen schweren Kratzer. ==> Feinschliff. Capitis deminutio maxima, würden die Römer sagen. Kommt halt davon, wenn man die Prüfung am Boden macht, wo sich die Carbo-Viren tummeln, und das Händewaschen zu rasch erledigt wurde.
Gitter- Tubus
Der Gitter-Tubus bekam eine innwändige Umhüllung, eine Verklebung von Velour mit einer Rettungsfolie. Das war eine überaus gute Idee. Das Zeugs sieht nach 25 Jahren noch wie neu aus und ergibt vor allem ein sehr gutes Tubus-seeing. Während der Mond im Kutter immer rauchte beim Blick durch den Okularstutzen und zwar bis in die Morgendämmerung, habe ich hier null Probleme. Der geschlossene Strahlengang mit wenig Baumasse und die Unterdrückung der Abstrahlung durch die Rettungsfolie sind die Lösung.
Die Justierung der 4 Spiegel
Um einen Schiefspiegler einfach justieren zu können, müssen die Mittelpunkte der Spiegel ( und auch die Meridionaljustierschraube) in der Zeichnungsebene sein. Bei einem 2-Spiegler bilden Fokus und die beiden Spiegelmittelpunkte zwangsläufig eine Ebene. Wenn es mehr Spiegel sind, ist das nicht mehr automatisch der Fall. Ein Mathematiker würde sagen, die liegen nie exakt in einer Ebene. Die Frage ist, wie gross ist die Toleranz? Weiss ich nicht.
Praxis: die Spiegel werden mit Kartonscheiben und Mittenmarkierung sukzessive abgedeckt. Zuerst wird der letzte Spiegel ausgerichtet und zuletzt der Hauptspiegel. Dann beginnt das Prozedere am Stern. Man hat eine Ellipse am afokalen Stern. Durch Drehen der Sagittaljustierschrauben bringt man die Ellipsenachse in die Meridionalebene. Anschliessend wird durch Justierung der Meridionalschraube die Ellipse zum Kreis gemacht. (Bei einem Baufehler dreht sich immer die Ellipsenachse, an welcher Justierschraube man auch dreht. )
In einem weiteren Schritt wird dasselbe anhand des Beugungsbildes des Sterns gemacht. Oder noch einfacher man nimmt das Geisterbild (Schattenbild des Planeten) und dreht an den Schrauben, bis dieses konzentrisch und nicht mehr seitwärts in das Planetenbild läuft bei einer Fokussierung.
All diese Feinjustierung kann am Hauptspiegel vorgenommen werden, dessen Schrauben eben noch bedienbar sind beim Blick durchs Okular.
Was einem entgegenkommt bei dieser Prozedur, ist die Gutmütigkeit der langen Brennweiten. Wenn keine Baufehler vorliegen, ist die Feinjustierung am Stern eine Freude, mache ich lieber als am Newton mit dem Filmdöschen oder Laser.
Ob aber der Mathematiker nicht doch recht hat, dass bei ganz ruhiger Luft letzte Feinjustierschritte nicht doch in einem Vexierspiel enden, so weit bin ich in der Praxis noch nie gekommen, der Stadthimmel sorgt schon dafür, dass einem das erspart bleibt.
(Der Kutter-Schreckling vermeidet dieses Problem, er kommt auch bei grösseren Optiken mit 2 Spiegeln aus. Allerdings ist durch die einseitige Handretouche beim Primärspiege l die Meridionalachse nicht mehr eindeutig definiert, sagt der Mathematiker.)
Die Praxis
Trotz schierer Grösse ist das Beobachten ohne viel Aufwand möglich: Das Teleskop steht als schmuckes Mobiliar in der Stube direkt neben dem auch oben offenen Südbalkon. Dort verbringt es 99,99% seiner Lebenszeit. An zwei geeignet angebrachten Griffen wird es gepackt und nach 30 Sekunden steht es bereits auf dem Dobsonuntersatz. Zwei Türen mit Magnetverschluss erleichtern die Wegnahme der 4 Spiegeldeckel und sorgen für die Durchlüftung. Dank Zerodur stimmt die Spiegelkurve immer und die Spiegel sind an der Oberfläche rasch genügend * angekühlt*, dass sie keine störenden Schlieren mehr erzeugen. Nach ca. 30 Minuten ist das der Fall.
Der Einblick ist bei hoher Gestirnslage bequem, man sitzt. Bei tiefer Deklination wird es obermühsam, man ist gebeugt wie in einer unangenehmen Gymnastik-Turnübung. Aber das Balkongeländer verhindert sowieso solche Beobachtungen. Es ist christlich gesprochen, ein ausgesprochen keusches Teleskop, ins Schlafzimmer der schönen Nachbarin sieht man damit nicht. Da wäre ein Refraktor geeigneter. Ich habe keinen.
Kritische Würdigung
Der schädlichen Auswirkung der Obstruktion kann man begegnen, indem man den Hauptspiegel einfach etwas grösser macht, so gesehen ist ein Newton die viel praktischere Lösung. Auf der andern Seite hat der Schiefspiegler 3 Vorzüge gegenüber dem Newton:
1. Der Planet ist einfach sauberer im Schiefspiegler. All diese Reflexe, welche der Fangspiegel mit seiner Aufhängung erzeugt, hat man nicht. Das fiel mir besonders auf beim Vergleich mit meinem neuen 40cm Dobson: Was da alles an Geisterbildern und Reflexen zu sehen ist, selbst im guten Ethos-Okular, wenn man den hellen Mars eingestellt hat, ist einfach unschön. Besser man bleibt beim Deep-sky. Das liegt eben auch daran, dass Okulare überfordert sind bei einer schnellen Optik. Das führt zu Punkt 2.
2. Die lange Aequivalentbrennweite sorgt dafür, dass weniger Streulicht * im Okular selbst* erzeugt wird. Bei einer schnellen Optik wird es für den Okularhersteller extrem schwierig, Randreflexe völlig zu unterdrücken. Das ganze Okulargehäuse wird mehr illuminiert, als wenn der Strahlenwinkel flach ist.( Im Strassentunnel dürfte es ja auch heller sein, wenn die Nebellampen brennen bei den Fahrzeugen.) Man unterschätzt die Vorteile einer langen Brennweite heute. Weil die gesamte Lichtmenge die durch den Hauptspiegel auch durch das kleine Okular geht, ist die Streulichtunterdrückung im Okular entscheidend. Und das kommt in keinem Spotdiagramm zum Ausdruck.
Ich habe festgestellt, dass der Okulartyp keine grosse Rolle spielt beim Schiefspiegler. Ob das Okular aus vielen Linsen besteht, spielt keine Rolle, selbst im Bino sieht man keine Verschlechterung. Einzige Ausnahme ist das Mittenzwey-Okular. Hier ist das Bild wahrnehmbar dunkler, kontrastreicher und schärfer. Das dürfte daran liegen, dass das Bild im Okularinnern entsteht und dort eine Blende eingebaut werden kann, welche Reflexe an den Linsen und Okularwandung unterdrückt. (Bei einem Nagler z.B. ist das alles viel schwieriger.) Es ist ein super 50° Okular, perfekt, wenn das Oeffnungsverhältnis deutlich über f10 ist. (Was nützt ein 100° Gesichtsfeld, wenn der Planet bereits nach 40° chromatisch wird). Leider ist es nicht mehr erhältlich. Ich hab nur 2 davon von Lichtenknecker. Lieber die Golduhr weg als dieses Okular, bei einem Hauseinbruch.
3. Die Unterdrückung des sekundären Streulichtes gelingt beim Tetra-Schiefspiegler sehr gut. Wenn man durch den leeren Okularstutzen schaut, ist es einfach pechschwarz, auch beim lichtüberfluteten Zürcherstadthimmel. Man sieht nur die aufgehellte Eintrittspupille, sonst nichts. Beim Newton sieht man jedes geschwärzte Schräubchen am Fangspiegel etc. Das wirkt sich fatal aus beim hellen Stadthimmel. Ich staune immer wieder, wie schön der Orionnebel im Mittenzwey-Okular daherkommt, wenn er sich überhaupt noch gegen den Stadtsmog durchsetzen kann.
Man beachte die Okularblende, die hinter der Feldlinse angebracht ist. Gibt es sonst nur noch im Huygensokular.
Fazit: Wer die Vorteile der Hausastronomie, der Pantoffel-Balkon- oder Gartenastronomie zu schätzen weiss, und das Wenige, was man im Wohngebiet überhaupt noch sehen kann, optimal erleben möchte, fährt gut mit dem Tetra-Schiefspiegler. Man hat viel Oeffnung wie beim Newton und den Kontrast des Refraktors. Der Mehraufwand ist klar gegeben, aber wenn man das Fernrohr gemacht hat, dann hat man es.
Mit freundlichen Grüssen
Emil