Umstieg von DSLR zu CCD, zu erwartender Gewinn

  • Hallo alle,


    nach Umzug letztes Jahr habe ich mein Balkon-"Guckloch" auf den Sternenhimmel durch einen Standort im Garten mit freier Rundumsicht ohne Störlichter getauscht, bei messbar dunklerem Himmel.


    Nun möchte ich bei der Astrofotografie einen Umstieg von DSLR zur CCD wagen. Fotografieren würde ich dann hauptsächlich mit einem 130mm Refraktor bei entweder f6/780mm oder f4,5/550mm. Als CCD liebäugle ich mit der Atik One 6 oder evtll. auch Atik One 9. Über die geeignetere Pixelgröße der beiden Varianten muss ich mir noch Gedanken machen.


    Ist es sinnvoll, sich mit der CCD auf L und Schmalband zu konzentrieren und RGB weiterhin mit der DSLR aufzunehmen? Die fünf Positionen im Filterrad wollen wohlbestückt sein -- alles auf einmal passt nicht rein :-). Nur die Position für H-Alpha ist gesetzt.


    Und da mein Himmel trotz Stadtrandlage immer noch nicht so richtig dunkel ist: Ist es sinnvoller, statt eines normalen L-Filters evtll. einen IDAS LPS-P2 o.ä. zu verwenden? Immerhin haben z.B. der Rotfilter bei Baader oder Astrodon eine große Lücke im abgedeckten Frequenzbereich mit Hinweis auf typische Lichtverschmutzungsquellen, wobei im zugehörigen L-Filter diese Aussparung aber fehlt. Würde man sich mit einem normalen L-Filter dann nicht genau das Photonenrauschen der Lichtverschmutzung wieder einfangen, welches man mit den Farbfiltern versucht hat zu unterdrücken?


    Ich habe auch versucht, mit meinen letzten Aufnahmen die zu erwartende Qualitätssteigerung einer CCD überschlägig zu ermitteln:


    Bei einer 10-minütigen Aufnahme von M81/M82 um Mitternacht bei gutem Himmel mit hoher Transparenz mit einer EOS 500D und IDAS LPS-P2 bei ISO 800 (=gain 0.3e-/ADU) habe ich für einen freien Hintergrundbereich für das Rotsignal ermittelt:
    stddev(Photonenrauschen) ca. 19 ADU
    stddev(Dunkelstromrauschen) ca. 41 ADU
    stddev(Ausleserauschen) ca. 11 ADU
    SNR des Hintergrunds: ca. 7,5


    Überschlagsmäßig für einen ICX 694 Sensor und folgenden Annahmen: Quanteneffizienz Faktor 1.75 höher
    Dunkelstromrauschen = 0
    Ausleserauschen ca. 5.1e = 19.6 ADU (bei gain 0,26e-/ADU)
    SNR des Hintergrunds: ca. 19


    Dies würde dann alles in allem einen SNR-Gewinn gegenüber der DSLR von ca. 2,5 ergeben, also in etwa würde ich mit einer CCD in 1h ein SNR erreichen können, für das ich mit der DSLR über 6h benötige? Kann das sein? ... Wäre ja genial :)


    Rechenfehler natürlich nicht ausgeschlossen ... aber ich habe versucht, fehlerfrei die Formeln aus dem Berry/Burnell anzuwenden.



    Grüße
    Rüdiger

  • Hallo Rüdiger,


    ich finde Vergleiche zwischen SW-CCD und DSLR immer sehr schwierig, weil man da zwei voellig unterschiedliche Kamera/Sensor-Konzepte vorliegen hat. Mag sein, dass 1h mit dem ICX694 reicht, um an 6h DSLR ranzukommen; meine Erfahrung ist hier eher, kann ich mit 6x10min. dasselbe erreichen bei befriedigender Rauschreduzierung etc. Das ist dann natuerlich sensorspezifisch, ein staerker rauschender KAF8300 benoetigt vielleicht wieder die doppelte frame-Anzahl.


    Fuer mich stellt eine SW-CCD aber auch etwas faszinierendes dar, und finde es immer schade von Arbeitspferd usw. zu lesen. Entzuecken tut mich halt immer wieder das Potential einer SW-CCD. Richtig aufgenommen, kalibriert und verarbeitet ist die Bildqualitaet mit einer SW-CCD einfach nicht zu ueberbieten, und das moechte ich an einem kuerzlich aufgenommenen Beispiel zeigen. Bei sehr diesigem Himmel aber ruhiger Luft konnte ich mit meiner Bitran-CCD und dem KAI4021 (4MP) 8x15min. Luminanz durch den kleinen Pentax 75 aufnehmen:



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    Fuer Kalibration, stacking und Bildverarbeitung benoetigte ich maximal 10 Minuten. In originaler Aufloesung ist es aber ein 16MP-Bild, das man durchaus in 100%-Ansicht praesentieren kann. Beim stacking verwende ich jeweils 2xdrizzle wenn genuegend gut belichtete frames aufgenommen, denn das ergibt sogar einen gut sichtbaren Detailgewinn bei schoenen Sternen. Hier ein Ausschnitt aus obiger Aufnahme, links eben mit 2xdrizzle und rechts ohne drizzle und mit Pixelwiederholung in ps auf 200% hochgerechnet:



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    Beide stacks wurden nur stufenweise mit Gradationskurve aufgehellt, keine Schaerfung oder weiteres. Ist doch faszinierend, was da mit einem kleinen 75mm-Refraktor moeglich ist! Das Geheimnis beim aufnehmen ist lediglich ein gutes dithering, ansonsten funktioniert 2xdrizzle-stacking nicht wirklich.


    Ob es an Deinem Beobachtungsort ohne LPS-P2 geht, musst Du rausfinden; an meinem Wohnort ca. 2km neben Flughafen Zuerich geht es in sehr transparenten Naechten sogar ohne den P2, aber normalerweise kommt 'mehr' mit dem P2. An Galaxien (viel Blauanteil) merkt man im Vergleich zu ohne P2, dass nur mit L-Filter wesentlich mehr 'Galaxie' drauf kommt. Man kann das jedoch mit etwas mehr Belichtungszeit gut ausgleichen.


    Ob L-RGB oder L und Schmalband, leg Dir mal das zu was Dich mehr fasziniert. Die Kombination von DSLR-RGB und SW-CCD ist so eine Sache; das geht zwar in jedem Fall, so richtig befriediegend ist es aber nicht wenn man sich an die Bildqualitaet mit einer SW-CCD gewoehnt hat. Wo ich aber (da mobil unterwegs) Potential sehe, ist die Kombination von DSLR mit Schmalband. Hier habe ich in den vergangenen Monaten einiges experimentiert. Am besten nimmt man mit DSLR bei Niedrig-ISO vor allem Sterne auf (fuer schoene Sternfarben!), und beamt dann Schmalband in die DSLR Sterne hinein. Dazu ist es aber notwendig, in den Schmalbandkanaelen die Sterne gut zu entfernen (erster Schritt des tonemappings). Hier zwei Beispiele, was man damit machen kann:



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    Aufgenommen hab nur je 4x15min. Ha, O3 und S2, und mit unmod. D3200 gleichzeitig 12x13min. bei 200 ISO durch einen oeffnungsreduzierten Borgachromaten. Links sind die Schmalbandkanaele in Hubble-Palette, rechts Ha und S2 in den Rotkanal (auch ein wenig Ha in Gruen- und Blaukanal!) und O3 in Blau- und Gruenkanal reingebeamt. Damit wollte ich ein RGB-aehnlichen Nebel erreichen. Klappt doch schon mal farblich ganz gut, aber fuer hochaufloesende Bilder brauchts da noch einige Entwicklungsarbeit punkto Rauschen und vor allem mehr Belichtungszeit!


    Hoffe das hilft etwas weiter, Gruesse
    Jan

  • Hallo Jan,


    danke, dein Betrag hilft mir schon etwas weiter. Deine gezeigten Objekte hatte ich auch schon einmal mit DSLR und Photoobjektiv (72mm Öffnung) fotografiert, so habe ich da auch einen direkten Vergleich.
    Was ich bei meiner Überschlagsrechnung ganz vergessen habe, ist der Einfluss der Außentemperatur: meine letzten DSLR-Aufnahmen sind bei Temperaturen um 0°C herum entstanden, und sobald 15°C oder mehr erreicht werden (Rauschen &gt;4-mal höher), macht die Bildbearbeitung schon deutlich weniger Spaß.
    Ich denke, ich werde zunächst mit einen einfachen L-Filter (kein IDAS) und H-Alpha beginnen, einige DSLR-Bestandsaufnahmen mit neuer Luminanz "verheiraten" und danach weitersehen, worauf ich mich konzentrieren werde.
    Grüße,
    Rüdiger

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