Weiter unten im Board wurde von RFU- Rainer "Spiegelzelle a la Quarzmonster" gefragt.
Das interessiert natürlich sehr, weil falls möglich folgende Vorteile gegeben wären:
1. erhebliche Gewichtsreduzierung.
2. bessere Temperaturanpassung
3. weniger aufwändige und gleichzeitig gewichtsreduzierte Spiegelzelle
4. Reduzierung der Baulänge der Spiegelzelle und damit auch des Spiegelkastens.
Für „Pünktchen“- Spiegel habe ich abgeschätzt , dass man ca. 5 kg am Spiegel selbst und zusätzlich noch 2 bis 2,5 kg an der Zelle und durch Verkürzung des Spiegelkastens einsparen könnte.
Überlegungen zur Versuchsdurchführung
Die entscheidende Frage: wie weit deformiert sich so ein Spiegel unter seiner eigenen Gewichtskraft. Das ist sicher auch abhängig von der Gebrauchslage. Bisher habe ich noch keinen Rechenkünstler finden können, der das berechnen wollte. Deshalb war mal wieder experimentieren und messen angesagt. Eine Anhaltwert für die Verformung in horizontaler Gebrauchlage im Originalzustand ist sicher besser als gar nix. Dazu wurde der Spiegel gemäß Skizze auf dem Ring horizontal gelagert.
Zum Ausgleich der Unebenheiten zwischen Spiegelrückseite und Ring diente eine 10 mm dicke Matte aus weichem Schaumstoff. Mir der hochempfindlichen Schnittweitendifferenzmessung für mehrere Spiegelzonen müsse man einen Unterschied bei Lagerung des Spiegel auf dem Ring im Vergleich zur vollflächigen Lagerung am gleichen Ort unter derselben Prüfmimik messen können. Bei einem sphärischen Spiegel müsste die Deformation auch direkt sichtbar werden.
Versuchsaufbau
Dazu musste natürlich der Aufbau zur Schnittweiten- Differenzmessung nach Foucault entsprechend hoch über dem Spiegel plaziert werden. Das Foto zeigt die Details.
Das war gar nicht so mal eben schnell machbar. Der Newton- Planspiegel knickt das Strahlenbündel in die Horizontale. Damit hat man mit dem Handling der Messvorrichtung keine Probleme mehr. Auch die Kollimation mittels Laser ist unproblematisch. Aaaber wo finde ich ein stabiles Dings, was mir den horizontalen Abstand von mehr als 3 m zwischen Messvorrichtung und Spiegel gewährleistet? Beim ersten Versuch wurde der Spiegel im Keller gelegt. Das Treppenhaus im Flur hat eine genügend große Lücke für lotrechte senkrechte Sichtverbindung zwischen Spiegel und Fangspiegel. Nach ca. 4 Stunden Aufbauarbeit war alles bereit zur Messung. Ergebnis: absolut Fahrkarte! Die Luftschlieren infolge der Temperaturdifferenz zwischen Keller und Treppenhaus ließen keine empfindliche Messung zu. Dabei hatte ich angenommen, dass die deutlich kältere Kellerluft gefälligst ruhig liegen bleibt. Auch 8 Stunden nach dem Aufbau war nix zu wollen. Die Luftzellen turbelten sich gemütlich im Strahlengang, manchmal sooo gemütlich langsam, dass man sie für „Echtoptikwolken“ der Spiegeloberfläche halten konnte. Das machen die Keller- Turbulenzzellen auch gerne, wenn der Spiegel wie meist üblich hochkant aufgestellt wird.
Bei nur ein- bis dreimal mal hingucken kann man sich gewaltig vertun.
Also, einen Tag später neuer Versuch. Diesmal wurde alles im Treppenaufgang vom Keller zum Garten aufgebaut. Da auf der Nordseite gelegen, gibt es keine Erwärmung durch Sonneneinstrahlung. Doch leider wieder Fahrkarte, schlimmer noch als tags zuvor.
Der Dritte Versuch.: Aufbau Spiegel im Hausflur Parterre und Messmimik eine Etage höher. Sichtverbindung wieder durch den Treppenaufgang. Einige Stunden vor Beginn der Messung wurde auch noch die Zentral- Fußbodenheizung abgeschaltet und sämtliche Türen zum Flur geschlossen. Nachdem dann auch noch meine verständnisvolle Ehefrau und unser Astrokater zu Bett gegangen waren, konnte die bis dato als Seismometer verwendbare Messmimik ordnungsgemäß funktionieren.[xx(]
Durchführung der Messung:
Um o. a. „Echtwolkenproblematik“ sowie „sich selber besch.. Effekte“ einigermaßen sicher auszuschalten, wurden jeweils 5 Wiederholungen je Messzone gemacht, einmal mit Spiegellagerung auf dem Ring und unmittelbar danach bei vollflächiger Lagerung und unveränderter Messanordnung. Als Lichtquelle diente eine Hochleistungs- LED grün, die ein ca 0,03 mm großes Loch ausleuchtete. Die Lichtquelle blieb fixiert. Die Schneide wurde auf einen Kreuztisch geführt. Zur Längseinstellung und Messung diente eine Mikrometerschraube mit 0,01 mm Teilung. Kreuztisch mitsamt Mikrometer sind Präzisionsteile aus einem Leitz. Gerät. Die Führungen laufen spielfrei dank Federverspannung. Zur Markierung der Zonen wurde eine Leiste mit sog. „Everest pin sticks“ quer über den Spiegel gelegt. Das sind kleine Nägel, die man entsprechend dem Zonenradius in die Leiste genagelt hat. Für den Versuch genügen m. E. 4 Zonen. Der Spiegel wurde auf 380 mm abgeblendet.
Auswertung.
Hierzu habe ich das Programm von Andreas Reifke „Foucault Test Analysis“, Vers. 01 B genutzt. Da das Programm eigentlich zur Korrektur und Beurteilung von Parabolspiegeln gedacht ist, wurden die Messwerte jeweils um den idealen, berechneten Werte für die Parabel (KP) korrigiert. Zur Übersicht sind in der nachfolgendenden Tabelle nur die Mittelwerte aus den jeweiligen Einzelmessungen aufgelistet und auf 2 Dezimalen gerundet. M1 = Messwert bei Lagerung auf dem Ring, M2 entsprechend ohne Ring. Den vollständigen Datensatz kann ich Interessenten gerne off Board zur Verfügung stellen.
Spiegelradius 3780 mm
Zone--- 1------2-------3-------4
Radius--63,33--102,22--141,11--180
KP------1,06---2,76----5,27----8,57
M1------0,66---0,72----0,80----0,86
M2------0,67---0,67----0,57----0,53
KP-M1---0,40---2,04----4,47----7,71
KP-M2---0,39---2,09----4,70----8,04
KP-M1+M2 1,07--2,71----5,04----8,24
Alle Zahlen in mm
Die Y- Achse der Diagramme ist in nanometer Wellenfrontabweichung skaliert, Wellenlänge 560 nm.
Das erste Diagramm mit den Werteeingaben KP-M1 zeigt die Wellenfrontabweichung bei Lagerung auf dem Ring. Visuell war im Foucault- Test ein sehr schwach ausgeprägter „Berg“ zu erkennen.
Das zweite Diagramm (KP-M2) zeigt das entsprechende Bild bei vollflächiger Lagerung.
Besonders interessant ist das letzte Diagramm KP-M1+M2. Daraus erkennt an direkt, welche Wellenfrontabweichung allein durch die Lagerung auf dem Ring bewirkt wird.
PtV = 1/7,24 wave
RMS= 1/24,56 wave
Strehl=0,9345
So sagt das obige Programm.
Man kann das Ergebnis auch so lesen: Der Strehl - Wert eines perfekten Parabolspiegels würde bei der Lagerung auf dem gemäß Skizze von 1 auf 0,9345 absinken. Nachdem ich sehr ehrfürchtig eine „Stehl- Diskussion“ im astronomie.de- Kanal verfolgt habe, traue ich mich gerade noch mein Ergebnis hier vorzustellen. Da gibt es doch tatsächlich Beobachtungskünstler, denen würde der Unterschied von Strehl 1 auf 0,9345 bis auf die letzte Komma- Stelle sofort und auch noch deep sky- gesichert unvermeidbar in die Augen springen[:D].
Aber wieder etwas ernsthafter, was wäre zu erwarten, wenn denn der Spiegel so ähnlich wie skizziert abgespeckt würde? So nach meinem Gefühl wäre die Deformation dann deutlich geringer. Aber Physik und Gefühle, das geht manchmal schief, aber dass Geschäft ungefähr 5 Strehl- Punkte gegen 8 kg Gewichtserspernis würde ich sofort machen. Das Risiko, der fast fertige Spiegel könnte sich beim beim abspecken bleibend deformieren ist sicher gegeben. Schlimmstenfalls geht es zurück zum Feinschliff.
Vielleicht findet sich doch noch in gescheiter Theoretiker, der das mal rechnerisch abschätzen kann. Dichte des Materials: 2500 kg/m³, E.-Modul = 9,1x10^10 N/m².
Gruß Kurt