II: Im Doppelpack: Ronchi und Strehl
Die gründliche Aufarbeitung von gestellten Themen kommt der Dynamik wegen, die z.B. der
"Gurken-Schutz-Thread" auf Astronomie.de genommen hat, einfach zu kurz. Ich will daher,
wie ich das schon früher bei anderen Themen gemacht habe, einzelne Aspekte des sich
auffächernden Themenbaumes etwas detaillierter mit praktischen Beispielen unterfüttern,
bzw. beantworten. Da mir AstroTreff mit seinem Archiv viel Platz zur Verfügung stellt, mein
reichhaltiges Bildmaterial aus den täglichen Messungen zu "bunkern", kann ich deshalb
die aufgeworfenen Probleme mit einem zeitlichen Versatz und in aller Ruhe von meiner
Seite her darstellen und die Interessierten zu einer entspannten Diskussion einladen, egal
ob sie nun auf astronomie.de oder AstroTreff.e weitergeführt werden sollte.
Dieser 2. Beitrag konzentriert sich mehr auf einen Vergleich von zwei sich ähnelnden
Objektiven, die trotz ähnlicher optischer Daten bzw. ähnlicher Strehl-Werte erhebliche
Unterschiede hinsichtlich des Ronchi-Gittertestes, des Phasenkontrast-Testes und des
Spalt testes haben: Sie unterscheiden sich erheblich über den Farblängsfehler, der im
Falle des einen Objektives zu ungünstigeren Ergebnissen führt. Dabei sollte deutlich
werden können, welchen Stellenwert der Ronchi-Gitter-Test und der Interferometer-Test
haben kann, und was man mit ihnen ganz bestimmt nicht messen kann.
Gerade bei diesem "Gurken-Schutz"-Thread hatte man in einigen Beiträge den Eindruck,
daß die von einem Händler angebotenen Tests nur entwertet werden sollten, ohne daß
man sachlich begründet, wo der Stärke des Ronchi-Tests liegt, und was er nicht messen
kann. Eine pauschale Verurteilung einzelner Tests, nur weil sie die Konkurrenz anbietet,
halte ich deshalb nicht für legitim. Ich wünsche mir also etwas mehr Gründlichkeit bei der
Beurteilung von Tests. Futterneid ist ein schlechter Ratgeber.
(Für astronomie.de-Leser: Eine Fortsetzung findet man bei http://www.astrotreff.de/user/scripts/postings-rohr.asp oder auf AstroTreff)
21 Ein japanischer ED-2-Linser mit hohem Strehlwert, aber Farblängsfehler
21 Um also nicht in eine Auseinandersetzung hinein zu laufen mit den Händlern, die das
folgende Objektiv vertreiben - keiner kann nur Spitzenprodukte verkaufen - soll dieser Refraktor 102/920 mit einem ähnlich hohen Strehlwert dem TMP-APO-Refraktor gegen-
übergestellt werden, weil an diesem Beispiel sowohl die Strehl-Diskussion ad absurdum
geführt werden kann, wie sich der Wert einer Ronchi-Gitter-Messung zeigt: Man muß nur die
richtige Gitterkonstante wählen: In diesem Fall 20 linepairs/mm. Je höher die Gitterkon- stante, um so größer die Beugungs-Effekte bzw. Farbzerlegung des Weißlichtes, wie man
an einigen späteren Beispielen erkennt. Der einzige Unterschied zum ersten APO ist also
der störende Farblängsfehler von ca. 0.15 mm zwischen blau/grün und rot, der später ein-
deutig nachgewiesen wird.
22 Das quantitative Meßergebnis für 532 nm mit ähnlich guten Werten.
22 In diesem Fall kehrt sich der Öffnungsfehler um. Hier wird aus der "Mulde" ein kleiner
"Berg".
23 Das Referenz-Interferogramm
23 Hier braucht man dringend einen weiteren Test, um etwas mehr über die exakte Korrektur
zu erfahren. An dieser Stelle ist der Interferometer tatsächlich zu ungenau, und der Ronchi-
Test genauer, wie ich in vielen Beispielen selbst erlebt habe.
24 Der Spalt-Test zeigt die ganze Wahrheit
24 Man muß also keine Glaubenskriege führen und auch den Mitbewerber nicht madig
machen, in seinem Bemühen, auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Ich darf also darum
bitten, mit meinen Ergebnissen nicht hausieren zu gehen. Es sind Teilaspekte einer Optik,
die je nach Anspruch für den einzelnen Sternfreund den Kauf- Ausschlag geben. Vom Inter-
ferogramm bei 532 nm ergeben sich also nur geringfügige Unterschiede ! ! !
Auf dem linken Testbild meines 0.01 mm breiten Lichtspaltes erkennt man ein nahezu
farbreines Bild beim APO im doppelten Durchgang. Ganz deutlich bei der Konkurrenz-Optik
der Farbfehler, der bei diesem Test am deutlichsten gezeigt werden kann. Bei hoher Auf-
lösung und allergrößten Ansprüchen wird man sich daran stören, daß der Kontrast und die
Auflösung farblich durch einen Rotsaum gestört wird, der bei 736-facher Vergrößerung im
doppelten Durchgang klar ins Auge fällt. Am Himmel wird das wahrscheinlich sogar weniger
stören, als als Testobjektiv, wie ich es für meine Messungen brauche. Das war also für mich
der Grund, mir eine solche Optik zuzulegen: Zur Prüfung von Okularen!
25 das russische Objektiv im Phasenkontrast-Test
25 Die Aufnahme entstand ohne Interferenz-Filter !!! Zu sehen die gleichmäßige Ausleuch- tung und der zarte Öffnungsfehler
26 das japanisiche Objektiv im Phasenkontrast-Test
26 Wieder ohne Interferenz-Filter, ähnlicher Öffnungsfehler - invers dargestellt, aber deut-
liche Farbeffekte allein zwischen blau und grün. Dieser Effekt kommt dadurch zustande,
daß die Schnittweiten der Spektralfarben verschieden sind, und blau intrafokal gesehen
wird, während grün bereits extrafokal liegt. Eine exakte Messung geht über den Foucault-
test und exakten Interferenz-Filtern. Hier liegt aber der Schwerpunkt auf dem Nachweis
überhaupt.
27 Der geschmähte Ronchi-Gitter-Test intrafokal bei 20 lp/mm doppelter Durchgang
27 Nicht missen möchte ich den Ronchi-Gitter-Test. Deutlicher kann man die Farbrein-
heit einer Optik nicht zeigen, wenn man das Ronchi-Gramm mit dem folgenden Bild
vergleicht. Die Farbeffekt am Rand sind spektral-Effekte wegen der hohen Gitterkonstanten
von 20 lp/mm die sich wegen des doppelten Durchganges mit dem Faktor 2 multipliziert.
Mit einem 50 lp/mm oder gar 100 lp/mm läßt sich dieser Effekt noch stärker demonstrieren,
mit einem 670 lp/mm könnte man dann das allerschönste Spektrum erzeugen.
Trotzdem zeigt der Ronchi-Gitter noch erheblich mehr: Man sieht die Korrektur ist fast perfekt,
in der Mitte hauchzart überkorrigiert, ist hier die Orientierung eindeutiger als beim I_Gramm,
wo man Orientierungs-Probleme haben kann. Die gleichmäßige Ausleuchtung der Streifen
ist ein massiver Hinweis, daß man es mit einer hochwertigen Politur zu tun hat. Man hat
also bereits über den Ronchi-Test eine Aussage über die Flächenglattheit. Die beiden
letztgenannten Gründe sind es auch, weshalb einer der Händler diesen Test anbietet. Natür-
lich spielen beim Testaufbau weitere Feinheiten eine Rolle, aber für die Grundaussage:
Korrektur OK, Flächenglattheit OK ist dieser Test sogar am Himmel völlig ausreichend.
Mir dient dieser Test grundsätzlich als genaue Bestimmung der Korrektur einer Optik. Man
muß sich mit den Gitterkonstanten auskennen und mit der Justage der Gitterlinien zum
Spalt und mit der Spaltbreite und mit der Anzahl der Streifen und mit dem Laufen der
Streifen über die Fläche, und, und, und . . . . Also bitte etwas mehr Respekt vor dem Herrn
Ronchi, das war ein ganz "gescheites Haus" !
28 Der geschmähte Ronchi-Gitter-Test intrafokal bei 20 lp/mm doppelter Durchgang
Diesmal der Japaner
28 Den Unterschied brauche ich nicht mehr groß erklären, den sieht jeder von Euch!!
Auch die Situation des Öffnungsfehlers kann deutlicher nicht gezeigt werden! Die Bilder sind
nicht gleichzeitig entstanden, sondern mit einem Abstand von ca. 4 Wochen.
29 obere Reihe der APO im Ronchi-Test durch die Farben blau/grün/rot
29 untere Reihe das jap. Objektiv. Im blauen ist der Japaner besser, bei grün ziemlich
gleich, bei rot der APO besser korrigiert, der Japaner unterkorrigiert. Zum Farblängsfehler
taugt dieser Test nicht, aber für den Gauß-Fehler ein prima Test, der Ronchi-Gitter-Test.
30 obere Reihe: APO, der Phasenkontrast-Test durch die Farben blau/grün/rot
30 untere Reihe das jap. Objektiv. Marginal die bessere Fläche beim APO. Schade, daß
der Farblängsfehler das Vergnügen ein bißchen stört, für die Praxis am Himmel ist es
nach Aussagen von Beobachtern ebenfalls eine Hochleistungs-Optik. Allerdings entfalten
beide Objektive ihre Qualität erst, nachdem sie genügend Zeit zum Auskühlen hatten. Das
war nämlich der Fehler eines Sternfreundes. Der erste Blick durch das un-temperierte APO
zeigte mir zunächst eine völlig überkorrigierte Optik. Da ich diesen Effekt ja kenne, mußte
ich ihm also erst einmal zwei Stunden Zeit für die Temperatur-Angleichung geben. Dann
aber . . . !
31 Ein Weißlicht-Interferogramm des APO
31 erzeugt solche schönen bunten Interferogramme, bei Newton-Spiegeln aus dem
Krümmungs-Mittelpunkt sehr beeindruckend. Hängt mit der Wellenlänge der Spektral-
farben zusammen.
32 Ein Weißlicht-Interferogramm des Japaners
32 Warum mir diese Aufnahme nicht so gut gelang, weiß ich nicht, jedenfalls war da der
Gurken-Schutz-Thread noch nicht virulent.
Fazit: Ich würde mir wünschen, wenn man die gegenseitigen Bemühungen der Händler
nur allerbeste Optiken fürs jeweilige Geld, also im Preis-Leistungs-Verhältnis gesehen,
weder von Händlerseite, noch von Kundenseite madig würde. Dem deutschen Kunden
fehlt oft das Bewußtsein, daß für eine hochwertige Optik auch ein hochwertiger Preis zu
zahlen wäre. Erst Spitzen-Qualität für sich zu reklamieren und dann weniger bezahlen zu
wollen, passen schlecht zusammen. Das erlebe sogar ich manchmal, wenn einige
Sportsfreunde mir drei Stunden interessiert bei der Arbeit zuschauen, hinterher jedoch
Probleme mit dem Auffinden ihrer Barschaft haben.
Soweit die differenzierte Betrachtung über Wert und Unwert von Interferometer- und
Ronchi-Test !
Freundliche Grüße allerseits
Wolfgang Rohr