Nachführgeschwindigkeit berechnen?

  • Gibt es ein Programm, das abhängig von der Sternposition am Himmel, die Nachführgeschwindigkeit in Azimut und Höhe berechnet?


    Jedes Planetariumsprogramm gibt ja Azimut und Höhe an, aber ich finde keins, das mir sagt, dieser Stern bewegt sich in z.B. Azimut momentan um soundsoviel Bogensekunden pro sekunde.


    Jede Azimutale GOTO Montierung muss diese Ausgabe aber irgendwie intern berechnen. Wie komme ich da ran?

  • Hallo Stathis,


    ich bin zwar kein Fachmann in dieser Sache, aber habe eine Idee.


    Wie wäre es wenn du die Koordinaten des nachzuführenden Objektes einfach zwischen den beiden Systemen ständig umrechnest.


    D. h. die Berechung des Delta zwischen der alten und neuen Position für den nächsten Nachführschritt im Äquatorialen System wäre ja relativ simpel, weil sich nur eine Koordinate linear mit der Zeit ändert.


    Du hast also quasi die alte und die neue Koordinate im EQ System. Dann kannst du beide Positonen umrechnen ins altazimutale System (abhängig vom Beobachtungsstandort) und wenn du die alte und neue Position in Azimut und Höhe ausgerechnet hast, dann hast du auch das Delta getrennt für beide Achsen. Sprich du weiß wie schnell beide Achsen im Moment bewegt werden müssen, aber das müsste man dann selbstverständlich immer wieder aufs neue berechnen, min. alle paar Sekunden.


    Formeln hab ich auch gefunden: http://astro.uibk.ac.at/astrophysik1/AstroI_2.pdf


    Evtl. hilft dir das ja ein Stück weiter.


    CS
    Marc

  • Hallo Marc,


    so wie du es beschreiben hast hab ich's jetzt gemacht, und zwas mithilfe dies Programms Ephemeris Tool.


    Das Programm finde ich aber etwas umständlich in der Handhabung, ich hatte halt gehofft, das es irgend ein Programm gibt, was die °/s- Werte direkt ausspuckt.


    Hintergrund der Frage ist:
    Azimutale Montierungen müssen in Zenitnähe schnell im Azimut fahren können, da sich der Azimut dort recht flott ändert. Wenn sagen wir eine Montierung kann maximal 1 Grad pro Sekunde nachführen. Wie groß ist der Tabu Bereich in Grad um den Zenit herum, wo sie nicht mehr hinterher kommt?

  • Hallo Stathis,


    daß die nötige Nachführung im Azimut bei einem genauen Durchlauf durch den Zenit für einen Moment unendlich groß sein müsste leuchtet mir noch ein aber alles andere kann ich mir ohne Modell nicht vorstellen.
    Auch nicht ob es beispielsweise einen Unterschied macht ob das Objekt z. B. bei AZ 0° Alt 89° oder bei AZ 180° Alt 89° durchkommt.


    Aber ausrechnen (ist wohl mehr ein Herantasten) kann man das schon.


    Ich denke dabei an eine Exceltabelle mit welcher die Koordinaten (alt-az) eines imaginären Objektes 0,5 sec vor und nach dem Durchlauf durch den höchsten Bahnpunkt berechnet werden (wieder auf Basis der EQ Koordinaten die sich ja umrechnen lassen)


    Dabei dann die Höhe dieses Objektes variabel halten und in kleinen Schritten von beispielsweise 85° beginnend in Richtung 90° erhöhen und immer wieder die beiden Alt-Az Koordinaten berechnen lassen.
    Die Differenz der beiden berechneten Azimutanteile ergibt dann die nötige mittlere Nachführgeschwindigkeit.
    Aus der Tabelle könnte man dann abschätzen/lesen bei welchem Höhenwinkel die gegebene Nachführungsmöglichkeit von 1°/s an ihre Grenzen stößt.


    Ich gebe zu das ist wohl ein wenig umständlich aber es erscheint machbar. Ich würde es wohl in Ermangelung anderer Ideen so machen. Das hat wohl nix mit exakter Mathematik zu tun. Anscheindend sind hier im Forum keine Leute die fit in Mathe sind, weil wir beide so hilflos in der Materie herumstochern müssen ;)


    CS
    Marc

  • (==>) simonko
    Hallo erstmal. Das trifft den Kern der Sache nicht.
    Stell dir mal vor du stehst am Straßenrand. Du siehst Autos von links herankommen, sie fahren vor dir vorbei und verschwinden nach rechts aus deinem Blick.
    So jetzt versuche ein einzelnes Auto beim herankommen im Blick zu behalten und nicht mehr aus den Augen zu lassen bis es nicht mehr erkennbar ist.
    Je weiter weg du vom Straßenrand stehst um zu beobachten, desto langamer mußt du deinen Kopf drehen um der Bewegung der Autos zu folgen. Wenn du immer näher rangehst bis du mitten auf der Fahrbahn stehst (nehmen wir mal an du wärst nur 5 cm groß damit dich das Auto nicht überfährt) dann mußt du deinen Kopf unendlich schnell drehen in dem Moment wo das Auto direkt über dich hinwegfährt (Zenit).
    Es ist im einen Moment auf der einen Seite und im nächsten Augenblick auf der anderen Seite. Du mußt quasi deinen Kopf um 180° drehen aber hast Null Zeit dafür ---> du verlierst das Auto aus dem Blick, weil deine Nachführgeschwindigkeit begrenzt ist.
    Wir wollten berechnen wie weit du vom Zenit enfernt stehen mußt wenn die Nachführgeschwindigkeit bekannt ist und du das Objekt nicht aus den Augen verlieren darfst.


    (==>)Stathis


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">so wie du es beschreiben hast hab ich's jetzt gemacht, und zwas mithilfe dies Programms Ephemeris Tool<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich habe das Programm mal angeschaut konnte aber nicht so recht etwas damit anfangen. Im ersten Moment hat es ausgesehen als ob ich Excel gestartet hätte. Ich habe dann ein wenig herumprobiert aber bin auf keinen grünen Zweig gekommen. Hast du evtl. einen Tip für mich, daß der Einstieg nicht so schwer fällt? Was kann man damit berechnen und wie?


    CS
    Marc

  • Hallo Stathis,


    die Nachführgeschwindigkeiten erhält man direkt, in dem man die Positionsformeln nach der Zeit ableitet. Die Funktionen arctan und arccos schrecken zunächst etwas ab, aber nach ein paar Seiten Rechnung [:(!] löst sich alles in Wohlgefallen auf [:)] und man erhält:


    d(Azimut)/dt = v.Az = W* (sin(Breitengrad)*cos(Höhe)-cos(Breitengrad)*sin(Höhe)*cos(Az))/cos(Höhe)
    d(Höhe)/dt = v.Alt = W* cos(Breitengrad)*sin(Az)
    d(Bildfeld)/dt = v.BF = W* cos(Breitengrad)*cos(Az)/cos(Höhe)


    W ist hierbei die Winkelgeschwindigkeit der Erddrehung, je nach verwendeten Maßeinheiten ergeben sich die Achsengeschwindigkeiten z.B. in Radiant/Sterntag oder in Bogensekunden/Zeitsekunde:
    Angabe in Rad/Sterntag für W = 2*pi/1Sterntag
    Angabe in "/sec für W = 360° *3600["/°] / 86164.091s = 15.041 "/s


    Auf meiner Homepage unter "Bewegungsgeschwindigkeiten" findest du Näheres. Die ganze Berechnung dort berücksicht auch den Fall "Astronom besoffen und deshalb Montierung schief aufgestellt, dabei die Achsen verbogen, Kompass kaputt, Sternzeituhr geht falsch" (mit anderen Worten: den allgemeinen nichtidealen Fall für das 2-Star-Aligment).


    Da ja eigentlich der Tabu-Bereich gefragt ist, muss man die Azimutformel nach der Höhe (oder h=90-Höhe) auflösen und erhält für Azimut=0 (dort ist die schnellste Bewegung)


    Tabubereich h = atn(cos(Breitengrad)/(sin(Breitengrad)+ V))


    mit V=-V.az/W, d.h. genau die "V-fach" Geschwindigkeit. Das negaive Vorzeichen kommt daher, dass der Zenit oberhalb des Pols liegt und dort die Azimutnachführung quasi 'rückwärts' läuft.


    Beispiel: Erddrehung ist 360°/86164.091s =0.004°/s. Tempo 1°/s wäre dann V=250-fach.
    Also für z.B. den 50.Breitengrad
    h = atn( cos(50°)/(sin(50°)+250) ) = 0.147° um den Zenit herum


    Nachgeführte Grüße
    Karl-Heinz

  • Hallo Karl Heinz,


    tausend Dank für deine Herleitung, hat mir sehr geholfen. Ich habe die Formeln für v_Az und v_Alt in's Excel getickert und siehe da, ich kriege die selben Ergebnisse wie mit der zu Fuss-Differenzmethode zuvor[:)] (wer die Exceldatei haben will, bitte melden).


    Ein Teleskop, das im Azimut 1°/s nachführen kann, hat damit einen ziemlich kleinen Bereich von 2x9=18 Bogenminuten um den Zenit herum, wo es nicht hinterherkommt.

  • Hallo Statis,


    freut mich geholfen haben zu können [:D].
    Es gibt noch einen anderen Effekt, der bei Beobachtungen im Zenit eine Rolle spielt:
    Wenn die Achsen nicht exakt senkrecht aufeinanderstehen, ist ein Bereich um den Zenit herum überhaupt nicht erreichbar, egal wie schnell du fahren kannst.
    Und zwar betrifft das den
    - Winkel zwischen Azimut und Höhenachse: beim Dobson z.B. durch leicht versetzt montierte Höhenräder oder Höhenräder mit ungleichen Durchmessern oder unterschiedlich dicke oder abgenutzte Teflonauflagen oder ...


    - Winkel zwischen Höhenachse und optischer Achse: bei Newtons verkippt sich die optische Achse bei jeder Verstellung des Hauptspiegels, z.B. beim Kollimieren. Und dummerweise kann ein Teleskop perfekt kollimiert sein, und trotzdem eine verkippte optische Achse aufweisen [:(!].


    Beide Fehler können sich sowohl addieren als auch teilweise so weit kompensieren, dass wieder eine durchgehende Zenitbeobachtung möglich ist (Näheres auf meiner Homapage).


    Alternativ kann man die Montierung auch mal leicht gekippt aufstellen, wenn man vorher weiß, dass das Objekt der Begierde sich über den Zenit bewegen wird. Der 'Tabubereich' liegt dann in der Verlängerung der Azimutachse.


    Lückenlose Grüße


    Karl-Heinz

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