M42 Premiere bei 1400 mm in RGB

  • Hallo zusammen!


    Nach diesem aus Deepsky-Sicht fürchterlichen Winter hier bei Würzburg - entweder Dauergrau oder sternenklar mit Vollmond - brachte die vergangene Woche endlich den langersehnten dunklen Sternenhimmel :)


    Das wurde genutzt für meinen allerersten Versuch am Orionnebel mit dem 8“ EHD auf AVX und ASI071MC Pro.
    Drei Abende waren für’s Photonensammeln geeignet. Die Montierung bzw. die RA/Dec-Motoren sind mit dem Gewicht so ziemlich am Limit, daher hatte ich einige Guidingfehler und Ausschuss :-/


    Die Daten zur Aufnahme stehen größtenteils in der Bildunterschrift. Weitere Parameter:


    Transparenz: Bortle 7
    Seeing: gut - mäßig
    Belichtung: 567 x 30 sec verwertbar
    Chiptemp.: -20°C
    Flats: 88
    Darks: > 200
    Bias: 100
    Bearbeitung: DSS + Photoshop CC 2019 (hauptsächlich CameraRAW-Modul)


    Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Es entschädigt für die lange astrofreie Zeit der letzten Monate :)



    Die volle Auflösung findet ihr hier bei AstroBin: https://www.astrobin.com/393491/


    Übrigens entstanden die Spikes durch zwei Drähte vor dem Tubus. Ist wie alles im Leben: Geschmacksache ;)


    Schönes Wochenende und clear skies!


    Marco

  • Hallo Mario,
    das ist eine sehr saubere Arbeit. Glückwunsch!
    Auffällig ist die sehr differenzierte Farbwiedergabe zwischen roten und bläulichen Nebelschleiern, das wirkt dann fast räumlich. Das Zentrum ist sehr scharf, Komponente E ist da, guten Mittelweg in der Bearbeitung gefunden (finde ich). Wenn ich so einen guten M42 sehr dann suche ich als zweites immer nach den Proplyds. Ein paar hellere sind da, könnte man evtl. noch heraus kitzeln, aber ganz sauber abgebildet ist die dunkle Staubscheibe. Klasse!
    Viele Grüße,
    ralf


    PS.: Die Spikes finde ich o.k. und die verwendete Schrift ist cool.

  • Vielen Dank Ralf,


    deine Beiträge schätze ich immer sehr. Auf die Idee, nach den Proplyds (der Name der Dinger war mir bislang unbekannt) zu suchen, bin ich noch gar nicht gekommen :) Aber stimmt, einige sind in der Vollauflösung im Vergleich mit dem HST-Bild gut zu erkennen. Hätte ich nicht für möglich gehalten.
    Danke für den Tipp!


    Gruß, Marco

  • Herzlichen Dank Josef!


    Hier noch ein kleines Update:


    Für die Identifizierung der Proplyds habe ich vorhin ein pixelgenaues Overlay mit dem bekannten Hubble-Foto aus dem Jahr 2004/2005 erstellt. Dabei sind mir zwei andere interessante Details aufgefallen:


    Im Randbereich der hellen Zentralregion gibt es - scheinbar - leichte Veränderungen zwischen der Aufnahme des HST und der aktuellen (siehe Pfeile in der Animation). Man muss schon genau hinschauen, aber ich hoffe, man kann's erkennen. Jetzt ist die Frage, ob es sich nur um eine optische Täuschung handelt (was ich annehme, nämlich eine seeingbedingte Vergrößerung der Objekte) oder können es tatsächlich minimale Gasausdehnungen sein?


    Beim Supernovaüberrest M1 kennt man das ja, dass durch die hohen Geschwindigkeiten eine radiale Ausdehnung schon nach wenigen Jahren sichtbar ist. Aber im Orionnebel? Unwahrscheinlich… Allerdings bleiben alle anderen hellen und dunklen Strukturen im Nebel auf den ersten Blick völlig unverändert.
    Vielleicht sitze ich heute einfach schon zu lange am Rechner ;) Der Effekt müsste wenn dann ja auch in anderen aktuellen Aufnahmen reproduzierbar sein. Was meint ihr?



    Viele Grüße, Marco

  • Hallo Marco,
    das ist ja sehr interessant. 15 Jahre reichen sicher aus um eine Bewegung aufzuzeigen, zudem handelt es sich um Herbig Haro Objekte bzw. deren Stoßfronten, die ja bekanntlich sehr schnell sind. Gerade beim unteren Objekt scheint eine Bewegung wirklich statt zu finden.
    Grundsätzlich muss man natürlich vorsichtig sein, denn Hubble hat mit Schmalbändern (hier evtl. auch nur Kantenfiltern) fotografiert und dabei zeigen sich zum Weißlicht evtl. andere Grenzen in den Strukturen. Das sollte dann aber m.M.n. öfter passieren und nicht nur dort. Die Struktur scheint sich auch nicht nur nach vorne zu erweitern, sondern auch in der Breite, das ist schon sehr realistisch finde ich und ich glaube ich möchte dir zu diesem, -aus meiner Sicht- noch nie dokumentierten Vorgang gratulieren. Zur Bestätigung müsstest du evtl. ein 2. Bildpaar finden oder vllt. noch weiter zurück gehen, zu den POSS Bildern vielleicht, um eine 3. Position zu finden. Dieses HH Objekt taucht ja auch in wissenschaftlichen Arbeiten auf, da gibt es evtl. Messungen zur Geschwindigkeit.
    Ich persönlich empfinde so etwas wie die Königsdisziplin. Ein schönes und scharfes Foto zu machen ist die Grundlage, klar, aber darin interessante Details zu finden die noch nicht, oder ´so` noch nicht, oder mit diesem Equipment noch nicht gesehen wurden, das ist schon ein Highlight.
    Coole Geschichte,
    viele Grüße,
    ralf

  • Nun habe ich ne Nacht drüber geschlafen und weitere Vergleichsbilder gefunden: Eines stammt vom Hale-Teleskop (Palomar Observatory) aus dem Jahr 1959, ein ganz frühes vom britischen Astronom Andrew Ainslie aus Februar 1883 (siehe neue Animation). Diese Fotos eignen sich, da der rechte Rand der Zentralregion nicht vollkommen übstrahlt ist.


    Jetzt, im Vergleich von 2019 und 1883, deutet alles darauf hin, dass der Effekt für das rechte Objekt real ist :)
    Klar, das Foto aus dem 19. Jhd. ist nicht der Hit, aber man kann die Struktur zumindest identifizieren und sieht deren zwischenzeitliche Ausdehnung:



    Auf die Schnelle habe ich eine Pi mal Daumen Messung durchgeführt. Der „Knubbel“ am rechten Rand verschiebt sich innerhalb der 136 Jahre um etwa 6“, also pro Jahr um etwa 0,044“. Umgerechnet auf die Distanz des Orionnebels von 1350 Lj. ergibt das eine Geschwindigkeit von ca. 2,7 Mrd. km/a oder 310.000 km/h oder 86 km/s.


    Das passt mit den spektroskopischen Messungen von Herbig-Haro Objekten ziemlich gut überein, die eine Geschwindigkeit von 100-1000 km/s angeben!


    Ich bin ehrlich gesagt verblüfft, was mit Amateurmitteln machbar ist. Und ganz besonders möchte ich dir, Ralf, danken! Alleine wäre ich wohl nicht auf die Idee gekommen wäre, nach protoplanetarischen Scheiben zu suchen und ein pixelgenaues Abbild mit dem HST-Foto zu basteln ;)


    Übrigens fällt innerhalb der Zentralregion noch eine weitere Schockfront auf, die sich seit den HST-Aufnahmen verändert hat. Und in den Außenbezirken des Orionnebels erkennt man mehrere „schnelle“ Sterne, die in unterschiedliche Richtungen ziehen. Mehr dazu aber später…


    Ich würde mich freuen, wenn der Eine oder Andere auch mal im Archiv kramt und nach älteren M42 Fotos sucht. So könnten wir eine interessante Animation draus basteln. Wer was findet, immer her damit.


    Viele Grüße und schönes Wochenende allen!


    Marco

  • Noch ein Update für alle Interessierten:


    Im Bücherregal fiel mir ein altes Buch aus dem Jahr 1983 in die Hände: „Galaxien“ von Timothy Ferris. Vielleicht kennt es noch jemand?
    Auf dem Cover das Zentrum von M42, aufgenommen am Lick Observatory. Für damalige Verhältnisse (evtl. 60er/70er Jahre?) ein ziemlich scharfes Foto.


    Setzt man diese und die aktuelle Aufnahme nebeneinander, lässt sich kaum ein Unterschied erkennen, mal abgesehen von den Farben und dem Dynamikumfang. Deckungsgleich als Animation und per Hochpassfilter bearbeitet, zeichnen sich plötzlich mehrere Herbig-Haro-Objekte durch ihre Bewegungen ab, meist vom Zentrum nach außen hin. Teilweise sind sie mit den offiziellen Namen beschriftet. Für die beiden kleinen Objekte direkt unterhalb der Trapezsterne konnte ich keine Infos finden. Da muss man genau hingucken, dann sieht man sie :)




    Leider steht im Buch kein Aufnahmedatum der alten Version, sonst könnte man damit gute Berechnungen durchführen. Jemand ne Ahnung, wie man an die Daten kommen könnte?


    Jedenfalls cool, wie sich solche Objekte in so kurzer Zeit verändern und mit relativ einfachen Mitteln nachgewiesen werden können!


    Gruß, Marco

  • Hallo Marco,


    Deine Arbeit hat sich gelohnt. Gerade die letzte Animation macht richtig Spaß. Top!
    Und natürlich ist auch Deine Orion Aufnahme sehr gut gelungen.
    Viele Grüße,
    Sven

  • Hallo Sven & Jörg,


    Dankeschön auch für eure Anmerkungen!
    Leider ist es grad bei alten Fotos nicht immer so einfach, das Datum herauszubekommen. Im Falle der Vergleichsaufnahme des Lick Oberservatory ist es mir letztendlich über eine alte Ausgabe des „Scientific American“ Magazins gelungen. Dort ziert exakt dieses Bild das Cover der Oktoberausgabe von 1974. Entstanden ist es folglich wahrscheinlich im Winter 73/74. Damit werden sich bestimmt noch ein paar nette Berechnungen durchführen lassen :)


    Da wir ja in einem Bilderforum sind, hier noch eine (etwas ungewöhnliche) Farbvariation meines Orionnebels, abgeleitet aus den RGB-Informationen.


    Ein Dank geht dabei an Peter (pete_xl), der letzten November hier im Forum eine Methode vorgestellt hat, um aus normalen Breitbandaufnahmen ein künstliches Bicolor Ha/OIII per „Filter“ in Photoshop zu erstellen.
    Ich hab das selbst an ein paar Objekten getestet und es kommen teils sehr ansprechende Ergebnisse heraus. Bei M42 wurden ein paar zusätzliche Farbverschiebungen vorgenommen, um zu diesem Resultat zu kommen. Alles aber global auf’s ganze Bild angewendet, kein Rumpinseln mit künstlicher Farbe!
    Ich finde, dass jetzt die Unterschiede zwischen den grau-bläulichen Nebelstrukturen und den orange-bräunlichen Tönen viel besser zur Geltung kommen als in der Originalversion. Man sieht das schön am oberen Bildrand rund um M43, wodurch alles etwas dreidimensionaler wirkt.



    Viele Grüße
    Marco

  • Hi Marco,


    die neue Farbvariante macht sich wirklich gut, was die Kontraststeigerung zwischen den farbunterschiedlichen Gebieten angeht. Interessante Bearbeitung.


    Viele Grüße,
    Sven

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