Astronomie wird zunehmend teurer

  • Von 650 auf 800 Euro in 4 Jahren ist für dich ein "extremer Preisanstieg"?


    Die Astroszene war dank billiger Rohstoffe und Arbeitsplätze in China in den letzten 2 Jahrzehnten mit immer größeren Teleskopen immer größerer Vielfalt und zum Großteil fallenden Preisen verwöhnt. Sie haben andere Hersteller in Nischen gedrängt oder gar komplett vom Markt gefegt. Inzwischen kommen aus Fernost immer mehr auch eigene Entwicklungen, die entsprechende Research and Development Kosten verursachen (z.B neue Montierungen, C-mos Kameras, APOs, große Dobsons, Okulare). Außerdem können selbst die Chinesen nicht immer weiter auf Kosten von Natur und Arbeitsschutz so ressourcenverschwenderisch produzieren. Mir erscheint es nur logisch, dass damit die Preise steigen.


    Welchen Einfluss die europäischen Händler haben kann ich nicht abschätzen.


    Durch Corona, herrscht ja immer noch Knappheit, der weltweite Handel ist deutlich niedriger. Z.B. ist der Fahrradmarkt leergefegt, im April gab es noch nicht mal Schläuche. Außerdem sitzt das Geld beim Verbraucher knapper, eventuell dadurch weniger Umsatz?


    Ich sehe in den nächsten Jahren eine massive Inflation auf uns zukommen. Wir müssen begreifen, dass die fetten Jahre vorbei sind.

  • Tja, hart gesagt: Nennt sich Angebot und Nachfrage (Schulstoff Klasse 10 oder so bei mir). Die Hersteller/Händler machen eine Kalkulation auf: Ist der Preis von Gerät x niedrig, kauft eine große Zahl von Leuten, aber der Gewinn pro verkauftem Gerät ist niedrig. Ist der Preis hoch, kaufen weniger Leute, dafür mehr Gewinn pro verkauftem Gerät. Der Gewinn für alle verkauften Geräte zusammen hat bei einem bestimmten Preis hat ein Maximum - und dorthin wird der Preis gelegt, solange nicht äußere Umstände den Markt zusätzlich beeinflussen (zum Beispiel Produktionskapazitäten). Hohe Preise ergeben sich also schlicht und ergreifend dann, wenn es genug Leute gibt, die in der Lage und willens sind, sie zu zahlen...


    Die Preisentwicklung im Astrobereich hat Ende der 90er einen gewaltigen Einbruch gehabt, als China und Taiwan mit Massenproduktion den Markt geflutet haben. Statt eines 80mm Fraunhofer (Made in Japan) für einen höheren vierstelligen DM-Betrag, der nach heutiger Kaufkraft damals Unsummen gekostet hat, gab es plötzlich deutlich billigeres, und es wurde deshalb natürlich gekauft wie warme Semmeln, auch wenn die Qualität (insbesondere im Hinblick auf die Mechanik) üblicherweise unterirdisch war. Wer erinnert sich noch an die erste Generation Skywatcher-Geräte mit den hellblauen Tuben...?


    Später hat man dann in Fernost dazugelernt und die Qualität verbessert bzw. ist langsam aber sicher auf Hochwertigeres umgeschwenkt. Und gerade weil die Leute den Kontrast zu dem kannten, was vorher geboten wurde, waren sie bereit für das nun Bessere mehr zu zahlen. Und damit setzt die Preisspirale nach oben wieder ein. Die allgemeine Inflation kommt da dann natürlich noch oben drauf.


    Das Problem dabei: Diejenigen von uns, die sich die jetzt teureren Geräte nicht mehr leisten können, fallen hinten runter. Gute Geräte im jeweiligen Einstiegsbereich, die stark nachgefragt waren, sind mittlerweile nicht mehr auf dem Markt, aufgrund der Preissteigerung deutlich weniger weniger verbreitet als früher oder gar in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Prominente Beispiele: das ursprüngliche Lidl Skylux, das PST oder der "Volksapo", ein 80/600er ED mit simpler mechanischer Ausführung. Stattdessen fahren die Hersteller ihre Margen nun mit teuren High-End-Apos, Flattenern, Reducern usw. für die Astrofotografie ein. Der Kalkulation ist egal, daß ein signifikanter Anteil der Bevölkerung sich nie ein Teleskop leisten können wird, das über die Bezeichnung Wackeldackel hinausgeht....


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo,


    ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo es noch gute europäische Hersteller und Händler gab. Diese Produkte hatten einen hohen Preis, und waren Qulitativ auch meistens sehr hochwertig. Für mich in der damaligen Zeit als Schüler allerdings unerreichbar. Mir blieb nur der Selbstbau der Teleskope. Seit dem Zeitpunkt habe ich praktisch alles selber gebaut. Von Zubehör wie Okulare, Filter, Kleinzeug mal abgesehen. Das habe ich bis Heute nicht bereut. Ich bin dadurch dem Hobby Astronomie und Instrumentenbau über Jahrzehnte treu geblieben.
    Leider werden in der heutigen Zeit Hobbys alle paar Jahre/Monate gewechselt, und es werden die Kosten bejammert die einen das neue Hobby kostet. Wenn man so an etwas herangeht, dann ist das sowieso nur ein kleiner Abschnitt im Leben, den man damit ausfüllt. Dann ist es auch egal, ob ein Teleskop 600 oder 800 Euro kostet. Es landet dann ja doch nur in der Bucht wo es verramscht wird.
    Und wenn sich jemand kein teures Instrument leisten kann, der fällt sicher nicht irgendwo hinten runter. Es gibt immer noch aktive Spiegelschleifer und Instrumentenbauer. Man kann sich sein Equipment auch selber bauen. Die Aktiven unterstützen sicher gerne jeden Interessierten. Aber man muß sich auch bewußt sein, daß die Umsetzung so eines Projektes nicht in ein paar Wochen erledigt ist. Da vergehen gleich mal ein paar Monate wenn nicht sogar ein Jahr dafür aufgewendet werden muß. Es gibt sogar Bücher darüber wie man so etwas macht!


    Gruß
    Richard

  • Hallo,
    grundsätzlich kann ich dem, was der Stathis schreibt, nur zustimmen. Ich stimme auch dem weitgehend zu, was die Caro schreibt.
    Gerade im Billigsektor des Lidl Skylux mit brauchbarer Astro 3 Montierung, gibt es eine Lücke. Allerdings bekommt man die oft bei Ebay gebraucht. Es gibt aber im Bereich 150 bis 180 Euro Billigpakete, die ähnlich benutzbar ausschauen wie der Skylux:
    https://www.teleskop-express.d…aktischer-Montierung.html
    Bislang gab/gibt es den GSO 6" f/8 Dobson für 249 Euro.
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=252483
    Ein 6" Teleskop hat es meines Wissens vor über 30 Jahren nicht für rund 500 Mark mit Montierung gegeben. Damals 1989 hat meines Wissens ein Bresser 114/900 mit zu schwacher EQ1 über 400 Mark gekostet.
    Man kann heute entweder über den Gebrauchtmark günstig einsteigen oder im Bereich von 150 bis 300 Euro mit neuen Geräten einsteigen (bei Ferngläsern sogar günstiger)
    Astronomie wird meiner Ansicht nach nicht zunehmend teurer, sondern bleibt auf relativ ähnlichem Niveau.
    Servus,
    Roland

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