<b>1.Vorgeschichte</b>
Stammtischbruder Thomas wollte gerne wissen wie gut sein 10“ f/4* Spiegel ist. Da ich zufällig dabei war meine Interferometer „anzuspitzen“ bot es sich an hier zu synergieren.
Kurz, das Prüfergebnis war mit Strehl = 0,69 eher mau. Da das Teil über 2 Jahre alt war gab es keinen handfesten Reklamationgrund mehr. Trotzdem, höflich fragen kann man ja mal Wolfi Ransburg. Das tat Thomas denn auch. Ergebnis: einen Tag schlug das Schnäppchenangebot zwecks Prüfung bei mir ein.
<b>2. Der Prüfling</b>
Die wichtigsten Daten lt. Beschreibung auszugsweise zitiert:
„Öffnung 250 mm / 10“ Brennw. 1000 mm...
„GSO fertigt hochwertige Parabolspiegel mit sehr guter und glatter Oberfläche...„
Spiegelträger... opt. Qualitätsglas BK7...
Genauigkeit …beugungsbegrenzt mit einer Oberflächenqualität, die besser als 1/16 RM
Reflektion....... Die Reflektivität der Spiegel ist 94%“
---Dicke: 36,3 mm
---Gewicht: 4 kg
(Zitat Ende)
<b>3. Nachmessung mit Anmerkungen</b>
Die nutzbare Öffnung beträgt tatsächlich 254,5 mm. Das sind 10 mm mehr als bei dem bemängelten Spiegel und wird den Thomas garantiert nicht stören. Die Brennweite beträgt 1000 mm +/- 3 mm.
BK7 als Spiegelsubstrat? Da hab ich ehrlich gesagt erst mal etwas die Nase gerümpft. Aber dann dachte ich mir so, falls Oberfläche nicht OK wäre das Teil wahrscheinlich als Rohling für einen Maksutov-Meniskus geeignet. Aber vorweg, das wird mit diesem Exemplar nicht laufen. Das bleibt Spiegel, weil gut.
„...Oberflächenqualität, die besser als 1/16 RM...“ Wenn damit
1/16 RMS Oberfläche im Wellenmaß gemeint ist dann wären das 1/8 RMS Wellenfrontfehler und ergibt dann
Strehl = e^-(2*pi*0,125)² = 0,54.
Nee, kann wohl nicht stimmen. Nehmen wir also an es sei 1/16 RMS Wellenfrontfehler gemeint. Dann kommt nach der Formel heraus
Strehl = e^-(2*pi*0,0625)² = 0,86.
Das hört sich irgendwie glaubwürdig an.
<b>4. Schnelltest des Reflexionsgrades</b>
Eine exaktgenaue Messung wäre hier etwas aufwändig. Man kann aber gut rein visuell oder auch fotografisch vergleichen wenn man die Reflexion einer matt weißen Fläche betrachtet. Fotografisch sieht das so aus:
<b>Bild 1 </b>
Den Referenzspiegel hatte ich zufällig einige Tage vorher mit Alu im Hochvakuum beschichtet. Nach eigenen Messungen liegt der Reflexionsgrad einer solchen Schicht bei 89 bis 91 %. Der Prüfling im Bild sieht mindestens gleich hell aus. Da gibt es nichts zu meckern.
<b>5. Interferometrische Vermessung</b>
<b>5.1 Twymam Green- Interferometer (TG)</b>
Bild 2</b>
Mit Interferometer „anspitzen“ meine ich es derart herzurichten dass es möglichst artefaktarme I-gramme produziert. Das „Geheimnis“ der relativ sauberen I-gramme ist trivial. Alle optischen Oberflächen müssen klinisch-chemisch sauber und frei von Pits und Kratzern sein. Das gilt vor allem für die Flächen an denen das Strahlenbündel besonders eng ist.
Hier zwei Beispiele aus der Messserie zu obigem Spiegel.
<b>Bild 3</b>
<b>Bild 4</b>
Die sind echt im He - Ne Laserlicht und nicht etwa computergeneriert, also nicht synthetisch!
<b>5.2 Durchführung der interferometrischen Messung und Auswertung</b>
<b>5.2.1 mit dem Twyman- Green Interferometer</b>
Zur Minderung der Messwertstreuung wg. Luftschlieren wurde die Messstrecke mit einer Hülle aus alukaschierter Isotapete abgeschirmt. Wie bei mir üblich wurden jeweils mehrere I-Gramme in Spiegelposition 0° bzw. 90° aufgenommen, diesmal jeweils 5. Die 90°- I-gramme wurden in „openFringe“ (oF) vor der eigentlichen FFT- Prozedur mit der Option „Transforms > Rotate Interferograms 90 CW“ zurückgedreht. Nach Einlesung aller 10 I-gamme kann oF die FFT- Files mitteln und zum „Report“ verarbeiten.
<b>Bild 5</b>
Danach ist der Spiegel deutlich besser als „beugungsbegrenzt“. Auffälliger Restfehler ist wohl der Buckel in der Mitte. Daneben sieht man einen leicht abgesunkenen Rand sowie schwach ausgeprägte Zonen.
Da Thomas den Spiegel überwiegend für Fotografie mit relativ großem Fs einsetzen möchte hab ich einen weiteren Report mit 60 mm Obstruktion gezogen.
<b>Bild 6</b>
Nach Fortfall des zentralen Buckels steigt die Strehlzahl erwartungsgemäß an, aber bei Strehl = 0,90 ist nicht mehr allzu viel Luft nach oben.
<b>5.2.2 Vermessung mit dem PDI</b>
Dieses Interferometer hat bekanntlich keine optisch aktiven Bauteile welche die I-gramme irgendwie verfälschen könnten. Kai „Fraxinus“ hat neulich darauf hingewiesen. Dank dir, lieber Kai, ich hätte es sonst wahrscheinlich vergessen.
Der durch den praktisch unvermeidbaren Strahlbündelabstand induzierte Asti lässt sich mit oF sauber herausrechnen. Bei 10 mm Bündelabstand und 2000 mm Radius sind es lt. Of ohnehin nur „0,03999 waves“.
Der Nachteil der geringeren Auflösung wegen relativ geringer Streifendichte ist bei der Prüfung von guten Spiegeln belanglos, insbesondere wenn man wie hier zuerst mit der dem höher auflösenden Tg vermessen hat.
<b>Bild 7</b>
Bei diesem Spiegel schafft man es immerhin 20 Streifen einzustellen zustellen. Diese lassen sich in oF im Zernikemodus problemlos einlesen. Hier folgt eine Auswertung zu dem einzelnen I-Gramm.
<b>Bild 8</b>
Dieses Wellenfrontbild passt wohl ganz gut zu dem Report lt. Bild 6. Es macht daher Sinn noch einen Report basierend auf 4 PDI-grammen zu ziehen. Hier wieder ohne Obstruktion um zum Vergleich auch den zentralen Buckel darzustellen.
<b>Bild 9</b>
Bei Vergleich mit den Ergebissen aus Bild 5 zeigt sich kein gravierender Unterschied in der Strehlzahl. Das Profil wird weniger differenziert und auch nicht nicht deckungsgleich mit dem aus Bild 5 abgebildet. Kein Wunder, denn mit weniger Streifen und nur einer handvoll Zernike- Koeffizienten darf man nicht die hohe Auflösung wie im FFT- Modus erwarten. Diese Differenzierung kann man aber in Anbetracht der relativ hohen Strehlzahl schon als Erbsenzählerei betrachten. Wollte man hier als Spiegelschleifer die Strehlzahl unbedingt noch etwas hochkitzeln müsste man auf Basis beider Auswertungen mit dem Abtragen des zentralen Buckel beginnen. Wenn es dann messtechnisch noch sicherer werden soll kommt man mit der Auswertung im Zernike- Modus nicht mehr weiter und muss auf FFT umschalten und natürlich auch bessere I-gramme vorlegen.
<b>6. Test auf Welligkeit (fälschlich auch als „Rauheit“ bezeichnet)</b>
Ein echt rauer Spiegel wäre nämlich keiner mehr, wie z. B. die Oberfläche eines werdenden Spiegels vor dem Auspolieren. Mit Welligkeit sind hier Wellenfrontfehler mit lateraler Ausdehnung im mm- Bereich gemeint. Fälschlich wird hierfür auch der Begriff „Rauheit“ benutzt.
Welligkeit kann mit der einfachen oder auch erweiterten Zernike- Auswertung nicht strehlzahlmäßig erfasst werden, mit FFT und artefaktarmen I-grammen aber zumindest teilweise. Man kann die Welligkeit aber eindrucksvoll mit dem Lyot-Test sichtbar machen.
<b>Bild 10</b>
Die verwndeten Filter sehen so aus.
<b>Bild 11</b>
Die laterale Auflösung liegt hier bei ca. 1 mm. Offensichtlich gibt es zwischen den beiden Filtern keinen wesentlichen Unterschied. Zusätzlich hab ich auch einem Versuch mit einem Ruß- Kantenfilter gemacht. Damit hat man aber hier so gut wie gar keine Strukturen sehen können.
Was aber können aus diesen Bildern bezüglich der opt. Qualität des Spiegels folgern? Ich sag mal: nix, wenn nicht mindestens Vergleichsbilder aufgenommen unter exaktgenau gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen. Dh. Lichtquelle, Filter, Abbildungsmaßstab, Belichtungszeit und Position des Filters müssten gleich sein. Ganz grob näherungsweise kann ich aber doch etwas in der Art anbieten.
<b>Bild 12</b>
Das linke Teilbild ist unser Prüfling, rechts ein anderer 10“ Spiegel, der vor einigen Monaten bei mir zu Gast war. Unterschiede in der Form und Verteilung der Strukturen sieht man zwar deutlich. Aber wer kann die entscheidende Frage beantworten: welcher Spiegel hat den geringeren TIS- Wert? Das wäre gleichbedeutend mit - welcher Spiegel ist glatter? TIS heißt in der Fachsprache Total Integrated Scatter, mathematisch TIS = 1- Strehlzahl. Also wieder nur pretty pictures? Vielleicht doch nicht ganz wenn man auch noch den Foucault-Test zu Hilfe nimmt.
<b>Bild 13</b>
Nach diesem Test wage ich zu behaupten unser 10“ f/4 Prüfling ist der glattere Spiegel. Ob dieser Unterschied bei der praktischen Anwendung am Himmel sichtbar wird kann man nicht sagen. Nach meiner Einschätzung braucht man sich um „Rauheit“ o. ä. nicht mehr zu kümmern wenn die Foucaultbilder so aussehen wie hier für den 10“ f/4. Die Bewerbung, Zit.: „...mit sehr guter und glatter Oberfläche“ wäre also OK.
<b>6. Fehlerdiskussion</b>
<b>6.1. Gerätefehler</b>
<b>6.1.1 Optik des Twyman- Green Interferometers </b>
Abweichung von der Kugelgestalt der Referenzsphäre würden1:1 auf das Messergebnis durchschlagen. Dazu kommen die Fehler infolge der möglichen Fehljustierung (Abstand, Neigung) der Sphäre sowie die Flächenfehler des Teilerwürfels. Als Referenzsphäre dient eine relativ dicke Konkavlinse mit 150 mm Krümmungsradius. Aus der sehr guten Übereinstimmung der Vergleichsmessung mit dem linsenlosen PDI kann man schließen dass die Optik des TG keine signifikanten Fehler aufweist.
Wenn man die denkbaren Restfehler des TG hochpräzise erfassen wollte müsste man das mit einen anderweitig hochgenau vermessenen Prüfling durchziehen. Das wäre teuer und irgendwie overkill.
<b>6.1.2. Fehler der Messwellenlänge</b>
Meines Wissens gilt die Wellenlänge eines HeNe- Lasers mit 632,8 nm als als hoch konstant. Daher sind von hier keine für unsere Auswertung relevanten Fehler zu erwarten.
<b>6.1.3 Fehler durch Prüfstandslagerung des Spiegels</b>
induziert erfahrungsgemäß bei D = 258 und d=36 mm keine optisch relevante Deformation der Spiegelfläche.
<b>6.1.4 Einlesefehler von Durchmesser und Krümmungsradius des Prüflings</b>
Der Durchmesser kann schätzungsweise mit +/- 0,5 mm, der Radius mit +/- 3 mm Genauigkeit eingelesen werden. Die Strehlzahl kann dadurch im im Bereich S= +/ - 0,01 schwanken. Die absoluten Fehler des Messlineals bzw. Bandmaßes sind dagegen vernachlässigbar.
<b> 6.1.5 Fehler durch Luftschlieren in der Prüfstrecke </b>
Zur Unterdrückung dieser Störungen wurde die Prüfstrecke provisorisch mit einem Isotunnel umhüllt. Der Prüfraum war mein Arbeitszimmer mit Fußbodenheizung, Raumtemp. ca. 21°C. In dieser Konfiguration hab ich in während der vergangen 3 Monate schon mehrere Spiegel Cal. 8“ bis 10“ vermessen. Kurz gesagt, ohne Iso- Tunnel misst man Hausnummern, mit geht so.Hier ein Beispiel für die Streuung der Einzelwerte die zu dem Report Bild 6 gehören.
<b>Bild 14 </b>
Betrachtet man die Einzelwerte hat man eine Spanne (gerundet) von 0,85 bis 0,90. Das wären rund 6 % und ziemlich unsinnig diesen Wert als Endresultat mit 3 Dezimalen “genau“ anzugeben. Ebenso erkennt man dass das das OF- Mittel nicht gleich dem arithmetischen Mittel, gebildet aus den Einzelwerten ist. Mit der auf jeden 20€ Taschenrechner verfügbaren Option „Standard Deviation“ zur Abschätzung der Messwertstreuung kann man also hier nichts anfangen. Aber wie sieht es aus wenn man den Aufwand auf jeweils eine Messung in Pos. 0° und Pos.90 beschränkt?
<b>Bild 15</b>
Hier hätte man eine Spanne oder Range von nur knapp 3% und sogar ein etwas höheres, dazu deutlich besser gesichertes Endergebnis. Ergebnis bei oF- Mittelung mehrerer Messwerte höher als der höchste Einzelwert das passiert bevorzugt dann wenn der Prüfling tatsächlich eine hohe Strehlzahl hat. Aber dazu muss man erst mal mehrfach messen.
Aber wie hoch ist denn nun die Spanne für das OF- Mittel nach Bild 13? Für streng mathematisch statistische gestützte Angabe der Fehlergrenzen reicht meines Wissens die Anzahl der Versuche nicht aus. Wer es besser weiß, bitte raus damit! Ich wage es aber zu schätzen und komme damit zur
<b> 7. Beurteilung [/b]
Die interferometrisch ermittelte Strehlzahl des Spiegels liegt bei Berücksichtigung der Obstruktion eines 60 mm Fangspiegels bei mindestens S = 0,90.
Die Bewerbung bezüglich Oberflächengüte ist erfüllt.
Kurz: Sehr gutes Schnäppchen!
Gruß Kurt
Edit : Beschriftung in Bild 1 korrigiert.
Edit 2: Beschriftung in Bild 5 und 8 korrigiert.
*Edit 3:Irgendwie mag ich 12" Spiegel lieber als 10". Deshalb hab ich wohl auch eingangs irrtümlich 12" geschrieben. Herzlichen Dank für das aufmerksame Lesen, Stathis.