Amici-Prisma: maximale Vergrößerung?

  • Hi!


    Ich habe mir vor kurzem einen 80/480er Apo gekauft. Für astronomische Beobachtungen verwende ich natürlich einen Zenitspiegel. Jetzt möchte ich mir für terrestrische Beobachtungen zusätzlich ein Amici-Prisma anschaffen. Es ist ja bekannt, dass die Abbildungsqualität bei hohen Vergrößerungen mit Amici-Prisma zunehmend schlechter wird. Eine konkrete Zahl zur kritischen Vergrößerung habe ich aber dazu nicht gefunden. Kann jemand von euch über entsprechende Erfahrungen berichten?


    Wo liegt die sinnvolle Maximalvergrößerung mit Amici-Prisma?


    Gibt es in dieser Hinsicht einen Unterschied zwischen den Prismen mit 90°-Umlenkung und denen mit 45°-Umlenkung?


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Moin Wolfgang!


    Das kritische Detail bei einem Amici-Prisma ist die sogenannte Dachkante, die zur Bildumkehr dient und deren Ebene genau waagerecht duch das Bild läuft. Kleinste ungebauigkeiten in dieser Kante zeigen sich im Abbild der Sterne, und das genau mittig im Bild.
    Je höher man vergrößert, umso mehr vergrößert man diesen Fehler mit.
    Inwieweit jemanden das persönlich "stört", ist individuell verschieden, und bei der terrestrischen Beobachtung fällt die Dachkante meist weniger auf als am Sternenhimmel.
    Deshalb wäre eine "Maximal-Vergrößerung" im Grunde sinnlos. Viel hängt dabei natürlich auch von der Qualität des Amicis ab.


    Von signifikanten Unterschieden der 90°- (nach Amici) und 45°-Version (nach Schmidt) habe ich noch nie etwas gehört. Ich beschränke meine Amici-Einsatz wirklich nur auf das Nötigste, wenn es mal um Erdbeobachtung geht.


    Was im Übrigen wichtig ist, ist der Durchlaß des Amici, besonders im 1,25"-Steckmaß. Die Billigen kommen gerade mal auf 19 oder 21 mm, die besseren auf 27 mm.

  • Hallo Michael,


    dass es da keine scharfe Grenze gibt, ist mir schon klar. Mich würde halt mal interessieren, bis zu welcher Vergrößerung man in der Regel vernüftigerweise geht. Ist das nur so die übliche Niedrigvergrößerung eines 80er Refraktors (12 bis 20fach) oder komme ich doch an das heran, was für Spektive üblich ist (max. 60fach). Sind in Spektiven nicht die gleichen Prismen (45° nach Schmidt) verbaut? Wohlgemerkt, es geht nur um terrestrische Beobachtungen! Und wir reden natürlich auch über ein hochwertiges Prisma, z.B. von Baader.


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    bei terrestrischer Beobachtung hast Du in der Regel schlechteres Seeing als bei astronomischen Beobachtungen mit gleicher Vergrößerung. Das liegt einfach daran, dass es tagsüber warm ist und dadurch jede Menge Luftschlieren entstehen. Deshalb ist auch bei Spektiven meist bei 60x bis 80x Schluss. Mehr macht einfach keinen Sinn.
    Mit einem Refraktor und entsprechenden Okularen schaffst Du diese Vergrößerung auch terrestrisch locker. Ein billiges 90° oder 45° Amici kostet bei diesen Vergrößerungen durchaus schon Kontrast und etwas Schärfe. Wenn Du also schwerpunktmäßig bei hohen Vergrößerungen beobachten willst, macht ein hochwertiges Prisma Sinn. Wenn Du dagegen eher bei niedrigen Vergrößerungen "spaziersehen" willst, tut es auch ein etwas einfacheres Prisma.
    Und dann ist noch die Frage welche Okulare Du bei geringen Vergrößerungen nutzen willst. Wenn Du das große Gesichtsfeld eines 2"-Okulars nutzen willst, muss natürlich auch ein 2"-Prisma her, das in guter Qualität natürlich nochmal teurer ist.


    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Danke, Marcus!


    Mit Okularen bin ich (leider fast schon zu) gut bestückt. Ich würde für die Minimalvergrößerung ein 27er Panoptic verwenden (18fach / Austrittspupille = 4,5 mm). Das Baader-2"-45°-Prisma hat 31 mm freie Öffnung. Das Panoptic hat eine Feldblende von 30,5 mm. Müsste also passen. Nach deinem Beitrag bin ich guter Dinge, dass ich auch bis knapp 60fach gehen kann. Dafür würde ich ein ES-8,8mm-82°-Okular nehmen (= 55fach). Mehr strebe ich für terrestrische Beobachtung nicht an.


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Hi!


    Normale Amicis sind für ca. 60-80/100x ausgelegt – wobei dir niemand einen genauen Wert sagen wird; wie will man auch definieren, ob das Bild bei 88x gut und bei 89x schlecht ist. Da kommt es auch auf die eigene Leidensfähigkeit an. Aber das ist die Grenze, die bei der Naturbeobachtung durch unsere Atmosphäre gesetzt wird, also wird auch nicht wesentlich mehr Aufwand rein investiert. Ein heller Stern auf der Dachkante ist der kritischte Test, da fallen Reflexe oder Doppelbilder am schnellsten auf.


    Ich weiß eigentlich nur von den Baader Astro-Amici-Prismen (1,25" und 2"), dass sie für höchste Vergrößerungen beworben werden – was realistisch zumindest den ca. 300x entsprechen dürfte, die unser Nachthimmel so her gibt. Und auch da darf kein Staub auf der Dachkante liegen – die ist halt im Bild und als Teil des Designs evtl. genauso sichtbar wie z.B. Newton-Fangspiegelstreben, aber – und darauf kommt es an – die Prismen zeigen halt kein Doppelbild.


    Beste Grüße,
    Alex

  • Hi Alex!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kerste</i>
    <br />Normale Amicis sind für ca. 60-80/100x ausgelegt – wobei dir niemand einen genauen Wert sagen wird; wie will man auch definieren, ob das Bild bei 88x gut und bei 89x schlecht ist. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das ist genau die Zahl, die ich gesucht habe. Ich habe mir ein terrestrisches 45°-Amici-Prisma von Baader bestellt. Ich werde mal über den direkten Vergleich mit dem Zenitspiegel berichten.


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,
    ich habe da ganz unterschiedliche Erfahrungen mit Amiciprismen. Ein Bekannter hatte sich bei einer bekannten deutschen Firma ein 2" Amiciprisma 90° fuer Planetenbeobachtungen mit einem 100/900 ED bestellt. Das vierte (4.) retournierte war dann so optisch einwandfrei, dass die Dachkante nicht mehr auffiel!
    Ich selbst nutze seit über 30 Jahren einen Zeiss Vierfachrevolver, der ja ein Amiciprisma beinhaltet. Ich habe da noch nie eine Dachkante gesehen, auch bei (Über) Vergrößerungen von 200 und 300 fach am AS 80/1200 (für enge Doppelsterne, Beugungsscheibchen).Ich nutze es noch immer fast täglich.
    Andererseits zeigten solche am Zeiss Coude 150/2250 in einer Volkssternwarte nach Jahren die Dachkante bei bestimmten Einblicken.
    Es scheint also sowohl eine generelle Schwierigkeit bei der Herstellung zu geben als auch bei Alterung und Aufbewahrungsverhaeltnissen.
    Man kann also nach meinen Erfahrungen nicht von einer generellen Höchst Vergrößerung sprechen. Es spielen viele Faktoren eine Rolle.
    Viele Gruesse
    Andreas
    Bleibt gesund!

  • Hi zusammen!


    Danke nochmal an alle für die wertvollen Informationen.


    Zwischenzeitlich ist auch mein Amici-Prisma angekommen - in Rekordzeit. Großes Lob an den Händler.


    Ich habe mir das 2"-45°-Prisma von Baader gekauft, ausdrücklich ausgewiesen als "terrestrisches Prisma". Beim Gebrauch habe ich direkt festgestellt, dass die Entscheidung für die 45°-Version die richtige war. Für terrestrische Beobachtungen ist das vom Einblick her einfach bequemer als die 90°-Version. Bei der Erdbeobachtung konnte ich selbst bei 100facher Vergrößerung keinen Unterschied zum Zenitspiegel erkennen. Dann habe ich Venus beobachtet (alles bei Taghimmel). Hier war ein beachtlicher Unterschied zwischen Spiegel und Prisma festzustellen. Beim Spiegel eine gestochen scharfe Sichel wie aus dem Bilderbuch. Beim Prisma gingen von Venus nach links und rechts deutliche, hässliche Strahlen aus, nach unten hin mit einer scharfen Kante begrenzt. Vielleicht kann mir jemand nochmal erklären, wie sich die Sichtbarkeit der Dachkante bemerkbar macht. Ist das nur in der Mitte des Feldes? Bei mir waren diese Strahlen unabhängig von der Position des Venus zu sehen. Bei Sternen konnte ich übrigens (vorläufig) keine solchen Effekte erkennen. Das müsste ich aber nochmal an helleren Sternen und 100facher Vergrößerung wiederholen.


    Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass ich von dem Prisma für meine Zwecke (terrestrische Beobachtung) sehr positiv überrascht bin. Heißt allenfalls im Umkehrschluss, dass es ein billigeres eventuell auch getan hätte...


    Viele Grüße
    Wolfgang

  • Hallo Wofgang,
    zunächst kurz zu den Erfahrungen, die Andreas mitgeteilt hat: Ein 2" - 90° hatte ich mir ebenfalls bestellt. Die Dachkante war ohne große Mühe im Prisma (Betrachtung des Prismas, nicht durch das Prisma am Fernrohr) zu sehen und an Sternen und Planeten erschien - wie schon zu befürchten war - ein heller Strahl beidseits ausgehend vom Objekt und rechtwinklig zur Lage der Dachkante. Das betraf nicht nur "hellste" Sterne, sondern auch Albireo. Nach Reklamation kam ein Ersatzprisma. Die Nummer auf dem Gehäuse war unverändert, aber man mag es getauscht haben. Der optische Befund (Sichtprüfung und am Fernrohr) war derselbe. Also wieder zurückgeschickt und verzichtet.


    Wie Andreas schon schrieb, sind die Amici-Prismen in den Zeiss-Okularrevolvern ohne solche Probleme. Diese scheinen noch heute den höchsten Qualitätsstandard zu bieten.
    Beim Teleskoptreffen in Herzberg konnten wir mal ein weiteres 2" 90° Amiciprisma gegen ein solches Zeiss-Prisma testen. Das 2" war zwar nicht so schlecht wie die vorgenannten, konnte aber auch wegen des Streulichtes nicht mithalten.


    Eine fehlerhafte Dachkante wirkt sich im gesamten Bild aus. Der Strahlengang wir ja im Prisma hälftig geteilt und wieder zusammengeführt. Daraus ergeben sich zwei Anforderungen:
    1. Der rechte Winkel zwischen den an der Dachkante anliegenden Prismenfläche muß sehr genau eingehalten werden. Die Toleranz liegt wohl im Bereich von 1 - 2 Bogensekenden (!),
    ansonsten überlagern sich die Bilder der beiden Strahlengänge nicht genau genug.
    2. An der Dachkante darf keine Beugung auftreten bzw. die Kante muss so ausgeführt und beschichtet sein, daß kein Streulicht in das Bild fällt.


    An einem APO ist im übrigen heutzutage ein Amici für die höchsten Vergrößerungen nicht das Mittel der Wahl, weil es meistens die Apochromasie stört. Das war zum Beispiel am AOM 160/1600 festzustellen. Nur wenn man Glück hat verringert es den Farblängsfehler, es kommt halt darauf an, wie die Schnittweiten des Objektivs fallen. Die Zeiten von Optiken mit (absichtlicher) Rechnung inkl. zusätzlichen Glasweg sind aber vorbei.


    Gruß Lars

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