Refraktion oder Reflektion - zweimal NGC281

  • Moin,


    heute mal etwas eher Experimentelles. Neben meinem 10“-Newton nutze ich ja seit einiger Zeit auch einen 115/805 TMB. Und da hat es mich mal gereizt, einen Vergleich der beiden Geräte anzustellen. Nicht wirklich wissenschaftlich, aber sozusagen ein eigenes kleines „Linse kontra Spiegel“-Projekt. Liefert viel Stoff, um mit mir selbst dieses kontroverse Thema zu diskutieren und mir hier und da auch Schläge unter die Gürtellinie zu versetzen [:0]
    Der TMB hat mit dem Riccardi-Reducer so etwa 615mm Brennweite, der Newton mit dem ASA-Reducer etwa 950mm. Zum einen wollte ich sehen, was die höhere Brennweite an Auflösungsgewinn bringt, zum anderen, was denn die fast fünffache Lichtsammelfläche des Newtons in Bezug auf Tiefe leistet. Das Ganze ist mit Vorsicht zu betrachten, denn ich habe zwei Abende benutzt: einen für die TMB-Aufnahmen, einen für den Newton. Insofern sind die Ergebnisse eben nicht wissenschaftlich exakt, sondern liefern nur Hinweise. Als Kamera nutze ich die beliebte Atik 383L+ mit 5,4µm Pixelgröße.
    Beide Abende zeichneten sich durch ein reichlich schlechtes Seeing aus. Beim Fokussieren sehe ich an den erreichten Halbwertsbreiten eigentlich sofort, ob das normal, gut oder eher schlecht ist. Und beide Abende gehörten da sicher zu den 10% schlechtesten, die Luft war sehr unruhig. Bezüglich Transparenz war es aber recht gut, beide Nächte nahmen sich nicht wirklich etwas.
    Theoretisch sollte die höhere Brennweite noch einen gewissen Vorteil bezüglich Auflösung bringen. Der TMB mit Reducer kommt auf etwa 1,8“/Pixel, der Newton auf etwa 1,15“/Pixel. Das heißt, bei 2 bis 3“ seeing werden mit dem TMB Sterne noch „undersampled“, also nur auf sehr wenige Pixel abgebildet. Durch dithering und Reskalierung lässt sich das allerdings reduzieren. Der Newton ist dagegen nahe am Optimum, da braucht es schon sehr gute Bedingungen, um bei höherer Brennweite auch theoretisch noch mehr an Auflösung zu generieren.
    Aber grau ist alle Theorie. Die spannende Frage: wie ist es denn nun im echten Einsatz? Unten die entsprechenden Bilder, auf die ich jetzt eingehe. Tatsächlich war die Überraschung recht groß, als ich die Auflösung an den Elum-stacks, also der Summe aller Aufnahmen mit den verschiedenen Filtern, bestimmte. Am ungestreckten Stack liegt der TMB bei etwa 3,7“, der Newton noch darüber bei etwa 4,5“. Recht schlechte Werte, das hatte ich aufgrund der Witterungsbedingungen auch nicht anders erwartet. Für den schlechteren Wert des Newtons habe ich zwei Erklärungen parat: entweder war das Seeing an dem Abend noch schlechter als am Abend davor mit dem TMB, oder der Newton ist aufgrund von zusätzlichem Tubusseeing generell im Nachteil. Letzteres versuche ich allerdings durch einen saugenden, langsam laufenden Lüfter zu minimieren. An der Optik des Newtons liegt es definitiv nicht, die ist über jeden Zweifel erhaben. Klar wird aber: auch bei besseren Bedingungen dürfte sich der Vorteil in der Auflösung für den Newton in sehr engen Grenzen halten, falls er überhaupt einmal vorhanden sein sollte.



    Bei der Tiefe der Aufnahmen zeigt sich dann der Newton-Vorteil der großen lichtsammelnden Fläche. Ich habe versucht, auf ein etwa gleiches Helligkeitsniveau zu strecken, und da wird deutlich, dass das Rauschen in der TMB-Aufnahme doch merklich höher ist – und das trotz höherer Gesamtbelichtungszeit. Allerdings ist die erreichte Sterngrenzgröße beim Newton nicht höher, da das Sternenlicht aufgrund der geringeren Auflösung über eine größere Fläche verteilt wird.
    Nun noch die fertigen Aufnahmen in der Hubble-Palette, denn auch der Gesamteindruck spielt ja eine Rolle. Unten die verkleinerten Aufnahmen, per link die Aufnahmen, die beide auf 1,5“/Pixel skaliert wurden, also etwa 120% für den TMB, 77% für den Newton. Ästhetisch für mich klar vorne: die TMB-Aufnahme. Neben dem schönen Sternumfeld, das noch in das Bildfeld passt, ist der Gesamteindruck durch die feinen Sterne einfach schöner. Allerdings ist hier, da ich eher auf gleiches Rauschniveau bearbeitet habe, das Newton-Bild tiefer geworden. Der etwas unruhigere Hintergrund beim Newton, die netteren (falschen) Sternfarben beim TMB – das will ich noch erwähnen, schiebe es aber eher auf meine Bearbeitungskünste als auf einen Linse-Spiegel-Unterschied.



    Das Newton-Bild
    Und hier mit 1,5"/Pixel
    http://www.castronomie.de/temp/NGC281_Pacman_Newton.jpg



    Das TMB-Bild
    Und hier mit 1,5"/Pixel
    http://www.castronomie.de/temp/NGC281_Pacman_TMB.jpg


    Und was soll es nun sein, Linse oder Spiegel? Mein persönliches Fazit: beides! Jedes Teleskop hat seinen Himmel, so war es auch gedacht, als ich den TMB angeschafft habe. Ästhetische Aufnahmen mit großem Bildfeld, superscharf, aber eben vorwiegend für Nebelgebiete. Für tiefe Galaxienaufnahmen hilft dagegen die Lichtsammelfläche des Newton, und ein großes Bildfeld braucht es dafür in der Regel auch nicht. Offen, und da will ich bei Gelegenheit noch einmal kurz spezifisch testen, bleibt die Frage mit der Auflösung. Wie sieht das unter guten atmosphärischen Bedingungen aus?
    So, hoffentlich war der Beitrag interessant zu lesen, gerne höre ich auch über Eure Erfahrungen (nur bitte keinen Spiegel–Linse–Glaubenskrieg).


    Viele Grüße,


    Carsten

  • Interessanter Vergleich. Vielen Dank für deine Arbeit. Sieht aber wirklich so aus, als ob durch das Tubus Seeing der Öffnungsvorteil des Newtons verschwindet oder sich zumindest verringert. Worauf führst du das höhere Rauschen bei den TMB Aufnahmen zurück?

  • Hallo Jonas,


    das höhere Rauschen der TMB-Aufnahme ist leicht erklärbar: die Lichtsammelfläche ist etwa den Faktor 5 geringer, die Belichtungszeit war etwas höher als beim Newton. Insgesamt habe ich im Vergleich zum Newton also nur rund ein Viertel der Photonen gesammelt, und das hebt das Rauschniveau um den Faktor Wurzel aus 4, also 2, an.


    Grüße,


    Carsten

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