Bevor ich die Hälfte oder mehr vergesse:
Das Teleskop ist kalt, die Kinder schlafen, der Himmel ist klar und immer und immer mehr Sterne blinzeln mir zu. Ich sehe, dass sich der Nachthimmel schon deutlich verschoben hat im Vergleich zu Anfang August. Heute sehe ich Sternbilder wie die Fische, den Wassermann, den Widder, das Triangulum (wanderte inzwischen in den sichtbaren Bereich des Südgartens an Nachbars Hausdach vorbei), sogar den Equuleus.
Mein Blitzgedanke so: Momentchen mal, Wassermann? Da war doch was auf der Neptun-Aufsuchkarte! Schnell auffalten und nachsehen. Tatsächlich! Die Karte hatte ich mir neulich akribisch vorbereitet, damit ich weiß, wann genau, mit welchem Okular und wo ganz, ganz genau ich nach Neptun suchen muss. Dann mal los!
-> lambda Aqr war mit bloßem Auge erkennbar, also direkt im Übersichtsokular (26x vergrößert) angesteuert. Das Dreieck zu Psi und Chi ausfindig gemacht und dann den Stern oberhalb von Chi gefunden. Laut Aufsuchkarte wandert Neptun rechts und links an dem herum im Jahresverlauf, und jetzt gerade ziemlich dicht rechts von ihm.
-> Auch wenn das mit dem Fokussieren heute nicht so bis ins klarste Detail geht: Ich wechsle auf 125x Vergrößerung und packe dann noch die Barlow dazu. 250x, volle Leistung quasi. Wenn man aber halt so ein Globuli im Nachthimmel finden will, ne
-> Also jedenfalls: Da ist was. Es leuchtet nicht so hell wie ein Stern, ist aber rund, und bläulich, und äh ja. Ist das Neptun? Bestimmt nicht. Garantiert bin ich mal wieder irgendwo völlig verkehrt gelandet. Aber falls doch: Lieber mal ein Weilchen beobachten, dieses kleine farbige Ding da.
-> Und dann von vorne. Ganz woanders was beobachtet und zurück in den Wassermann, nochmal akribisch mit der Aufsuchkarte alles nacheinander angesteuert. Und ich bin wieder an diesem blauen Ding da herausgekommen.
Ich bin mir beinahe sicher: Ich hab' den äußersten Planeten des Sonnensystems gesehen. Wie SUPERCOOL ist das denn bitte! Und das mit meinem niedlichen 6''-Teleskop! Ich find's ja so genial. (Also, wenn das Neptun war ...).
Dann dachte ich. Jawoll, Uranus ist ja sogar ein Mü größer, und, oh ja, den Widder und die Fische kann ich ja auch sehen! Naja, leider nur einen Stern vom Fisch, ita Psc. Ist laut Internet aber auch noch bisschen früh so um 21.30, da wird er gerade erst sichtbar heißt es. o Psc zu finden, war dann leider schon ein Ding der Unmöglichkeit. Im Fernglas hatte ich ihn glaube ich, im Teleskop nicht. Schade, also kein Uranus.
Aber der Abend ist ja noch nicht vorüber! Im Karkoschka prangt noch die Aufsuchkarte für V Aql heraus, einen empfohlenen Karbonstern. Na bitte, heute versteckt sich der untere Adler-Teil mal nicht hinterm Nachbarhaus, sondern präsentiert sich schön.
Dann mal los! lambda ist schnell gefunden, Karkoschkas Nummer 12 auch. Dazwischen muss er sein. Eine hübsche Dreierkette nahe Stern Nr. 12 taucht auch sogleich auf, und dann müssten es 0,25° "nach links unten" sein (ähm ja, so mache ich das, "schräg links runter, 1,2°" , so orientiere ich mich). Und JA JA JA! Ein wundervoll kupferfarbenes Pünktlein, leuchtet, funkelt, rotgold, wie auch immer. Es ist V Aql! Das schönste Ergebnis bei 125x Vergrößerung. Aus Neugier versuche ich noch 166x, aber ich sagte ja schon, dass Scharfstellen heute nicht so recht will. Muss aber auch nicht sein.
Hach, ich liebe mein Teleskop.
Zum Schluss schweife ich nochmal mit dem Blick über den Nachthimmel, er ist heute so wunderschön funkelnd und übersät mit Sternlein. Bilde ich mir das jetzt ein, die Milchstraße müsste von Kassiopeia über den Schwan zum Adler runterreichen, ist es da jetzt heller, so ein schmaler Streifen? Ich weiß es nicht. Es wäre meine erste Milchstraße in meinem gesamten Leben, ich habe sie ernsthaft noch nie gesehen. Ein Jammer. Vielleicht war das heute Abend der erste Hauch? Wer weiß, ob es Wunschdenken oder Wirklichkeit war.
Das war ein schöner Abend, und mit dünner Decke über den Beinen auch nicht kalt.
Liebe Grüße
Sarah